22. Kapitel

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Freundlich lächelnd strich Ferid immer wieder mit seiner rechten Hand über den Kopf und die Wangen des Jungen.

Er lächelt, aber seine Augen tun es nicht.  

Es war klar, zumindest für mich, dass er gerade ein Schauspiel vollführte. Aber wieso konnte ich es sofort bei ihm erkennen und nicht bei dem Kind? Seine Tränen hatten so echt gewirkt, als wäre er wahrlich traurig gewesen.

Vielleicht stimmte die Geschichte sogar. 

Ich wusste es nicht und ich würde es auch niemals herausfinden. Die Blöße mir zu geben und den Jungen zu fragen, nach all dem, wollte ich auch nicht. Es klang durchaus trotzig, doch ich war noch immer wütend auf ihn. Wie leicht er sich hatte einlullen lassen, für etwas, was man ihm versprochen hatte. Wie schnell Ferid ihn manipulieren konnte und wie blind dieser Alvar ihm folgte.

Mit glänzenden Kinderaugen starrte er in die roten Augen des Langhaarigen, als wollte er sich dort niederlassen. Beinahe vertraut wirkte diese Szene, sodass ich krampfhaft auf den Boden starrte. Nicht, das ich peinlich berührt war, aber ich war unendlich wütend.

Ich hasse dich, Ferid. 

Je länger ich dem Schauspiel hatte zusehen müssen, umso mehr Hass breitete sich in mir aus. Wie konnte er nur und vor allem was wollte er von mir? Hatte er denn nicht schon genug? Mit was für einen Grund belästigte er mich nun?

Werde ich es überhaupt dieses Mal überleben?  

Kurz kam mir dieser Gedanke, der mir eiskalt den Rücken hinunterlief. Dieses Mal war ich auf mich alleine gestellt und mit Sicherheit hatte er aus dem letzten Mal gelernt.

Erneut blickte ich auf und erkannte die blauen und roten Augen auf mir ruhen. Alvar's Blick war abschätzig, als wollte er mich begutachten, während Ferids Augen lediglich an mir hafteten. Noch einen weitere Schritt ging ich zurück, welcher aber durch den großen Tisch eingedämmt wurde. Weiter kam ich nicht.

Was nun?

Statt dort länger zu stehen, wandte sich der Junge freundlich lächelnd dem Vampir zu, ehe er ein: „Ich werde dann gehen, Ferid-sama", wiedergab.

Laut seufzend fasste sich der Blutsauger am Kopf und stöhnte leise.

Jetzt kommen wieder seine Worte. 

„Einfach nur Ferid, Alvar. Aber ich bin mir sicher, bald schon wirst du mich so nennen. Ich würde mich natürlich freuen, wenn du es bereits später tun würdest."

„Okay", waren die Worte des Kindes, was sich nun kurz verbeugte und dann die Bibliothek schnell verließ. Leise fiel die Türe ins Schloss, sodass ich nun alleine mit dem Monster war.  

Wieder einmal.  

Keines Blickes würdigte er mir, als hätte ich nie existiert. Für ihn war ich Luft. Der einzige Wichtige für ihn, war Ferid und niemand sonst.

Unfreundlich und einfach nur zu stark auf Etwas fixiert.

Auch wenn er auf der anderen Seite der großen Halle stand, so wusste ich es besser. Er konnte mühelos in wenigen Sekunden diesen Abstand verringern und direkt vor mir stehen. Schon einmal hatte er es getan und doch blieb er so weit entfernt stehen. Mit den Händen in den Hüften begutachtete er jedes Buch, als wären sie interessanter wie ich.

Mir soll es recht sein.

Denn währenddessen konnte ich mir überlegen was ich nun als nächstes machen sollte. Fliehen oder doch bleiben? Reden und verhandeln oder doch kämpfen? Wobei Letzteres in meinem Tod enden würde, bestimmt. Da war ich mir sehr sicher. Was sollte ich nur tun?

BlutrotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt