Sichtwechsel Caprice
Caprice platzte in das größte Durcheinander, das sie je gesehen hatte - den Angriff des Amarok-Rudels auf ihr eigenes mit eingeschlossen. Überall eilten Werwölfe umher, sowohl in ihrer menschlichen, als auch in ihrer wölfischen Gestalt. Irritierenderweise konnte Caprice nirgendwo Wölfe eines fremden Rudels entdecken, trotzdem schienen die Wölfe ihres eigenen Rudels in heller Aufregung zu sein.
Begierig zu erfahren, was in ihrer Abwesenheit geschehen war, passte sie den nächsten Menschen ab, der ihr entgegenkam. Sie packte ihr energisch am Unterarm und fragte dann in einem befehlenden Tonfall: "Was geht hier vor?" Der junge Mann, den sie erwischt hatte, starrte nervös auf den Boden und stammelte unter ihrem strengen Blick schließlich nur: "Ich... keine Ahnung... ähmmm... Beta... im Hauptgebäude." Dann wand er sich aus ihrem Griff und eilte davon, scheinbar angestrengt auf der Suche nach etwas oder jemandem.
Caprice dagegen ging so schnell, dass sie fast schon rannte, zum Hauptgebäude und stürmte in ihren Besprechungssaal. Dort saßen ihr Beta, sowie die beiden ranghöchsten Wölfe und tuschelten aufgeregt aufeinander ein. Als sie von ihnen bemerkt wurde, unterbrachen sie sofort ertappt ihr Gespräch und baten sie, sich zu setzen. Während die junge Alphawölfin darauf wartete, dass einer der drei zu sprechen begann, spürte sie, wie sich langsam das Zittern ihres unterkühlten Körpers legte, als sich die Wärme des Raumes in ihrem Körper ausbreitete.
Als ihr Beta schließlich zu sprechen ansetzte, wirkte er fast genauso nervös, wie der Jungwolf, den sie auf ihrem Weg hierher erwischt hatte. "Nun, Caprice, wir müssen dir etwas sagen..." Mit einer auffordernden Geste bedeutete die junge Frau ihm, weiter zu sprechen. "Werde bitte nicht wütend, aber... das fremde Rudel hat deinen Sohn." Jegliche Farbe wich aus dem sowieso schon bleichen Gesicht der Alphawölfin, als sie leise murmelte: "Nein, nicht Aven... Jeder, nur nicht mein Sohn!" Plötzlich rastete sie aus und schrie die drei ihr gegenüber sitzenden Werwölfe völlig durch den Wind an: "Kann ich euch denn nicht einmal ein Stunde alleine lassen, ohne dass direkt ein Unglück geschieht? Ist es denn so schwer, für ein paar Stunden auf einen Sechsjährigen aufzupassen???" Die drei erwachsenen Männer zuckten bei ihren harten Worten schuldbewusst zusammen und ihr Beta Jace richtete seinen Blick beschämt auf seine Schuhe. Doch als sie nach ihrem Ausbruch sie vollends erschöpft zusammen sank, sprang er natürlich sofort besorgt auf und kam zu ihr hinüber.
Sich neben sie kniend, erklärte er in einem unglaublich sanften Tonfall: "Caprice, wir müssen dir noch etwas anders sagen... Nahezu zeitgleich mit den Wölfen, die deinen Sohn entführt haben, ist noch ein weiterer Wolf in unser Gebiet eingedrungen. Er ist aus dem Süden und scheinbar alleine hier. Ich glaube zwar nicht, dass er eine Bedrohung darstellt, doch..." Mit einer müden Handbewegung schnitt Caprice ihm das Wort ab und erklärte matt: "Um ihn kümmere ich mich später... Erst muss ich meinen Sohn finden." Sie schien um Jahre gealtert, als sie von ihrem Stuhl aufstand und langsam den Raum verließ. Auf ihrem Gesicht zeichneten sich tiefe Sorgenfalten ab und man sah ihr an, dass sie soeben innerlich zerbrochen war.
Überall hörte man die anderen Rudelmitglieder erschrocken aufkeuchen, als sie sahen, wie sich ihre Caprice vor ihren Augen in einen Wolf verwandelte. Es war das erste Mal, dass die meisten von ihnen Caprice' ausgemergelte Wolfsgestalt zu Gesicht bekamen, denn die junge Frau hatte bisher penibel darauf geachtet, dass wirklich niemand sie sah, wenn sie sich verwandelte.
Auch ihr Beta bemerkte das erste Mal, wie dünn sie tatsächlich geworden war - natürlich hatte er gewusst, dass sie weniger aß, um für den Rest des Rudels mehr überzulassen, aber das es so wenig war, war ihm nicht bewusst gewesen. Besorgt rief er ihr nach "Caprice! Warte!", doch sie reagierte nicht und lief einfach mit gesenktem Kopf weiter in Richtung Wald.

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Nachtjäger
Werewolf"Du wagst es mir zu drohen?", knurrte der große Wolf bedrohlich. Bis zu dieser Nacht hatte es niemand je gewagt, sich ihm entgegenzustellen. "Ja.", knurrte die schwarze Wölfin als Antwort, spannte ihren Körper an und sprang. Die 22-Jährige Caprice...