Hier mal wieder ein etwas anderes Kapitel als sonst. Ich hoffe, es gefällt euch!
Sichtwechsel unbekannt
Er hatte es tatsächlich geschafft! Er war im Gebiet des Gyala-Rudels, ohne erwischt zu werden! Nachdem er seinen Freund tagelang angefleht und angebettelt hatte, hatte dieser ihm tatsächlich geholfen, um einen Plan auszuarbeiten. Es hatte lange gedauert und viele Gespräche mit ihrem Meister gebraucht, bis sie die Position des Gyala-Rudels hatten herausfinden können. Doch nun war er hier, zwar nur wenige Schritte von der Grenze des fremden Rudels entfernt, doch in ihrem Gebiet. Und eines wusste er ganz genau: er würde auf keinen Fall mehr umkehren, nicht jetzt, wo er schon so weit gekommen war.
Voller Zuversicht streifte er durch den Wald, auf der Suche nach der schwarzen Wölfin, die der Grund für seine weite Reise war. Doch je weiter er lief, je dunkler der Himmel über ihm wurde, desto mehr wurde ihm bewusst, dass das Gebiet des Gyala-Rudels wahrhaft riesig und seine Chance, ausgerechnet auf die Alphawölfin zu treffen, verschwindend gering war. Als schließlich auch das letzte Tageslicht schwand, suchte er nach einem Unterschlupf für die Nacht.
Hier oben im Norden waren die Tage schon empfindlich kalt geworden und so befürchtete er, dass die Nacht alles andere als angenehm werden würde. Letztendlich ringelte er sich frierend unter einem Felsvorsprung zusammen, darauf gefasst, nicht sonderlich viel Schlaf in dieser Nacht zu finden.
Als der junge Werwolf am nächsten Morgen nach einer sehr unruhigen Nacht erwachte, musste er zu seinem Unbehagen feststellen, dass es nicht nur um ein vielfaches kälter als die tage zuvor war, sondern auch noch dichter Nebel zwischen den Bäumen hing und ihm jede Sicht in die Ferne verwehrte. Wie sollte er sie nur jemals bei diesem Wetter finden? Verzweifelt rappelte er sich auf und trottete angespannt tiefer ins Herz des Waldes hinein, wo er das Dorf des ihm fremden Rudels vermutete.
Plötzlich hörte er ein Geräusch und blieb sofort stehen, um nicht entdeckt zu werden, falls es einer der Wölfe aus dem Rudel sein sollte. Seine Ohren gespitzt lauschte er auf jedes noch so winzige Geräusch, das ihm verraten konnte, womit er es zu tun hatte. Als er endlich die Quelle der leisen Töne ausmachte und die nun deutlicher zu hörenden Stimmen mindestens drei verschiedenen Wölfen zuordnen konnte, duckte er sich eilig hinter einem Felsen nieder. Zwar kam er sich schäbig vor, hier zu lauschen, doch was hatte er für eine andere Wahl? Er fühlte genau, dass Nachtjägerin seine Seelengefährtin war und vielleicht bekam er ja eine Chance, ihren Aufenthaltsort herauszufinden, wenn er die fremden Wölfe belauschte...
"Jace, wie soll das mit ihr weitergehen? Sie magert doch völlig ab!", sprach eine verzweifelte Stimme. Dem, der gesprochen hatte, antwortete ein weiterer der Wölfe: "Das ist mir klar, Nathan, aber was soll ich denn noch machen? Ich mag vielleicht ihr Beta sein, aber ihre Entscheidungen trifft sie noch immer selbst! Du hast sie doch gesehen, als sie sich damals gegen Riley gestellt hat! Wenn Caprice sich etwas vornimmt, dann zieht sie es auch durch!" Oh, das war also der Beta des Rudels... Diese Gespräch könnte wohl noch interessant werden... Aufgebracht mischte sich ein dritter Wolf ein: "Und was bringt es uns, wenn unsere Alphawölfin sich in den Tod hungert?! Sie versteckt schon seit Wochen ihre Wolfsgestalt vor uns und ich wette mit euch, sie tut das nur, um nicht zu zeigen, wie dünn sie ist! Solange sie ihre menschliche Gestalt hat, kann sie dicke Pullis tragen - wobei man selbst dadurch sieht, wie dünn sie ist -, aber in ihrer Wolfsgestalt hat sie diese Möglichkeit nicht. Ich schwöre, dass sie es nur deshalb versteckt!" Nun erwiderte der Beta Jace: "Das weiß ich alles, verdammt nochmal! Mir gefällt es ja auch nicht, dass sie bei diesem Wetter alleine Jagen geht, aber ich kann nichts gegen sie ausrichten! Wenn sie das so will, können wir nichts machen!" Der junge Werwolf, der noch immer mit gespitzen Ohren hinterdem Felsen kauerte, musste schlucken. Seine Seelengefährtin aß so wenig, dass ihr Beta fürchtete, sie würde sterben?
In diesem Moment ertönte in der Richtung, aus der die Stimmen kamen, ein langgezogenes, angsterfülltes Heulen. Man hörte geradezu die Angst in Jace Stimme, als er rief: "Wir müssen sofort ins Dorf zurück! Es muss etwas schlimmes geschehen sein!" Nur einen Moment später hörte der hinter seinem Felsen sitzende Werwolf ein Geräusch wie von herumwirbelnden Pfoten, dann herrschte auf einmal wieder vollkommene Stille um ihn herum.
Zeitsprung einige Minuten später
Da war sie! Oder täuschte er sich etwa? Nein, dort vorne trabte die schwarze Wölfin, nach der er so sehnsüchtig suchte, über das von den Bäumen gefallene Laub. Er selber stand auf einem etwas erhöhtem Felsen und beobachtete sie nervös, unsicher, ob er zu ihr laufen sollte oder nicht.
Wie auch vorhin war der Himmel über ihm wolkenverhangen und nur langsam kämpften sich die wärmenden Sonnenstrahlen durch die dicke Wolkendecke auf den Boden. Doch wo immer sie eines der bunter Blätter an den Bäumen trafen, ließen sie es wie einen Edelstein funkeln.
Die Szene hätte magisch anmuten können, wären da nicht die Rippen, die deutlich durch das Fell der jungen Wölfin stachen und das beängstigende Fehlen jeglichen Lebenswillens in ihren trüben Augen, das er erst jetzt bemerkte. Ein Ausdruck schierer Panik huschte durch ihre Augen, als es im Gebüsch knackte und erschrocken sprang sie in die Luft, weil eine Eule vor ihr aus dem Gebüsch flatterte. Plötzlich kehrte sie um und rannte davon. Seine Chance war wohl nun für den Moment verstrichen...
Er sah ihr sehnsüchtig nach. Sie war wunderschön, doch er würde nie eine Chance bei ihr haben. Nicht bei der so kalten, so abweisenden schwarzen Wölfin, sie war mittlerweile in der ganzen Welt eine Legende unter den Wolfsrudeln. Er hatte die Erzählungen über sie gehört: zwar war sie herzlich und liebevoll ihrem eigenen Rudel gegenüber, doch kalt und aggresiv gegenüber allen, die den gerade erst neu gewonnen Frieden in dem Thales genannten Tal störten.
Kein Wolf würde auch nur noch davon zu träumen wagen, sie je zu Gesicht zu bekommen. Er selbst dagegen hatte sie gefunden und er hatte sie zu Gesicht bekommen. Doch sie würde niemals seine Gefährtin werden, das war ihm nun klar, nachdem er das Gespräch zwischen den drei anderen Wölfen belauscht hatte. Ganz egal wie sehr er auch betteln und knurren würde, er würde niemals eine Chance bei ihr haben und sie zu verschleppen kam für ihn auf keinen Fall in Frage. Ein schmerzhafter Stich durchfuhr sein Herz, als er sie aus den Augen verlor und voller Verzweiflung heulte er laut auf. Was sollte er nur tun?
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Nachtjäger
Werewolf"Du wagst es mir zu drohen?", knurrte der große Wolf bedrohlich. Bis zu dieser Nacht hatte es niemand je gewagt, sich ihm entgegenzustellen. "Ja.", knurrte die schwarze Wölfin als Antwort, spannte ihren Körper an und sprang. Die 22-Jährige Caprice...