27. Kapitel

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Freiheit danach sehnte ich mich und dieses Gefühl konnte ich wahrlich nur dort draußen spüren. Natürlich war ich stets darauf bedacht gewesen, niemandem zu begegnen und doch konnte ich selber über mein Handeln entscheiden. Niemand machte mir Regeln, niemand errichtete Grenzen um mich herum.

Das alles habe ich selber gemacht.

Vielleicht war das einer der Gründe, wieso ich mich nur schwer an Regeln anderer halten konnte. Denn rückblickend betrachtet, hatte ich mich nur sehr selten an Crowleys Worte gehalten.

Meistens aber nicht.

Ein leichtes Schmunzeln überzog meinen Mund, sobald ich kurz darauf den Kopf senkte. Die Stille stets im Ohr haltend, dachte ich nach. Es war schwer jemanden zu folgen und doch tat ich es doch irgendwie. Immerhin hatte Crowley mein Leben in seinen Händen. Bis zum Tag, wo er es mir nahm und dieser Tag würde kommen.

Ich weiß nur nicht wann.

Und allein dieser Fakt brachte mich dazu eine weitere Stufe zu besteigen. Wenn ich jetzt ging und einfach diesem Weg folgte, so würde ich endlich aus Sanguinem gehen können. Vorausgesetzt er brachte mich nach draußen. Aber würde ich ihm auch entfliehen können? Ich wusste es nicht, denn es war so Vieles möglich. Andererseits war da etwas, was mich zurückdrängte.

Aber draußen ist meine Welt. Die Oberfläche, einfach alles. Hat es schon geschneit? Wie sah es dort oben aus?

Nach all der Zeit wollte ich einfach nur noch den Himmel sehen, der einem vertraut war.

Nach all der Zeit?

Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht wie viele Tage oder gar Wochen ich bereits hier unten war. Es war lange und in dieser Zeit war viel geschehen. Manches, was mein Überleben wirklich gesichert hatte und dann eben Momente, wo es mir beinahe wieder genommen wurde. Ich hatte also verschiedene Erfahrungen gesammelt. Zwar waren sie weder Gut noch Böse, aber verschieden. Doch wieso konnte ich jetzt nicht einfach gehen?

Ich muss nur Alvar zurücklassen und einfach verschwinden. Es würde klappen, also warum nicht?

Nicht etwas hielt mich davon ab, sondern meine Gedanken und Erinnerungen. Irgendetwas schrie in mir, dass ich diesen Versuch niemals ausprobieren durfte. Ich sollte bei Crowley bleiben, da er mit mir einen Vertrag hatte. Und wenn wir ehrlich waren, so musste ich durchaus zugeben, das er sich stets daran hielt. Nein, mein Körper wollte nicht fliehen. Noch nicht und in nächster Zeit auch nicht. Er hatte genug davon. Immer auf der Flucht zu sein und ständig auf Vampire oder die Armee zu achten. In Crowleys Nähe hatte ich nur ihn zu fürchten.

Bin ich denn lebensmüde?

Ich musste es sein, denn ich wollte wahrlich nicht fliehen und der Grund lag bei dem großen Vampir. Was überaus kurios war, denn ich verstand mein Verhalten selber nicht. Was war nur mit mir los, das ich freiwillig mir solch eine Chance entgehen ließ. Immerhin war es der perfekte Zeitpunkt und sosehr hatte ich mich darauf gefreut den Ausgang zu sehen. Und nun? Nun stand ich hier und wollte nicht mehr gehen. Beinahe wirkte es schon so, als hätte ich allein wegen den Gedanken ein schlechtes Gewissen.

„Tch", zischte ich und kratze mich feste am Kopf.

Es ist einfach nur komisch. Ich bin komisch.

So wandte ich mich von diesem erhabenen Tor ab, welches immer noch im hellen Licht erstrahlte. Es wirkte wahrlich einladend und doch konnte ich unglaublich schnell meinen Blick abwenden und zu Alvar schauen.

Nervös sah sich der Junge um, ehe er schnell nach meiner Hand griff. Zu plötzlich passierte es, sodass ich die Luft schnell einsog, ehe er mich in den Schatten der seitlich ablaufenden Gänge zog. Ich ließ es unfreiwillig zu, denn normalerweise mochte ich es nicht, wenn mich jemand zu etwas zwang. Doch in diesem Fall musste es so sein, denn zwei vermummte Gestalten durchwanderten die Halle. Schweigend liefen sie nebeneinander her und starr waren ihre Blicke. Lange, bangende Sekunden vergingen, ehe sie um die nächste Ecke bogen. Erst dann atmete der Schwarzhaarige erleichtert auf und ließ automatisch meine Hand los, die er bis dato festgehalten hatte. Sofort spürte ich die Kälte der Umgebung, die mir deutlich lieber war als menschliche Nähe.

BlutrotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt