12. Kapitel

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Dicht am Regal gedrückt, lauschte ich in die Ferne und achtete auf jedes noch so kleinste Geräusch. Dabei versuchte ich stets meiner Prozedur treu zu bleiben.

Flach atmen. Ruhig und leise sein. Beweg dich nicht. Warte ab.

Den Blick starr auf ein Bild gelegt, übte ich mich in Geduld. Beneidend beobachtete ich die gemalte Frau, die mit ihrem Kopf an einem Baum gelehnt saß und entspannt in einem Buch las. Zu gerne hätte ich mich dorthin gewünscht, denn dort war es fernab von allem Gefährlichem. Sie wirkte so zufrieden und lächelte ein wenig, während die Umgebung so hell erschien. In der Sonne brachen sich alle Farben und selbst die hart arbeitenden Menschen im Hintergrund wirkten so friedlich und frei.

Aber so eine Welt gibt es nicht in echt. 

So schloss ich die Augen und senkte den Kopf, sobald die Stimmen lauter wurden. An der Bibliothek angekommen, konnte ich sie genau hören. Ihr Gespräch oder zumindest derjenige, der alleine redete. Seine Begleiter schienen im Moment zu schweigen, denn ich hatte es gehört, es waren mehrere gewesen. Mindestens zwei weitere standen dort, neben dem Sprechenden.  

„Es ist so lebhaft wie eh und je. Was täten wir nur ohne diese Geräusche? Und doch darf ich es nicht genießen, weil Krul mich zu sich verlangt. Ach, was habe ich nur für Pech. Möchte nicht irgendwer mit mir tauschen?" Laut seufzend beendete er sein Schauspiel. Seine Entrüstung wirkte nicht echt. Selbst ich konnte es sagen, ohne ihn dabei sehen zu müssen. Giftig war seine Stimme und auch ein Stück weit Hohn war herauszuhören. Er machte sich lustig, schien das Ganze nicht ernst zu nehmen und doch wollte er etwas damit bezwecken.

Geduldig wartete er ab, ehe eine andere Stimme ihm antworten tat.

„Ferid-sama..."

„Ach, es ist so..."

„Ferid-sama. Ihre Majestät, die Königin, wartet bereits."

„Dann soll sie noch länger warten." Eiskalt lief es mir bei dieser emotionslosen Stimme den Rücken hinab. Geschockt atmete ich leise ein, ehe ich die Augen weit aufriss. Vor diesem Vampir hatte ich mich besonders in Acht zu nehmen. Ich wusste nicht genau wieso, aber es hieß nichts Gutes, sich in seiner Nähe aufzuhalten. Er schien stark zu sein, besaß eine hohe Position. Allein wie man mit ihm sprach, erklärte schon alles. Man spürte den Respekt, den er aber anscheinend der Königin nicht entgegenbringen wollte und konnte.

Dass diese Vampire überhaupt eine Königin haben, wundert mich sehr.  

Vielleicht war er auch so stark wie Crowley.

Aber doch ist er in seiner Art anders. So undurchschaubar und doch ist das egal, er kann mich auch töten. Ich muss hier weg.  

Dieser Gedanke war in Anbetracht der Lage nichts Neues für mich. Ich lebte momentan sehr gefährlich. Eine falsche Bewegung und sie würden mich finden und dann wäre ich nicht mehr unter den Lebenden. Ja, diese Idee war stets präsent, aber nun konnte ich sie vor meinem inneren Auge sehen. Natürlich wollte ich so schnell wie es nur ging verschwinden, doch diese Vampire mussten zunächst die Bibliothek passieren und weit in der Ferne sein. Erst dann konnte ich aus meinem Versteck verschwinden.

„Ferid-sama..."

„Ach", unterbrach dieser Ferid, dessen Name mir so vertraut erschien und doch fremd zugleich, den Anderen. Crowley hatte diesen Vampir einmal erwähnt und mit einer Art Ehrfurcht hatte er ihn ausgesprochen. Als würde er ihm zwar nicht vertrauen und doch respektieren.

Was ist das nur für ein Vampir, vor dem andere solch einen Respekt haben?

Kurz erwischte ich mich bei dem Gedanken aus meinem Versteck hinauszuschauen und doch unterdrückte ich diesen Drang. Nein, ich durfte und hatte mich nicht zu bewegen, wenn ich leben wollte. So beließ ich es bei der Tatsache, dass es vielleicht für immer ein Geheimnis bleiben würde. Aber dieses Geheimnis nahm ich gerne in Kauf, wenn dafür mein Überleben garantiert war.

BlutrotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt