Kapitel 49.

8.2K 316 9
                                    

Am nächsten Tag verbrachte ich den Vormittag mit Anne, um zu klären, wie wir beide uns die Zukunft vorstellten. Sie war natürlich weiterhin darauf versehen, dass ich wie sie wurde, aber wie es aussah, war sie etwas lockerer geworden.
Das mit der Schwangerschaft hatte ich allerdings doch noch für mich behalten. Bevor ich mit ihr darüber sprach, wollte ich mindestens noch einmal bei der Ärztin gewesen sein.
Jetzt war ich auf dem Weg zurück zu meinem Zimmer, um dort weiter zu lernen, was Verhalten, Etiquette und und und anging. Mason war in seinem Büro und führte Gespräche mit seinem Vater und einigen anderen, wichtigen Leuten. Ich hatte ihn nicht einmal heute Morgen zu Gesicht bekommen. Leider.
Seufzend öffnete ich meine Zimmertür und trat ein. James und die anderen Bodyguards hatten heute so eine Art Fortbildung, daher war ich alleine. Man glaubte nicht, dass man am helllichten Tag einbrechen würde, um mir etwas anzutun. Es gab außerdem genug Kameras und normale Wachen auf dem Gelände.
Doch schon, als ich das Zimmer betrat, spürte ich, dass hier etwas nicht stimmte. Unsicher schaute ich mich um und schloss dann die Tür hinter mir. Sicherlich bildete ich es mir nur ein, dass hier etwas oder jemand war...
Zögernd legte ich die Unterlagen, die Anne mir gegeben hatte, auf die Anrichte neben der Tür und zog meinen Cardigan aus. Dann spürte ich einen Luftzug und fuhr herum. Wie aus dem Nichts war Robin aufgetaucht. Sie hielt eine Pistole in der Hand und musterte mich.
Meine Augen huschten zwischen ihr und den Ausgängen hin und her. Doch ich wusste, dass ich nie im Leben schneller als eine Pistole war. Daher schluckte ich, versuchte, meine Angst zu unterdrücken und vor allem, sie nicht zu zeigen.
Die Brünette musterte mich noch immer, ehe sie den Kopf schief legte und seufzte. Dann machte sie mit ihrer freien Hand eine kurze Bewegung und plötzlich legte mir jemand eine Hand auf den Mund. Eine Hand, die in einem Handschuh versteckt war.
Erschrocken schrie ich auf, doch mein Schrei wurde natürlich durch die Hand gedämpft. Eine weitere Hand packte meine Handgelenke und hielt sie dicht an meinen Rücken gepresst fest.
Zitternd und mit geweiteten Augen suchte ich den Raum erneut ab, ob noch jemand hier war, doch das schien nicht der Fall zu sein.
Robin kam langsam, raubhafttierhaft auf mich zu und blieb einen Meter von mir entfernt vor mir stehen. Auf ihren roten Lippen bildete sich ein breites Lächeln, ehe sie mir mit einem krallenartigen Fingernagel über die Wange strich.
"So ein unschuldiges Ding...", flüsterte sie mit boshaftem Lächeln auf den Lippen, "du gehörst einfach nicht hierher. Du weißt doch gar nicht, wie man in dieser Welt überlebt. Die Geheimnisse sind Intrigen, Lügen, Bereitschaft, alles zu tun, was nötig ist. So wie ich es tue, schon immer getan habe. Du bist intelligent, Roselyn. Sicherlich hast du dir schon gedacht, dass ich hinter der Entführung stecke. Natürlich habe ich die Spuren soweit verwischen und verzweigen können, dass man es nie beweisen kann. Und der Mordanschlag letztens... Das war auch von mir organisiert. Allerdings hat mein Partner kurzfristig einen Rückzieher gemacht und ist untergetaucht. Wenn ich doch nur wüsste, wo er ist, wäre er jetzt schon Tod. Sicher ist sicher, bevor er etwas verrät. Und ich möchte dich endlich loswerden. Du hast mir all meine Pläne zerstört! Wieso musstest du Mason bloß Tanzunterricht geben? Ohne diese Entscheidung wäre dir all das nicht passiert. Keine Entführung, keine Vergewaltigung, und jetzt nicht der bevorstehende Tod..."
Ich schluckte und versuchte, den Kopf wegzudrehen, doch der Mann - die Hand war jedenfalls so groß, dass es nur ein Mann sein konnte - hielt mich zurück und zwang mich, Robin weiterhin anzuschauen.
Mittlerweile zitterte ich am ganzen Körper und würde mich der Kerl hinter mir nicht festhalten, wäre ich wegen meiner weichen Knie schon längst zusammengebrochen.
„Ich habe mir deinen Tod in den letzten Wochen gut ausgemalt," fuhr Robin fort und ihre Augen glitzerten verrückt, „aber wirklich entscheiden konnte ich mich nicht. Es gibt so viele Arten, dich für immer verschwinden zu lassen. So, wie ich es bei Masons Bruder geschafft habe. Wie schnell alle geglaubt haben, er wäre freiwillig zurückgetreten und verschwunden. Putzig... Weißt du, Rose? Man muss nur wissen, was man tun und sagen muss und schon besitzt man sie alle. Schon hat man die Macht, alles zu verändern..."
Nachdenklich drehte sie eine Haarsträhne zwischen den Fingern und bewegte die Pistole unentschlossen hin und her. Mal zeigte die Mündung auf meine Stirn, dann auf meine Brust, dann meinen Bauch, dann wieder meine Stirn... sie wusste nicht, wie sie mich röten sollte. Das war doch schon mal ein Vorteil oder etwa nicht?
Plötzlich stoppte die Mündung der Pistole und zeigte geradewegs auf meinen Bauch. Ich schluckte schwer. Das würde ein blutiger, schmerzhafter Tod sein...
Noch immer zitternd schloss ich die Augen und  schickte ein Stoßgebet an den Himmel. Was hatte ich bloß in diesem oder in früheren Leben falsch gemacht, um so bestraft werden zu müssen?
Dass Robin weitersprach blendete ich einfach aus. Stattdessen dachte ich an meine Eltern, meine Freunde, Mason, unser ungeborenes Kind. Ich würde keinen von ihnen je wieder sehen. Keinen von ihnen könnte ich je wieder sagen, dass ich sie liebte. Es war vorbei. Jetzt war es endgültig vorbei.
Nicht, dass ich bereit war, zu gehen. Nein, es gab noch so viel, was ich tun wollte, was ich erleben wollte, was ich sagen wollte. Ich war zu jung um zu sterben. Doch ich wusste, dass ich nicht die Macht hatte, mich jetzt noch zu retten. Mein Schicksal war besiegelt...
Plötzlich wurde mir der Boden unter den Füßen weggerissen und ich stürzte. Meine Augenlider flatterten, doch ich wartete auf den Schmerz und öffnete sie nicht. Doch der Schmerz blieb aus. Stattdessen legten sich starke Arme im mich, hoben mich hoch und brachten mich fort.
„Hörst du mich?"
Eine fremde Stimme. In weiter Ferne hörte ich eine fremde Stimme. Oder war sie vielleicht doch nicht so fremd? Aus irgendeinem Grund konnte ich nicht mehr sagen, ob ich sie kannte oder nicht.
Meine Augenlider flatterten erneut, doch dann verlor ich das Bewusstsein...

Royal LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt