Kapitel 31.

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Zeitgleich mit Kapitel 30.


Ich hörte, wie die Tür aufging, und erschrak.

Zitternd kauerte ich mich in der Ecke, in der ich jetzt schon seit gefühlten Wochen saß, zusammen und duckte mich.

Doch statt der schweren Schritte, die immer auf mich zu gekommen waren, hörte ich federleichte, eilige Schritte.

Licht ging an und ich blinzelte.

Dann berührte mich jemand am Arm, woraufhin ich heftigst zusammenzuckte.

"Ganz ruhig," sagte jemand, dessen Stimme ich kannte, "wir holen dich hier raus. Versprochen. Kannst du aufstehen und gehen?"

Zitternd schlang ich die Arme um den Körper und schüttelte den Kopf.

Die Hand, die auf meiner Schulter lag, strich mir behutsam über die Haare. Eine zweite Hand legte sich an mein Knie und dann wurde ich hochgehoben.

Erschrocken schnappte ich nach Luft und klammerte mich an dem Hals des Mannes fest.

Blinzelnd versuchte ich, etwas zu erkennen.

Als dann langsam meine Sicht - da das Licht mich so geblendet hatte - wieder kam, erkannte ich James, der mich trug, und in der Tür Erik, der gerade über sein Handy sagte: "Wir haben die Nachtigall und bringen sie jetzt hier raus. Vorerst aber nicht in den Palast. Gebt der königlichen Familie Entwarnung!"

James trug mich weiter, während ich mein Gesicht verbarg und leise weinte.

Man brachte mich zu einem Helikopter und legte mich darin auf eine Liege. Sofort kamen zwei Ärztinnen auf mich zu, sprachen beruhigend auf mich ein und halfen mir, mich auszuziehen, damit sie mich untersuchen konnten.

Am liebsten hätte ich meinen Körper versteckt, so abgemagert und voller Blutergüsse war ich... Aber da sie mir nur helfen wollten ließ ich alles mit mir machen und starrte nur stumm ins Leere.



Als ich wach wurde, lag ich in einem Bett. Seufzend kuschelte ich mich in die weiche Decke und setzte mich dann auf. Das Zimmer, in dem ich lag, war schlicht und modern. In einer Ecke stand ein Sessel, auf dem James saß und schlief. Wo genau war ich?

Leise stand ich auf und blickte an mir herunter. Ich trug ein schlichtes, weißes Nachthemd mit Spitze. Nachdem ich den Morgenmantel, der neben dem Bett hing, entdeckt und übergezogen hatte, verließ ich auf Zehenspitzen das Schlafzimmer und schaute mich um. Außer der Schlafzimmertür gab es hier nichts mehr. Daher ging ich langsam die Stufen runter, die in ein großes, offenes Wohnzimmer mit Küche führte. Unten im Wohnzimmer war es ruhig, aber Licht brannte. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass ich alleine war, öffnete ich eins der großen Fenster und blickte hinaus. London. Wieso waren wir nicht im Palast? Und wo war Mason? Wieso war er nicht hier? Hatte er mich vergessen? Ich wusste nicht einmal, wie lange ich weggewesen war...

Mit der Zeit, die ich gefangen gehalten worden war, hatte ich die Tage nicht mehr gezählt. Ich hatte ja nicht einmal gewusst, ob es, wenn ich geschlafen hatte, überhaupt Nacht gewesen war. Und nachdem, was dieser Kerl alles mit mir angestellt hatte, hatte ich sehr viel geschlafen.

Meine linke Hand legte sich auf meinen Bauch und ich schluckte. Wenn ich noch etwas von den letzten Tagen, Wochen, Monaten, wusste, dann, dass ich mehrfach vergewaltigt worden war. Und das nicht nur von dem Mann, der mich entführt hatte. Es waren mehrere Männer gewesen, die immer wieder zu mir gekommen waren.

"Guten Morgen!"

Erschrocken fuhr ich herum und blickte die Frau an, die vor der Eingangstür stand. Sie trug eine weiße Bluse und eine beige Hose, in der Hand hielt sie eine Arzttasche. War es die Ärztin von gestern?

Sie lächelte mich warm an und kam langsam näher. Während ich sie nicht aus den Augen ließ, schloss ich das Fenster hinter mir und kaute auf meiner Unterlippe.

"Du musst keine Angst vor mir haben," sagte sie ruhig und stellte ihre Tasche auf dem Sofa neben sich ab, "wir haben uns gestern schon gesehen. Mein Name ist Dr. Franziska Heart. Die königliche Familie hat mich beauftragt, nach deiner Gesundheit zuschauen. Und dir zu helfen."

Ihre grünen Augen blickten mich beruhigend an und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich ihr vertrauen konnte. Daher trat ich einen Schritt auf sie zu und hielt ihr meine Hand hin, die ziemlich zitterte.

Lächelnd ergriff sie sie, schüttelte sie und deutete dann auf das Sofa. Zögernd nahm ich Platz und starrte den Fußboden an. Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Es gab einfach nichts, was ich sagen wollte.

Dr. Heart setzte sich mit gegenüber auf den Sessel und musterte mich. Wenn das hier jetzt eine Psychotherapie werden sollte, würde ich mich wieder im Bett verkriechen. Ich wollte das Erlebte nur noch vergessen, verdrängen, was auch immer... ich wollte es einfach nicht noch einmal durchleben.

"Du musst nichts sagen," meinte sie sanft und holte einen Notizblock und einen Stift auf ihrer Tasche, "ich kann dir etwas erzählen. Deine Fragen beantworten, dich beobachten. Was auch immer dir am liebsten ist."

Stumm nickte ich, zog die Knie an und legte mein Kinn darauf. Wenn es ihr reichte, mich zu beobachten, dann sollte sie das tun.

"Willst du wissen, wie lange du weg warst?", fragte sie.

Ich schnaubte. Was für eine Wortwahl. Sie konnte von mir aus ruhig sagen, dass ich entführt, vergewaltigt und missbraucht worden war. Das wusste ich besser als jeder andere. Sie musste es also nicht verschönigen.

"Du warst 10 Tage weg," sagte sie ruhig und ließ mich nicht aus den Augen, "und jetzt hast du fast zwei Tage geschlafen. Für Untersuchungen warst du immer kurz wach, aber auch nicht wirklich bei Bewusstsein."

Erneut nickte ich nur stumm. Ich wollte nichts sagen. Konnte nichts sagen. In meinem Kopf war nichts außer Leere, Angst und Schmerz.

Nach einer halben Stunde, in der wir beide nur geschwiegen hatten, packte Dr. Heart ihre Sachen ein - sie hatte einige Notizen gemacht - und erhob sich. Automatisch stand ich ebenfalls auf und reichte ihr meine Hand.

Nachdem sie sie geschüttelte hatte, reichte sie mir ihre Visitenkarte und sagte: "Wenn du mich brauchst, ruf an. Egal wann. Ich werde dafür bezahlt, dir zu helfen."

Mit einem letzten Lächeln drehte sie sich um und verließ die Wohnung. Ich wandte mich der Treppe zu, doch ins Bett wollte ich nicht. Lieber legte ich mich aufs Sofa und schaute, was ich sonst noch machen konnte...

Royal LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt