20. Kapitel

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Langsam landete das Material, welches meine Wunde noch kurz zuvor verdeckt hatte, lautlos auf dem Boden. Hier oben in den Fluren, war der kalte Marmor mit einem roten Teppich geschmückt worden, sodass jedes Geräusch eingesogen wurde. Der Stoff nahm alles auf.

Passend auf die gesamte Einrichtung abgestimmt, sticht das tiefe Rot des Teppichs einem nicht in die Augen.

Ich hatte Zeit darüber nachzudenken, denn noch immer hetzte mein Gegenüber mich nicht. Andererseits war es verwirrend, denn ich rechnete in jedem Moment mit einem Angriff oder Sonstigem. Es machte mich noch nervöser, dass er sich so viel Zeit ließ.

Womöglich macht er es extra, damit ich den Verstand verliere. Crowley spielt gerne.  

Langsam, fast schon wie in Zeitlupe, platzierte er seine rechte Hand auf meiner Haut am Hals. Der schwarze Handschuh fühlte sich ungewöhnlich an. Aber womöglich lag es auch am kalten Leder, was man eben nicht sooft auf seiner Haut verspürte. Wie erstarrt, auch da mir keine Flucht gegeben war, blieb ich an Ort und Stelle zunächst stehen. Statt mich zudem weiter über sein Verhalten zu wundern, fragte ich mich etwas anderes. Wie konnte es überhaupt möglich sein, dass er so entspannt zu sein schien. Nicht mehr als einige Minuten zuvor, hatte sich noch Ferid mit uns im Raum aufgehalten. Hatte er etwa dieses Gespräch schon längst vergessen? Denn ich schätzte diesen Blutsauger nicht so ein, als würde er sich damit zufrieden geben.

Einmal die Jagd aufgenommen, bekommt man ihn nicht so schnell los. 

So in etwa waren Crowleys wütende Worte gewesen, bevor der andere Vampir das Anwesen unangekündigt betreten hatte. Bevor er uns besucht und unser Geheimnis entdeckt hatte.

Eine unangenehme Gänsehaut breitete sich auf meinen nackten Armen aus. Denn durch dieses entdeckte Geheimnis würde er doch umso mehr erregt sein und umso mehr haben wollen, oder nicht? Niemals würde Ferid jetzt nachgeben, also wieso konnte Crowley so entspannt sein?

War es etwa, nein, unvorstellbar. So etwas konnte es nicht sein und doch musste ich dies denken.

Vielleicht vertraut er ihm ja. 

Das wäre für mich die einzige Möglichkeit gewesen. Vertraute er ihm aber wirklich? Standen sie sich so nahe, dass er ihm selbst seinen Rücken hinzuwenden konnte, ohne eine Gefahr zu erwarten? Glaubte Crowley wirklich das Ferid ihn niemals hinterging? Ich schätzte nämlich dieses Monster anders ein. Vielleicht war ihre Bindung für ihn nur ein Mittel zum Zweck und mehr nicht. Bestimmt würde er ihn irgendwann ebenfalls verraten, es war nur eine Frage der Zeit. Aber wenn es geschah, was dann? Würde unser Vertrag noch bestehen und dann? Würde sich Ferid mir zuwenden? War sein Verlangen so groß, oder war ich für ihn nur eine Momentaufnahme? Und selbst wenn, egal was es war, wieso machte ich mir jetzt in solch einer Situation diese Gedanken?

Weil ich nicht will, dass Crowley geht. Wenn er geht, werde ich ohnehin sterben, denn ich bin auf ihn angewiesen. Ohne ihn, kann ich nichts tun.

Plötzlich und unerwartet kamen diese Worte in meinen Kopf und formten sich zu diesem Satz. Schnell schüttelte ich sie jedoch ab. Seit wann war ich so hilflos geworden? In letzter Zeit fiel es mir immer mehr auf, wie oft ich die Hilfe bei ihm suchte. Bei diesem Wesen, was meinen Tod bestimmen konnte. In letzter Zeit verstand ich mich selber nicht mehr und dabei war das Herausfinden seiner Vergangenheit das kleinste Übel.

Aber nun hatte ich wieder in die Realität zurückzukehren. Über etwas nachzudenken, was im Moment belanglos war, das war nicht meine Art. Auch wenn es unser Vertrag war, so hatte ich ihn doch im Auge zu behalten. Nur, wieso wollte es mein Körper nicht. Es war beinahe so, als würde ich ihm vertrauen.

BlutrotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt