6. Kapitel

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Ich hatte mich entschieden. Es war verrückt, aber dafür hatte ich einen gesamten Tag gebraucht, den ich im Einkaufszentrum verbrachte. Ich konnte nur von Glück sagen, dass ich von niemanden gestört wurde und somit in aller Ruhe alles überdenken konnte. Jede Entscheidung besaß Pros und Contras, die ich mir alle aus dem Kopf hervorrief. Beides war also gut und wiederum nicht. Niemand würde es verstehen, keiner würde meine Meinung teilen und auch zählte dies nicht. Keiner sollte und hatte sie zu verstehen, denn es zählte nur, dass ich mir sicher war. Durchaus konnte man hingehen und sagen, dass ich einen Weg einschlug, den niemand auch nur in Betracht ziehen würde.

Ich wagte etwas und riskierte damit mein Leben um mein Überleben zu garantieren. Wie suspekt war dies?

Ich muss völlig verrückt sein. Bestimmt kann mein Gehirn durch die fehlende Nahrung nicht mehr klar denken.

Dies hatte nur die einzige Erklärung zu sein und doch verspürte ich zu keinem einzigen Zeitpunkt Zweifel, als ich mich in eine dunkle Ecke des Zentrums kauerte und langsam versuchte einzuschlafen. Eigentlich hätte ich den Tag mit etwas anderem nutzen können. Ich hätte fliehen können und es sogar geschafft, aber doch hinderte mich etwas daran, diesen Ort zu verlassen. Zu aufwendig wäre das Risiko gewesen auf die andere Seite der Metropole zu gelangen und dort zu verschwinden. Da erschien mir dieses Angebot wesentlich energiesparender. Und vielleicht, wer wusste dies schon, würde es mir auch durchaus eine Möglichkeit der Flucht bieten können. Dieser Blutsauger hatte ja immerhin nicht gesagt, wie lange er diesen Vertrag eingehen wollte. Dementsprechend könnte es auch irgendwann ein Ende finden und dann?

Ja, was dann?

Werde ich dann sterben oder leben?

Es gab Vieles, was ich nicht genau wusste, was man zu besprechen hatte. Das Abkommen war noch nicht vollständig, doch zuerst musste ich zu ihm. In der Stadtbibliothek wartete er. Am Abend hatte er gesagt, nur welche Uhrzeit wusste ich nicht. Ich beschloss zu gehen, wenn es erneut Dunkel wurde, dann würde ich nichts Falsch machen.

Doch allein dieser Gedanke daran, ließ zu, dass meine Hände zitterten. Ich war aufgeregt. Nur, wegen was, wusste ich nicht genau. Es gab Vieles wofür ich hätte nervös sein können. Man konnte also nicht nur eine bestimme Sache dafür verantwortlich machen.

Aber eines wusste ich genau, je weiter die Zeit voranschritt, umso aufgeregter wurde ich. Schlaf fand ich kaum in dieser Nacht. Zu viele Szenarien stellte ich mir vor, was geschehen würde, was mit mir passieren würde, was er machen würde.

Eine schlimmer wie die andere und doch gab es kein Zurück mehr. Was ich sofort am nächsten Tag herausfand. Denn die Zeit verging rasend schnell. So war ich es gar nicht gewohnt. Ehe ich mich versah, während ich in einem der vielen Läden nach etwas Essbarem stöberte, dämmerte es bereits. Ich konnte nur von Glück sagen, dass das Militär sich nicht blicken ließ.

Bestimmt sind sie mit den Vampiren beschäftigt.  

Der Gedanke daran machte mich nicht mehr rasend und doch spürte ich eine leicht aufkommende Wut. Auch trauerte ich nicht mehr um die unschuldigen Menschen. Es mochte grausam wirken, aber man gewöhnte sich an diese Gewalt. Und auch wenn es mich erschüttert hatte, so musste ich nach Vorne blicken. Immerhin gab es im Moment etwas anderes, worüber ich mir mehr Sorgen machen musste. Da durfte ich mich nicht an fremden Menschen aufhalten, die ich nur einmal gesehen hatte.

Sobald es dämmerte begab ich mich langsam auf den Weg in Richtung Bibliothek. Dorthin, wo mein Schicksal entschieden werden würde. Ich ließ es alles auf mich zukommen und versuchte nicht daran zu denken. Ohnehin war ich viel mehr mit meinen Beinen beschäftigt, die ziemlich gelähmt waren. Mein Magen knurrte immer noch ein wenig. Egal was ich fand, es reichte nie und schon lange hatte ich kein gesättigtes Gefühl mehr erlebt.

BlutrotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt