10. Kapitel

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Langsam umkreiste er mich. Ohne mich zu beachten, ohne mich anzusehen, ohne etwas zu sagen, bewegte er sich auf den Haufen der Sachen zu. Hingehockt, beobachtete er zunächst die Kleidung abfällig, sobald er sie mit einzelnen Fingern seiner rechten Hand anhob.

„Das wird deine neue Kleidung sein", befahl er regelrecht und es wirkte fast schon so, als würde er keine Widerworte dulden.

Ich muss es schweigend akzeptieren. Es geht nicht anders, wenn ich länger leben will.

Stumm nickend antwortete ich ihm, auch wenn er dies nicht sah. Denn noch immer waren seine Augen starr auf den Boden gerichtet und doch wurde ich das Gefühl nicht los, als hätte er es doch gesehen. Vielleicht bekam er wirklich viel mehr mit. Vampire besaßen nun einmal bessere Instinkte, dagegen wirkten die Menschen nutzlos, so wie sie auch betrachtet wurden.

Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten, denn es war nur klar, dass man uns nur als Vieh ansah. Auch wenn es wehtat, diese Wesen hatten durchaus recht. Meine Spezies schlachtete sich gegenseitig ab und ich war auch keinen Deut besser.

Wie viele Menschen habe ich schon sterben sehen und ihnen nicht geholfen?

Aber niemals hatte ich sie selber umgebracht, es war stets das Militär gewesen, was sich auch untereinander bekriegte. Jeder kämpfte für sein Recht und jeder wollte Überleben, egal wie. Ob es bei den Vampiren anders war?

Ich wusste es nicht. Es gab so viele Möglichkeiten.

„Um ehrlich zu sein", begann Crowley ruhig und stand mit der Kleidung in der Hand auf, ehe er sich erneut zu mir umdrehte. Jetzt stand er gut zwei Meter von mir entfernt und doch wirkte es weniger. Durch seine Größe wirkte er so gewaltig, dass große Abstände mickrig klein zu sein schienen.

„Es gibt keine andere Kleidung, daher musst du diese hier anziehen!"

Lügner.

Das war mein einziger Gedanke, während ich ihn ausdruckslos ansah. Ich durfte mir nichts anmerken und doch machte mich diese Sache ziemlich wütend. Denn ich schätzte ihn nicht so ein, als wäre er nicht imstande, Ersatzsachen irgendwo zu finden. Nein.

Von Anfang an war es bestimmt sein Plan gewesen, denn genau damit, konnte er mich noch weiter erniedrigen. Klar wollte er mir zeigen wie wenig er doch von mir hielt und woran er letzten Endes nur interessiert war. Nämlich mein Blut, alles andere war ihm egal. Und diese Sachen symbolisierten genau das. Jedoch war das Schlimme an dem Ganzen, dass ich mich nicht wehren konnte. Erstens nicht körperlich und zweitens nicht geistig. Immerhin war ich auf ihn angewiesen, denn er sicherte mein Überleben. Darum hatte ich diese Tatsache zu akzeptieren. Und so blieb ich nach Außen hin ruhig und war dankbar, was mir geboten wurde.

Doch ich behielt den Großen immerzu im Auge. Ein süffisantes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, ehe er die wenigen Meter schnell überwand und dicht vor mir stand. Kurz sah er auf mich hinab, niemals betrachtete er mich als etwas Gleichwertiges.

Darauf kann ich lange warten. Eher friert die Hölle zu.

An seine Nähe konnte ich mich immer noch nicht so richtig gewöhnen, auch wenn er mir wortwörtlich schon unter die Haut gegangen war. Aber der kalte Angstschweiß, die Panik, sie ließ nach. Nur noch das Verspannen der Muskeln musste aufgehoben werden, dann wäre ich völlig entspannt. Ich konnte nicht genau erklären wieso, aber ich wusste, dass er mich nicht töten würde. Nicht jetzt und nicht hier.

Außerdem kann ich ihm eh nicht entkommen.

Heftig drückte er mir die Kleidung gegen den Oberkörper, sodass ich etwas nach hinten stolperte. Er versuchte erst gar nicht seine Kräfte zu verstecken, wieso auch? Sie schüchterten schon ein.

BlutrotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt