Kapitel 39

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Caprice eilte durch das verlassene Dorf bis zu dem Haus ihres Betas. Vorsichtig klopfte sie an die Tür, als keine Antwort ertönte, drückte sie langsam die offenstehende Tür auf.

Mit äußerster Vorsicht schlich sie geduckt in den Flur hinein. Zwar schien alles ruhig zu sein, doch sie befanden sich im Krieg und gerade diese Ruhe kam Caprice zu verdächtig vor, um ihr trauen zu können. Sie wagte nicht nach ihrem Beta zu rufen, da andernfalls mögliche Feinde auf sie aufmerksam werden konnten. Eng an die Wand geschmiegt spähte sie vorsichtig in die Küche sowie das Wohnzimmer, doch fand sie beide verlassen vor.

Nicht umsonst hatte die junge Frau in den letzten Monaten hart trainiert, um sich auf solche Situationen vorbereiten zu können. Sie hatte von dem zurückliegenden gewusst - wenn sie auch nicht angenommen hatte, dass das ganze in einen Krieg münden würde -, hatte Sicherheitsmaßnahmen ergriffen und sich selbst heimlich im tiefen Wald trainiert, damit sie besser vorbereitet war als bei der Entführung ihres Sohnes. Und dieses Training zahlte sich nun spürbar aus.

Systematisch arbeitete sie sich durch die einzelnen Räume vor, stets darauf bedacht, weder zu viele Geräusche zu machen noch zu lange an einem Ort zu verweilen. Sobald sie einen Raum nach Jace und seiner Gefährtin abgesucht hatte, durchsuchte sie den nächsten. Dieses Spiel spielte sie, bis sie schließlich im zweiten Stock angekommen war und nur noch zwei Türen übrig waren. Der Raum zu ihrer Linken war nach einer kurzen Inspektion genauso verlassen wie der Rest des Hauses und sie konnte nur noch hoffen, dass sich Jace und seine Gefährtin in dem Raum zu ihrer Rechten befinden würden.

So leise wie nur möglich öffnete Caprice die Tür, nur um Sekunden später einen erleichterten Seufzer auszustoßen, als sie die beiden Vermissten wohlbehalten auf einem Bett sitzen sah.

"Oh Gott, Jace, Victoria!", rief sie erleichtert aus und weinte sogar ein paar kleine Freudentränen, "Ich dachte, euch wäre etwas zugestoßen! Warum seid ihr denn nicht gekommen?" "Caprice? Caprice, beruhige dich!", unterbrach sie Jace bittend. Kaum war Caprice der Forderung ihres Betas soweit nachgekommen, dass sie nicht mehr glücklich herumhüpfte, begann Victoria, Jace' Gefährtin, mit niedergeschlagener Stimme zu erklären: "Ich bin vorhin gestürzt und habe mir einen Knöchel verstaucht sowie meinen Kopf angeschlagen... Als Jace mich fand und mir erzählte, was passiert war, da... konnte ich es nicht mehr. Ich konnte mich nicht mehr verwandeln!" "Ich habe sie hier hochgebracht... Wir wollten uns verschanzen und hoffen, dass sie uns nicht finden. Es ist der einzige Weg.", ergänzte Jace.

Empört entgegnete Caprice: "Schwachsinn! Ich werde doch nicht zwei meiner Rudelmitglieder zurücklassen! Und außerdem weiß ich schon einen Weg!" Ohne weitere Erklärungen zu liefern, huschte sie aus dem Zimmer hinaus, nur um kurz darauf mit einigen Seilen, vier langen, stabilen Ästen und einer dicken, reißfesten Decke wiederzukehren. "Was soll das werden?", fragte Jace skeptisch, während er Caprice beäugte wie sie die einzelnen Teile zu einem Gebilde zusammenfügte. "Eine Trage.", ertönte die knappe Antwort. "Und wozu?" Caprice seufzte, dann erläuterte sie so kurz wie möglich: "Sie kann sich nicht verwandeln, wir können sie aber auch nicht tragen. Es dürfte allerdings nicht allzu schwer sein, sie in unserer Wolfsform hinter uns herzuziehen, vorausgesetzt, wir haben etwas wie eine Trage. Verstanden?"

"Du glaubst, dass das funktioniert? Und was ist, wenn wir auf dem Weg angegriffen werden?" "Jace... In dem Fall, dass wir von den Scáths angegriffen werden, bringtst du Victoria zu den anderen, ich lenke das Rudel ab. Vergiss nicht, ich würde mein Leben für jedes einzelne Rudelmitglied geben!", erklärte Caprice ihre Überlegungen. In ihrer Stimme schwang eiserne Entschlossenheit mit, genauso wie ein befehlender Unterton, der keinen Raum für Widerspruch lies.

Einige Minuten später war die Trage fertig, sodass Caprice und Jace sie hinuntertragen und Victoria darauf verschnallen konnten. Die Decke war zwischen den Ästen gespannt, sodass weniger eine Trage als mehr eine Schleife entstanden war. Ein Seil fixierte Victoria auf der Decke, zwei weitere waren rechts und links festgebunden, damit es Jace und Caprice möglich war, Jace' Gefährtin hinter sich her zu ziehen. "Können wir?", knurrte Caprice ungeduldig und packte eines der beiden Seile fest mit den Zähnen.



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