Kapitel 41

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Erschöpft von der schnellen Hetzjagd achtete Caprice nicht länger darauf, wohin sie lief und beging dadurch einen Fehler, der sie ihr Leben hätte kosten können. In ihrer Hast bog sie in eine schmale Schlucht ab, die in einer Sackgasse endete. Als sie ihren Fehler erkannte, war es bereits zu spät: rechts von ihr ragte eine gut sechs Meter hohe Felswand empor, die zu allem Überfluss auch noch einen Überhang bildete, auf ihrer linken Seite ging es steil in die Tiefe, wo ein reißender Fluss sich seinen Weg durch den Wald gebahnt hatte und vor ihr war der schmale Pfad durch einige große Felsen versperrt.

Die junge Alphawölfin wirbelte herum, in der Absicht, den Weg, den sie gekommen war, zurückzulaufen, doch die ersten Wölfe des Scáth-Rudels versprerrten ihr bereits den Weg. "Was wollt ihr von mir?", knurrte sie, ohne sich ihre Furcht anmerken zu lassen. "Das gleiche, was wir auch schon vorhin wollten: euer Gebiet und die Kontrolle über das Gyala-Rudel!", antwortete ein besonders einfältig wirkender Wolf. "Ach wirklich?", keifte Caprice sarkastisch zurück, "ich dachte, ihr wärt zum Tee Trinken hier! Was ich wissen wollte: was bringt es euch, mich zu überwältigen? Mein Rudel kann sich noch immer verteidigen, auch ohne mich!"

Ihr Plan war es, ihre Angreifer am Reden zu halten, bis ihr entweder ihr Rudel ihr zur Hilfe kam oder bis sie eine Möglichkeit gefunden hatte, der brenzligen Situation zu entkommen.

Plötzlich trat ein massiger Wolf aus den Reihen der Scáths hervor. Mittlerweile hatten sich so viele vor Caprice gesammelt, dass sie keine Chance mehr hatte, unversehrt durch ihre Reihen hindurchzukommen. "Du bist der Alpha?", fragte Caprice höflich, wenn auch noch immer mit einem gereizten Tonfall, nachdem sie das Mal an seiner Schulter endeckt hatte. Allerdings sagte ihr der rational denkende Teil ihres Gehirns, dass sie diesen Alpha besser nicht wütend machen sollte, da sie seiner Gnade ausgeliefert war.

"Und du bist die mystische Nachtjägerin? Was für eine Schande muss das für die Ahnen sein!", erwiderte der massige Alpha herablassend. "Seht sie euch doch nur einmal an! Kaum älter als ein Kind, wie sie dort veränstigt in der Ecke kauert! Ich wäre ihrem Rudel ein weit besserer Anführer!", verspottete er weiter die zugegebenermaßen leicht bedrängte Caprice. Die dachte allerdings gar nicht daran, sich unterkriegen zu lassen und antwortete stolz: "Dass ich verängstigt wäre, wünschst du dir wohl! Und wenn ich eine Schande für unsere Ahnen sein soll, was bist du dann? Ein Alpha, der sich an den Schwachen und Schutzlosen vergreift! Nichts weiter als ein armseliger Fellball!" "Ein armseliger Fellball?!", entgegnete der Fremde wütend, "Und das soll ich mir von jemandem gefallen lassen, der noch nicht einmal seinen Alphakampf alleine gewinnen konnte?"

Es lief eindeutig alles auf eine Konfrontation hinaus, die für Caprice nur schlecht ausgehen konnte, doch konnte sie es trotzdem nicht lassen und knurrte: "Wenigstens bin ich nicht so feige, dass ich einen anderen Alpha nicht alleine sondern nur mit meinem ganzen Rudel angreife!" "Dann beweise doch, dass du ach so mutig bist, naiver Fellball!", knurrte der Alpha der Scáths und griff Caprice nur wenige Sekunden nach seiner Aussage an.

Mittlerweile war es stockdunkel.

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