Kapitel 26

4K 248 11
                                        

Sichtwechsel Caprice

Leise und leichtfüßig rannte Caprice durch den ihr so bekannten Wald. Es war nicht mehr weit bis zu ihrem Ziel, das wusste sie genau. "Caprice! Warum müssen wir noch gleich zu Fuß laufen?", schnauft Lucas hinter ihr. Seine Kondition war allem Anschein nach im Gegensatz zu ihrer fürchterlich. Und auch wenn sie ihn dafür liebte, dass er sie freiwillig begleitete, wünschte sie doch, dass er etwas leiser wäre und ein wenig mehr darauf achten würde, wo er hin tritt. Gerade jetzt zerbrach wieder ein Ast unter seinen Sohlen und gab ein lautes Knacken von sich.

Schnell blieb Caprice stehen und zog ihn hinter einen großen Felsen. Mit leiser Stimme bat sie ihn: "Lucas, könntest du vielleicht ein wenig leiser sein, bitte? Wir sind nicht mehr weit von unserem Ziel entfernt und ich würde es bevorzugen, wenn die Entführer unser Kommen nicht zu frühzeitig bemerken... Da wir sicherlich in der Unterzahl sind, wäre es gut, wenn wir den Überraschungsmoment auf unserer Seite hätten." Bedeutungsvoll sah sie ihn an. Als er mit gesenkter Stimme fragte, wohin sie denn nun eigentlich unterwegs wären, fing sie schon wieder an, ihre kleine Pause zu bereuen. Caprice versuchte zwar, sichr nicht anmerken zu lassen, dass sie genervt war, doch Lucas Blick sprach Bände, als sie ihm pflichtschuldig antworte: "Nicht weit von hier gibt es eines alte Siedlung, die ziemlich gut geschützt ist. Stacheldrahtzäne, dicke Mauern, Alarmsysteme. Sie stammt noch aus der Zeit des großen Krieges. Da sich die Entführer ziemlich gut hier auskennen müssten - sonst hätten sie unser Hauptquertier niemals gefunden -, schätze ich, dass sie sich dort verbarrikadiert haben." Als Lucas nur skeptisch eine Augenbraue hochzog, ergänzte Caprice genervt: "Außerdem führten ihre Spuren in diese Richtung."

Er verdrehte nur die Augen, dann fragte er sie nicht minder genervt: "Und warum bitteschön müssen wir nun in unserer menschlichen Gestalt rumlaufen?" "Weil wir erstens in einigen hundert Metern auf eine Steilwand treffen werden, die wir nur so raufkommen und wir zweitens durch einen kleinen Geheimgang müssen, weil wir sonst keine Chance haben, ins Dorf zu kommen. Und um da rein zu kommen, brauche ich meine Hände.", entgegnete die junge Wölfin promt, dann schloss sie noch ein "Jetzt komm!" an.

Und schon setzte sie sich wieder in Bewegung - viel zu schnell, wenn man Lucas fragte. Zwar war er eigentlich immer der Ansicht gewesen, dass seine Kondition nicht besonders schlecht war, doch er wurde - natülich - von seiner Seelengefährtin eines Besseren belehrt.

Wie von Caprice versprochen kamen die beiden nach einigen Minuten an besagte Steilwand. Sie zog sich wie eine dunkle Narbe durch die Landschaft und vermittelte trotz ihrer recht geringen Höhe eine einschüchternde Atmosphäre. Caprice dirigierte ihren Begleiter mit einer Handbewegung näher heran und deutete dann auf einige Vorsprünge, die eine erstaunliche Regelmäßigkeit aufwiesen. "Siehst du diese Vorsprünge dort? Sie wurden mal in die Wand gehauen, um schneller hinauf oder hinunter zu kommen. Allerdings iat diese 'Treppe' lange nicht mehr benutzt worden und ich schätze, dass sie durch das ganze Moos daruaf recht glitschig sein dürfte. Also sein vorsichtig." Sie macht eine kleine Pause, dann setzte sie noch hinzu. "Die Wand ist zwar nur um die 8 oder 9 Meter hoch, doch du solltest trotzdem besser nicht runterfallen, das überlebst du nicht ohne einige Knochenbrüche... Ich gehe zuerst."

Lucas wollte schon protestieren, als sie ihm einen mahnenden Blick zuwarf und nach dem ersten Vorsprung griff.

NachtjägerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt