Dieses Kapitel widmen wir unserer Freundin Kathi97
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Als Ben weg war grübelte ich noch eine Weile darüber nach, wie es so ist, wenn man ein Geist ist. Doch ich langweilte mich nach einiger Zeit zu Tode und dachte mir ich besuche mal meinen besten Freund. Ich ging, flog, schwebte oder wie man das auch immer nennen wollte zu ihm nach Hause, doch zu meiner Verwunderung traf ich dort niemanden an. Nicht einmal Bens großen Bruder Chris. Er war eigentlich nur ein Jahr älter als Ben und ich, doch hatte er bereits sein Abi so gut wie in der Tasche, währenddessen Ben und ich uns noch auf der Schule rumquälten.
Trotz das niemand da war ging ich in Bens Zimmer und mein erster Eindruck war: Kein Wunder, dass er mich nie wirklich gerne mit her genommen hat. Sein Zimmer sah aus wie ein Schweinestall. Überall auf der Erde lagen Klamotten von ihm verteilt, die dreckigen, sowie die sauberen auch. Zwischen seinen Klamotten noch Müll und man konnte als normaler Mensch glaube ich nicht ohne auf etwas zu treten oder über etwas zu fallen in diesem Zimmer leben.
Ich musste sagen, als Geist lässt es sich wirklich gut leben, denn man konnte in Ruhe in den Sachen von anderen herumstöbern ohne erwischt zu werden oder Konsequenzen in kauf nehmen zu müssen. Auf seinem Nachttisch entdeckte ich einen Bilderrahmen. In diesem Bilderrahmen waren zwei Fotos von Ben und mir. Ich konnte es kaum fassen, dass er tatsächlich es geschafft hat Bilder auszudrucken und sie dann auch noch einzurahmen. Er hatte mir schon seit längerer Zeit versprochen unsere neuen Bilder auszudrucken, doch ich warte mindestens schon eine Woche vergeblich auf die Bilder.
Auf dem oberen Foto sind wir beide und Ben umarmt mich von hinten und drückt mir einen dicken Schmatzer auf die Wange. In den Armen von Ben bin ich wirklich glücklich. Seine Hände liegen auf meinem nackten Bauch und ich halte seine Hände fest, damit er sie dort ja nicht wegnehmen kann. Dieses Foto haben wir diesen Sommer am Strand aufgenommen. Es war ein wirklich schöner Tag den wir zu zweit hatten.
Ich musste schmunzeln, als ich das untere Bild genauer betrachtete. Es war mein Lieblingsbild. Wir hatten es vor zwei Wochen in meinem Zimmer vor dem Spiegel gemacht. Diesmal lagen Ben und ich uns in den Armen und ich küsste Ben mit geschlossenen Augen auf die Wange. Und Ben, er strahlte über beide Ohren. Das Bild war für mich perfekt, weil er darauf so glücklich war. Der ganze Tag war einfach schön mit ihm gewesen. Wir haben den ganzen Tag gezockt und ich habe so oft gegen ihn gewonnen, dass er dann nicht mehr wollte. Am Ende haben wir noch rumgealbert und einige Bilder gemacht. Der Tag war wirklich schön und es war genauso schön sich daran zurück erinnern zu können.
Na ja, nachdem ich sein Zimmer ausgiebig inspiziert habe, entschied ich mich meine Familie zu besuchen. Also machte ich mich auf den Weg nach Hause. Dort angekommen hörte ich schon das Geplapper aus dem Esszimmer und ich sah, dass Ben und seine Familie bei uns waren. Mama hatte mal wieder ihre Spezialpizza gemacht. Die Bleche waren leer und sie alle sahen auch ziemlich voll gestopft aus, bis auf Ben. Sein Teller war unbenutzt und auch an dem Gespräch schien er sich nicht zu beteiligen. Unsere Eltern fingen Mal wieder an die Spaghetti-Geschichte zu erzählen, als Ben auf einmal aufstand und aus dem Zimmer rannte.
Eva, Chris und Bens Mutter entschuldigte sich bei meiner Mutter für die Manieren ihres Sohnes. "Es fällt Ben besonders schwer hier zu sitzen, ohne sie. Er gibt sich immer noch die Schuld dafür, dass Amelie jetzt im Koma liegt. Er verkraftet es einfach nicht wirklich. Ich werde mal nachsehen, ob alles bei ihm in Ordnung ist." Mit ihren letzten Worten eilte sie dann auch schon ihrem Sohn hinterher und ich tat es ihr gleich.
Ben stand in meinem Zimmer und begutachtete meine Fotowand. Dort habe ich angefangen mit sechs Jahren all unsere gemeinsamen Bilder aufzuhängen und bald war die Wand auch schon voll. Fast mein ganzes und Bens Leben hing an dieser Wand.
"Kind! Du kannst nicht die ganze Zeit betrübt rum laufen. Es ist fast eine Woche her und seit dem versuch ich dir zu sagen, dass es nicht deine Schuld war, also mach dich nicht selbst fertig!“, sagte Eva Ben und streichelte seinen Rücken. „Mum, es nützt nichts, wenn du es mir immer wieder sagst. Es war meine Schuld. Ich bin zu schnell gefahren und hab nicht auf den anderen Fahrer geachtet. Ich war es und sie liegt wegen mir im Krankenhaus!" Er setzte sich auf meine Bettkante und starrte weiter die Wand an. "Das stimmt doch gar nicht!", rief ich ihm zu "Ich hab dir doch gesagt, dass du schneller fahren sollst. Ben hör auf deine Mum sie hat Recht!"
Ich stellte mich vor ihn und es sah so aus, als würde er genau in meine Augen schauten. Was für schöne Augen er hatte. Sie zeigten alle Emotionen in ihrem wundervollen grün. "Ich kann es mir jetzt schon nicht verzeihen, was ist… was ist wenn sie nicht mehr aufwacht?" Eine glitzernde kleine Träne lief ihm die Wange runter. Bitte Ben, wein nicht wegen mir. Es wird alles wieder gut. Ich bin doch bei dir. Ich setzte mich neben ihn aufs Bett. Es war komisch, dass ich durch Wände gehen konnte, aber nicht durch Betten gleiten konnte. Aber ich fand es ganz gut so, jedenfalls musste ich nicht die ganze Zeit stehen oder eher schweben.
Ben zuckte kurz zusammen und schaute mich wieder an. Wusste er, dass ich da war? Spürte oder hörte er mich? "Ben?“, fragte ich leise. Doch er schaute mich nur weiterhin an. "Mum ich kann einfach nicht an etwas anderes denken. Ich glaube schon, dass ich Amelies Geruch riechen oder sie spüren kann. Und dann schaue ich mich um, aber sie ist nicht da." Wieder lief eine Träne. Ich konnte es nicht mit ansehen, wie traurig Ben wegen mir war. Ich legte eine Hand an seine Wange um sie wegzuwischen, aber es klappte nicht und der salzige Wassertropfen lief einfach unter meiner Hand weiter. Doch plötzlich legte Ben seine Hand auf meine. Ich wusste nicht ob er sie spürten konnte, aber er lehnte seinen Kopf gegen meine kleine Handfläche. "Ich vermisse dich so sehr Amelie", flüsterte er ganz leise.
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Freuen uns über Kommentare und Votes :)
Wir fügen regelmäßig ein paar Bilder von der Fotowand aus Amelies Zimmer ein, also schaut einfach mal bei der Storyinfo vorbei ;)
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Please stay with me
Teen FictionAmelie ist ein sensibler Mensch, der keinem etwas zuleide tun will. Sie will allen es Recht machen und bemerkt dabei nicht, wie ihr Freund sie behandelt. Auch auf die Anmerkungen ihres besten Freundes will sie nicht hören, bis zu dem Tag, der ihr ga...