36. Kapitel

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Nach endloser Zeit erreichte ich die mir vertraute Umgebung, die mich schon eine lange Zeit begleitete. Mittlerweile konnte ich sie selber als mein vertrautes Heim bezeichnen.

Mein erstes Heim.

In all den Jahren, wo ich auf der Erde verweilte, hatte ich nichts als ein zu Hause betrachten können. Erst jetzt wurde es mir schlagartig klar, dass dieser Ort hier doch etwas Besonderes für mich war. Noch nie zuvor war ich solange an einem Platz geblieben.

Wobei ich es auch eigentlich nicht freiwillig machte, sondern es mir befohlen wurde.

Trotz all dem hatte ich schon vor einiger Zeit auch feststellen müssen, dass man sich an bestimmte Dinge schnell gewöhnen konnte. Und so war für mich meine momentane Situation vertraut.

Wäre sie nicht mehr, müsste ich mich neu umstellen.

Und in meiner jetzigen Lage wollte ich es nicht. Zumindest nicht jetzt und überhaupt ging es auch nicht. Denn immerhin bestimmte nun ein Vampir über mein Leben und er konnte mich ebenfalls jederzeit töten, wenn er denn wollte.

Und damit meine ich nicht Ferid, sondern eben Crowley.

An dessen Gedanken ich mich unterbewusst an meinen Lippen berührte. Das Gefühl und die Erinnerungen tauchten vor meinem inneren Auge auf. Die Bilder von ihm wollten nicht mehr verschwinden und jetzt, wo ich wusste wie es um mich stand, wurde es noch schwieriger die Gedanken zu kontrollieren. In jenem Moment kam ich mir schwach und manipuliert vor.

Und genau das ärgert mich gerade.

Gefühle jeglicher Art konnte ein Mensch wahrnehmen und genau diese Emotionen lenkten einen auch ab. Sie veränderten die Meinung zu etwas oder eben das Handeln. Gefühle waren in dieser Welt ein Hindernis, so wie auch jetzt. Wut über mich selber breitete sich neben den schönen Emotionen in meinem Körper aus. Während mein Herz heftig pochte, drückte mein Kopf. Ein Wechselbad der Gefühle war zu spüren, während ich langsam aus der dunklen Gasse sah.

Selbst hier in dieser Stadt musste ich noch immer vorsichtig sein. Niemand außer Ferid und Crowley wussten von meiner Existenz.

Alvar auch, aber der hält dicht.

Doch die anderen Vampire und Kinder sollten niemals etwas von mir erfahren. Auch nicht die beiden Kapuzenträger, welche in jenem Moment leise an mir vorbeigingen. Mich in der dunklen Gasse hinhockend, beobachtete ich sie. Aber ihre Blicke waren nur auf das Eine gerichtet. Ich erkannte zu gut das gehässige Grinsen der Soldaten, welche die Kinder nicht mehr aus den Augen ließen. Etwas hatte sich hier in Sanguinem verändert, nachdem die Königin nun nicht mehr regierte. Unter Ferids Händen, spürte ich stets eine Gefahr von Überall ausgehend. Bedrohlich wirkte es und auch spürte ich eine größere Angst, die sich nun langsam ausbreitete. Doch anscheinend war ich die Einzige damit, denn die Kinder störten sich nicht daran. Noch immer fröhlich lachend, liefen sie frei herum und hielten sich nicht an den hungrigen Blicken der Blutsauger auf.

Wieso auch? Und vor allem wieso kümmert es mich?

Im Moment hatte ich andere Dinge zu tun.

Ich muss in das Anwesen.

Nur dort im großen Haus war ich sicher und hatte ich, wenn überhaupt, nur einen Vampir zu fürchten. Doch mittlerweile war mir Crowley Präsenz vertraut. Ich vertraute ihm etwas mehr und vielleicht lag es auch an diesen Gefühlen, die nun wie eine Last an mir hafteten. So schnell bekam ich sie nicht los und wenn ich ehrlich war, so gaben sie mir ein Stück weit Hoffnung.

Nein ich will sie noch nicht loswerden.

Ein wenig konnte ich sie für mich behalten, aber würde ich es auch schaffen sie vor ihm zu verstecken? Konnte ich so neben ihm her weiterleben, wie ich es zuvor getan hatte? War das für mich möglich oder würde er sie erfahren? Kannte Crowley dieses Gefühl?

BlutrotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt