Während ich zum Trainingsraum hinunterlief, ging mir mein Gespräch mit Keira nicht mehr aus dem Kopf. Ich trug das Amulett seit sei es mir gegeben hatte eng an meinem Körper in meiner Hosentasche und tastete jede Minute danach, um zu schauen, ob es tatsächlich noch da war.
Keira hatte mir erklärt, dass man mit dem Talisman, so hatte sie es genannt, zwischen den Welten wechseln konnte. 'Lass deinem Geist freien Lauf, während sich all deine Gedanken verflüchtigen, wird nur der eine bleiben. Halt an im fest, denn er wird dich an dein Ziel bringen' , hatte sie mir aus ihrem Buch vorgelesen. Ich spürte meine innerliche Unruhe, alles in mir schien danach zu drängen das Amulett zu benutzen, doch ich hatte Logan einem weiteren Training mit Mister Perfect zugesagt, was ich schlecht einfach ausfallen lassen konnte.
Seufzend schob ich die schwere Türe auf und gesellte mich zu Alec, der bereits auf mich gewartet hatte. "Und, hast du dich wieder eingekriegt?", fragte er mich provokativ und ich schenkte ihm darauf hin nur einen missbilligenden Blick.
Nachdem wir eine Weile dort weitergemacht hatten, wo wir beim letzten Mal stehen geblieben waren, unterbrach Alec den Kampf.
"Wir arbeiten heute an einer anderen Sache weiter, die du wahrscheinlich noch nicht kennst", erklärte Alec. Seine Worte weckten mein Interesse und ich schaute ihn fragend an. Er ging auf meinen Blick ein, der ihn zum Weiterreden aufforderte: "Die Telepathie!"
Meine Augen wurden groß und rund, als ich seine Worte wahrnahm. Werwölfe sollten in Gedanken miteinander sprechen können? Mir schoss ein Bild in den Kopf. Brian und Logan hatten sich für mehrere Sekunden angestarrt, sodass ich geglaubt hatte, dass die beiden mehr als eine einfache Freundschaft verband. Dabei hatten sie sich wahrscheinlich nur miteinander unterhalten. Bei meiner Dummheit musste ich anfangen zu grinsen, was wiederum meinen Gegenüber zum Schmunzeln brachte.
Ich wand mich Alec zu, der sein Grinsen schnell wider aus dem Gesicht fegte und seinen professionellen Gesichtsausdruck annahm. "Schau mir in die Augen und versuche alles andere auszublenden!", befahl er mir. "Wenn wir über unsere Gedanken kommunizieren wollen, müssen wir beide unsere Mauern für den anderen aufheben. Du musst mich in deinen Kopf lassen und ich dich in meinen", befahl Alec.
Ich starrte nervös in seine haselnussbraunen Augen und entdeckte die goldenen Sprenkel, die kreisförmig um die Pupille angeordnet waren. Sie schienen sich zu bewegen... "Ich habe gesagt, du sollst dich konzentrieren!", fuhr mich Alec an und ich schaute ertappt zu Boden.
"Noch einmal", forderte mich Alec auf und ich versuchte mich auf nichts anderes als unsere Gedanken zu konzentrieren. Nach einigen Sekunden spürte ich etwas Ungewöhnliches, Befremdliches, das in meinem Kopf zu sein schien. Alec nickte mir bekräftigend zu und ich versuchte das eigenartige Gefühl anzunehmen, es zu einem Teil von mir zu machen.
Während ich daran arbeitete, schienen sich unsere Gesichter immer näher zu kommen, bis ich glaubte, Alecs Lippen direkt vor meinen schweben zu sehen. Ich fühlte seinen warmen Atem, der an meiner Unterlippe kitzelte und mich an nichts anderes denken ließ.
Wie im Rausch beobachtete ich, wie Alec seinen Kopf das letzte Stück nach vorne schob und bewältigte somit die Lücke zwischen unseren Lippen. Ich schloss meine Augen und verlor mich in dem Gefühl, das seine weichen Lippen auf meinen hinterließen. Sein Kuss war sanft, genauso, wie seine Hand, die sich langsam in meinen Nacken schob. Er zog mich noch näher zu sich, sodass ich gegen seine vom T-shirt bedeckte Brust gestoßen wurde.
Gerade als mich Alec soweit gebracht hatte, dass ich den Kuss nicht nur erwidern sondern auch intensivieren wollte, beendete er ihn und zog sich von mir zurück. Seine Berührungen hinterließen ein fehlendes Gefühl auf meiner Haut, auf der sich eine Gänsehaut gebildet hatte.
Ich wollte fragend in Alecs wundervollen Augen blicken, doch ich erschrak so sehr, dass ich ein Stück nach hinten sprang und ein kleiner Schrei meine Kehle verließ. Als unsere Blicke sich getroffen hatten, hatten mich die selben leuchtenden Augen angestarrt, die mich in meinen Träumen verfolgten.
Erst jetzt fiel mir auf, dass sie mir irgendwie bekannt vorgekommen waren, doch ich hätte niemals damit gerechnet, dass Alec etwas damit zu tun haben könnte. Taumelnd wich ich zurück, wobei ich den Schock in jedem einzelnen meiner Knochen spüren konnte.
Als ich zur Tür hinausstürmte, hielt mich Alec nicht auf. Ich drehte mich nicht zu ihm um, sondern steuerte zielstrebig auf die Treppe zu. Ich sollte Logan davon erzählen, überlegte ich. Doch was sollte ich ihm sagen, dass Alecs Augen mich nachts verfolgten und böse anstarrten?
Kurz bevor ich auf meinem Zimmer angekommen war, machte ich mitten auf dem Absatz kehrt und stürmte wieder nach unten. Ich würde Alec davon erzählen, er würde mich vielleicht verstehen.
Ich wollte gerade in das Zimmer laufen, um mit all meinem Mut Alec von meinen Träumen zu erzählen, doch mir stockte der Atem, als ich mein Blick durch die offen stehende Tür in den Raum fiel. Alec stand nur mit einer Hose bekleidet an der Wand, so dass ich einen guten Blick auf seinen muskulösen Rücken hatte. Jedoch war er nicht alleine, denn eine wunderschöne Blondine wurde von ihm an die Wand gedrückt und hatte die Arme um Alecs Hals geschlungen. War sie etwa... 'Nein nicht darüber nachdenken, Allison', befahl meine innere Stimme.
Obwohl ich mir vorgenommen hatte, leise zu sein, entfuhr mir ungewollt ein erschreckter Laut. Er war bei weitem nicht laut, jedoch laut genug für Werwolfohren, von denen sich nun die Köpfe der Besitzer in meine Richtung drehten. Als sich unsere Blicke trafen, sah ich ein Gefühlswirrwarr in Alecs Augen funkeln. Wut, Trauer, Enttäuschung, alles war auf einmal gemischt, in der Person, die ich vor wenigen Minuten noch angeschaut und mich gefragt hatte, ob ich Alec mehr mochte, als ich es sollte. Obwohl ich damit meinem Freund fremd gegangen war, hatte ich den Kuss genossen und hatte meine Hoffnungen in ihn gelegt. Ich hatte unbewusst angenommen, dass er nur noch mich mit solchen Blicken betrachten würden, unter denen man wegschmelzen konnte, weil der Kuss auch für ihn eine Bedeutung gehabt hatte.
Deswegen versetzte es mir auch so einen Stich, als die Blondine Alecs Gesicht zu sich hinunterzog und ihre Lippen auf seine presste, während sie mich mit einem besitzergreifenden Blick wissen ließ, dass Alec ihr gehörte und mir klar wurde, dass ich mich wohl getäuscht haben musste.
Mir kam wieder in den Sinn, dass ich mit meinen Gedanken und meinem Handeln Thomas betrogen hatte. Ich war meinem Freund fremdgegangen für einen Idioten wie Alec, der wahrscheinlich schon alle Frauen des Rudels einmal durchgenommen hatte und mich nur als eine Art Herausforderung betrachtete. Wie konnte ich nur so dämlich sein?
Ich stolperte rennend aus dem Raum und versuchte Alec und die hübsche Blondine aus meinem Kopf zu verdrängen, doch es gelang mir einfach nicht. Warum war ich nur auf ihn hereingefallen und hatte bei unserem Kuss aufkommende Gefühle verspürt?
Ich wünschte mir nichts Sehnlicheres, als aus dieser Welt zu verschwinden und in Thomas Armen zu liegen. Einzig und allein ihn liebte ich schließlich, oder etwa nicht? Ich kramte in meine Hosentasche nach dem goldenen Amulett, das ich schon ganz vergessen hatte. Ich fragte mich noch immer, aus welchem Grund Keira auf einmal so freundlich zu mir gewesen war und mir diesen Schatz überlassen hatte, doch mir konnte es im Moment nur recht sein.
Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf den Wunsch, wieder bei Thomas zu sein. So, hatte Keira gesagt, würde man zwischen den beiden Welten reisen. Und tatsächlich verschwamm kurz darauf die Landschaft um mich herum, bis ich nichts mehr außer die gemischten Gefühle wahrnahm, die sich in meinem Bauch sammelten...
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Shadow of your life, the story of a werewolf [Pausiert]
Werewolf»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Allison«, flüsterte Alec und ich schaute ihn für einen Moment ausdruckslos an, während sich in mir die ganze aufgestaute Wut und die Enttäuschung sammelte. »Du hast dir also Sorgen gemacht?«, fragte ich nach ein...