Kapitel 41

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Lissa

Eigentlich hätte mir das klar sein müssen. Und ich verfluchte mich innerlich, nicht vorher alles bedacht zu haben.
Zumal mir der Anblick irgendwie unangenehm war. Gewesen wäre er es nicht aber der Gedanke an vorhin bahnte sich wieder in meinen Kopf.
Das Bild von dem tattowierten Gott und mir.
Der Plan, welcher besagte Tyler zur Eifersucht zu treiben, was ja auch letztendlich geklappt hat.

Doch trotzdem war diese Stimmung und diese Distanz zwischen uns unerträglich.

Mein Blick klebte am Boden. Die Röte stieg mir urplötzlich ins Gesicht. Vor Scham. Nicht, weil mir der Anblick seines nackten Oberkörpers peinlich war. Ok, eigentlich schon.
Aber mehr aus purem Scham.

Ich schämte mich regelrecht dafür einfach so vor ihm zu stehen als wäre nichts gewesen.
Als wären wir nicht in dieses Café gegangen. Als hätte sich Lu nicht diesen hirnlosen Plan ausgedacht. Als hätte ich nie mit James geredet und mir so die Bestätigung gegeben das es Tyler förmlich bis zur Weißglut gebracht hatte.
Etwas positives hatte es ja in sich, ich wusste, das ich ihm nicht ganz so egal zu seien scheine.

Eine Weile standen wir einfach nur so da. Ich, wohlgemerkt, noch im Schlafanzug und voller Hoffnung das niemand hier entlang laufen würde und mich somit dann auch zu Gesicht bekommt.
Es wunderte mich aber warum er immer noch in der Tür stand.
Ich dachte, er wäre sauer auf mich nach der Aktion von heut' Mittag.
Vielleicht hatte sich die angestaute Wut etwas gelegt und das erklärt mir dann, weshalb er mir nicht die Tür vor meiner Nase zugeschlagen hatte.

"Was willst du hier?", sein barscher Unterton ließ mich leicht zusammenzucken. Ja, er ist definitiv immer noch wütend, wenn nicht noch mehr.

Mein Blick gelangte nach oben zu seinem Gesicht. Dabei versuchte ich möglichst gut mich nicht von seiner nackten Brust ablenken zu lassen.
Seine braunen Haare fielen ihm nass in die Stirn und lagen in einem Wirrwarr auf seinem Kopf, dies zeigte mir das er wohlmöglich gerade aus der Dusche kam. Er trug nichts, außer einer einfachen schlicht grauen Jogginghose die ihm etwas tiefer lag als es eigentlich seien sollte. Seine muskulösen Arme hatte er verschränkt und seine leicht buschigen Augenbrauen zog er fragend nach oben.
Der Ausdruck auf seinem Gesicht verriet mir das er mehr als nur genervt von mir war und ich schnellstmöglich verschwinden sollte.

Es schmerzte. So, wie er mich ansah. Nicht gefühlvoll, wie sonst.
Eine Sache die ich ebenfalls an ihm liebe war die, das er immer wusste wann es mir schlecht ging, auch wenn ich mal nichts gesagt habe.
Keine Ahnung, wie er das wusste. Aber er bemerkte es immer.
Und jetzt?
Merkt er, das ich ihn brauche? Dringend?
Merkt er, wie mein Herz schmerzt aber gleichzeitig auch nach ihm schreit?
Merkt er, das ich den Tränen nahe bin?
Ich war jetzt an dem Punkt angelangt wo ich einfach nicht mehr weitermachen kann, egal wie sehr ich versuche stark zu sein, es klappt nicht mehr.
Ich will ihn. So sehr.

Als ich seinen Blick standhielt und kurz erschrak als ich sah, wie kalt seine Augen wirkten, wollte ich etwas sagen doch scheiterte daran. Jetzt zum Beispiel passten seine eisblauen Augen perfekt zum Standbild. Kalt wie Eis.
Kurz vergaß ich, weshalb ich überhaupt hergekommen bin.
Doch dann fiel mir wieder das Handy in meiner Hand ein, welches ich ursprünglich Kyle zurückgeben wollte.

"Willst du mich weiter dumm anstarren oder auch mal was sagen?! Oder du gehst endlich, wenn du nichts zu sagen hast, also verschwende meine Zeit nicht mit nutzlosen Dingen!", er rollte genervt mit seinen Augen und wollte wieder im Zimmer verschwunden, doch ich hinderte ihn daran.

Als ich ihn am Oberarm festhielt ignorierte ich das starke kribbeln in meinem Bauch und das schnelle pochen meines Herzens.

Die Traurigkeit, die ich vorher empfand wurde durch blanke Wut ersetzt. Ich hatte keine Lust mehr. Ich versuchte die ganze Zeit mit ihm zu reden, ich war nicht mal sauer auf ihn gewesen nach der scheiß Aktion vor paar Wochen. Und was bekomme ich dafür? Hmm? Ein Scheiß bekomme ich von ihm. Danke auch.
Aber es reichte mir. Ich habe ihm die Chancen erteilt mir alles zu erklären, wenn er nicht wollte war das nicht mein Problem.

Ich drehte ihn zu mir um, meine Augen zu Schlitzen geformt.

Wütend packte ich seine Hand und gab ihm das Handy.
"Hier!", grob umfasste ich sein Handgelenk und funkelte ihn wütend an was er mit einem verwirrten Blick quittierte.

"Und weisst du was?", setzte ich an, ließ ihn los und ging einen Schritt zurück um ihn besser ansehen zu können. Gebannt wartete er.

"Langsam reicht es mir. Du bist so sehr in dich gesunken das du gar nicht mehr richtig mitbekommst was du deinen Mitmenschen damit antust. Lange habe ich gebraucht um dich zu verstehen. Öfters habe ich dir die Chance gegeben mit mir zu reden. Wahrscheinlich war alles umsonst. Wahrscheinlich war ich eh nur irgendeine Last für dich, wenn du meinst, ich würde deine Zeit mit nutzlosen Dingen verschwenden. Bin ich dir so egal, das du so von mir denkst? Ich-", er unterbrach mich.

"Lissa, du-", das erste Mal seit langem hörte ich diese Besorgnis in seiner Stimme wieder. Das erste Mal das seine kalte Fassade gebrochen ist, doch trotzdem unterbrach ich ihn.

"Nein, hör auf damit!", sagte ich leise während mir eine Träne aus meinem äußeren Augenwinkel meine Wange runterläuft.

"Hör einfach damit auf. Weisst du, ich war nicht mal sauer auf dich nachdem du gemeint hattest das der Kuss ein Fehler gewesen war. Wie konnte ich denn sauer auf dich sein? Ich wollte es, doch konnte es einfach nicht. Ich liebe dich. Und wie ich das tue. Du hast mich verletzt. Schlafen konnte ich nicht wegen dir. Nächtelang nicht. Ich war nicht mehr Ich. Und das nur wegen dir.
Ich wollte dir verdammt nochmal nur helfen. Nicht mehr. Doch du hast niemanden an dich heran gelassen. Nicht Luz, nicht Lu, keinen von uns. Wie konnten wir dir da denn helfen wenn du es nicht zugelassen hast? Sag mir, wie? So oft bin ich zu dir gekommen. So oft. Doch jetzt ist Schluss. Ich will nicht mehr. Ich kann einfach nicht mehr. Ich hatte sogar ernsthaft Mitleid mit dir, weil es dir so Scheiße ging auch wenn ich den Grund nicht wusste. Als Dylan uns gesagt hat, das du im Krankenhaus liegen würdest, war von da an alles vorbei mit mir. Du glaubst nicht, welcher Teil meines Körpers geschmerzt hatte. Es hat mich von Innen zerfressen.
Vermisst habe ich dich. Dein Lachen, deine Augen, dich. Ich habe mit dem Gedanken gespielt dich einfach so anzurufen obwohl ich nicht mal wusste ob du es überhaupt möchtest.
Aber wütend war ich nicht. Nicht ein Stück. Doch das hat sich geändert. Jetzt, wo ich mir im Klaren bin, das ich nicht mehr als unnötige Zeitverschwendung bin. Meine Zeit habe ich eher für dich verspielt. Nur für dich.
Mach was du willst, ich werde dir nicht mehr hinterherrennen. So oft habe ich das schon getan. Es reicht mir. Ich hab keine Lust mehr. Ich werde dich absolut in Ruhe lassen, das war es ja, was du wolltest!"

Während ich die Schritte zurück zu unserem Zimmer lief, flossen mir unkontrolliert die Tränen übers Gesicht. Ich habe das gesagt, was ich gedacht habe. Alles was sich mit der Zeit angesammelt hatte. Alles.

Sein Gesichtsausdruck ist mir im Gedächtnis geblieben. So nachdenklich, wütend, traurig, verletzt. Eine Mischung aus allem.

Ich drückte unsere Zimmertür auf und schlug sie lautstark wieder hinter mir zu nur um mich an ihr langsam hinuntergleiten zu lassen und noch mehr zu weinen.
Meine Knie an mich gezogen und meinen Kopf auf ihnen abgelegt.

Behutsam umschlungen mich zwei Arme und ich wurde in eine innige Umarmung gezogen. Um Luz und mich kamen dann noch zwei weitere Arme hinzu und so saßen wir zu dritt auf dem Boden.

Die beiden drückten mich fester an sich während ich immer wieder aufschluchzte. Immer wieder.
Alles kam raus. Diese Trauer und jetzt auch noch die angesammelte Wut mischten sich unter dem Wasserfall aus salzigen Tränen.

Lang genug habe ich das mit mir machen lassen. Doch jetzt war Schuss damit.
Soll er sich eine andere Person zum verarschen suchen.
Von mir wird er nichts mehr hören und reden werde ich auch nicht mehr mit ihm. Da bin ich mir mehr als sicher.

Doch, wie es sich paar Tage später herausgestellt hatte, hatte dies doch noch so ganz geklappt wie ich es wollte.

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