„Logan, bitte", quengelte ich. Ich war schon seit einer Ewigkeit dabei, ihn davon zu überzeugen, dass ich das Training mit Alec nicht brauchte. Die eine Trainingsstunde am gestrigen Tag hatte mir schon völlig ausgereicht und ich war nicht noch einmal dazu bereit, mit Alec zu trainieren.
Mir reichten meine Schmerzen von gestern durchaus und ich hatte genug von Alecs Stimmungsschwankungen, mit denen ich nicht umzugehen wusste.
„Das hatten wir doch schon, Allison", seufzte Logan nur, „Ich habe Remus gleich gestern nach unserem Gespräch aufgesucht, um ihn um einen neuen Trainer für dich zu bitten."
Ich verdrehte die Augen: „Aber er hat gesagt, es sei unmöglich, den jetzigen Trainer zu wechseln." „ Das weiß ich doch alles schon, aber ich werde trotzdem nicht noch einmal mit Alec trainieren." Trotzig wie ein kleines Kind verschränkte ich die Arme vor der Brust: „Wenn man bei sowas überhaupt von Training reden kann", murmelte ich leise.
„Hör zu", er trat einen Schritt auf mich zu und umfasste meine Schultern mit seinen Händen, „Wir können nichts mehr, an der Situation verändern, aber du musst dieses Training absolvieren, es gibt keine andere Möglichkeit. Die Welt da draußen ist gefährlich, Allison, und ich will nicht, dass dir etwas passiert!"
Ich schaute in seine sorgenvollen Augen und spürte die Ehrlichkeit, die hinter seinen Worten steckte. Trotzdem war ich nicht gewillt, so leicht nachzugeben. „Was soll den so gefährlich sein?", hakte ich nach. Logans Blick huschte unruhig von mir zu einer der Ecken im Raum und wieder zurück: „Das erzähle ich dir vielleicht ein anderes Mal..." Ich stöhnte frustriert auf. Warum war es nur so schwer, Informationen aus anderen Leuten herauszubekommen? Ich stellte doch so einfache Fragen, doch die Antworten vielen immer nichtssagend aus.
Logan schenkte mir einen traurigen Hundeblick und ich konnte nicht anders, als ihn in eine Umarmung zu ziehen. Während er seine langen Arme um mich schlang, nuschelte ich an seiner Brust: „Und warum kannst du mich dann nicht trainieren?"
„Ich hab dafür keine Lizenz, Prinzessin", antwortete er mir, das Kinn auf meinen Kopf gestützt. Ich spürte jede Bewegung seines Kiefers, der sich beim Sprechen auf und ab bewegte, doch es störte mich kaum. „Ich kann meine Prüfungen erst ablegen, wenn ich alt genug dafür bin."
Ich lehnte mich ein Stück zurück und betrachtete ihn mit hochgezogenen Augenbrauen: „Und du bist wie alt?", fragte ich neugierig. Von Keira hatte ich ja bereits erfahren, dass Werwölfe nicht alterten, deswegen konnte mich seine Antwort nicht mehr überraschen. Dennoch sah ich, wie er kurz zögerte, dann jedoch eine Zahl nannte: „97. Mir fehlen nur noch drei Jahre, bis ich die blöde Prüfung ablegen kann und dann werde ich auch Trainer."
„Hm", grummelte ich. Logan schien, mein Training wirklich wichtig zu sein. Er verschwieg mir, welche Gefahr mich bedrohen könnte, und dennoch zweifelte ich nach einem Blick in seine bekümmerten Augen an meinem Entschluss, nicht mehr mit Alec zu trainieren.
„Ok." Logan schob mich von sich, um mir ins Gesicht schauen zu können. „Ok, was?", fragte er hoffnungsvoll. Ich musste mir bei seinem bescheuerten Gesichtsausdruck ein Grinsen verkneifen und brummelte so mürrisch wie ich konnte: „Ich mach das Traini- Logaaan!" Er hatte mich hochgehoben und drehte sich nun mit mir im Kreis. Meine Beine flogen durch die Luft und ich krallte mich an Logans Armen fest, während ich ihn innerlich verfluchte. Wehe er ließ mich los...
„Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet, Prinzessin!" Ich lachte, als er mich wieder auf dem Boden abgestellt hatte und wäre durch mein Schwanken beinahe umgefallen, hätte Logan mich nicht festgehalten. „Ich glaube, dass hast du mir bereits gerade gezeigt", schmunzelte ich. Er grinste mich nur an.
Nun hatte ich unwiderruflich zugesagt, das Training mit Alec zu machen. Neben der Erleichterung, die sich aufgrund von Logans Freude in mir breit gemacht hatte, stieg auch ein beklemmendes Gefühl in mir hoch. Trotz meiner Zusage war ich nicht gerade scharf darauf, noch mehr von Alecs tollem Training zu bekommen.
„...Bücher zurückgeben", drang plötzlich Logans Stimme zu mir durch. Was hatte er gerade gesagt? Mein fragender Blick schien ihn dazu zu veranlassen, seinen Satz zu wiederholen: „Ich muss noch kurz in die Bibliothek, um Bücher zurückzugeben."
Logan lachte nur leicht ungläubig über mein Ausrasten: „Ich dachte, niemand ließt freiwillig Bücher, wenn er nicht dazu gezwungen wird", murmelte er überrascht. Ich schlug ihm spielerisch auf den Arm. „Logan! Bücher sind mein Lebenselixier, ich kann kaum ohne und du verschweigst mir einfach, dass ich welche direkt vor meiner Nase habe!"
Er hob abwehrend beide Hände in die Luft, konnte sich aber ein Lächeln kaum verkneifen. „Tut mir leid, Prinzessin. Wenn du willst kannst du ja einfach mitkommen in die Bücherei, also nur wenn du willst natürlich", grinste er mich an. Ich verdrehte die Augen: „Natürlich will ich!"
Die Bibliothek befand sich im obersten Stockwerk des Colleges und erstreckte sich über den gesamten Dachboden. Riesige hölzerne Regale standen in langen Reihen auf dem staubigen Boden, gefüllt mit tausenden von Bücherschätzen. Ich zog gierig die Luft ein und seufzte auf, als mir der Geruch von echten Büchern in die Nase stieg.
Logan, der hinter mir die kleine Wendeltreppe hinaufgestiegen war, auf der nur eine Person Platz hatte, betrachtete mich schmunzelnd, während ich die Bücher in vollen Zügen genoss. „Du hast das ja wörtlich gemeint mit dem Lebenselixier", raunte mir Logan ins Ohr und begann leise zu lachen. Mein Mund verzog sich zu einem Lächeln, während ich mich zu Logan umdrehte.
„Ich muss kurz die Bücher aufräumen, dann komme ich wieder, in Ordnung?", fragte er mich. Ich nickte nur und machte mich meinerseits auf den Weg, die vielen Bücherregale zu durchstöbern.
„Allison? Ich gehe zurück auf mein Zimmer, so wie es aussieht, bist du noch eine ganze Weile beschäftigt", kommentierte Logan, als er mich kurze Zeit später stöbernd zwischen den vielen Büchern entdeckte.
„Ja klar, ich komm zurecht", murmelte ich, wobei meine Gedanken mehr bei den Büchern als bei Logan waren.
Die Bibliothek hatte beinahe eine Stunde lang meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, doch ich hatte kaum normale Bücher in der Bibliothek gefunden, die ich sonst gelesen hatte, stattdessen war ich über etliche Exemplare der Geschichte von Werwölfen gestoßen. In der Hoffnung, mehr Wissen über meine Art und Herkunft zu erlangen, hatte ich gleich ein paar von ihnen ausgeliehen und war nun mit einem großen Stapel Bücher, den ich auf meinen Händen balancierte, auf dem Weg zurück in mein Zimmer.
Ich hatte gerade meinen letzten Schritt auf der schmalen Wendeltreppe getan, als ich plötzlich einen Widerstand an meinem Bein spürte und ins Straucheln kam. Weitaus weniger elegant als in Filmen, flog ich der Länge nach auf den Boden, während sich der Bücherstapel selbständig machte und die Bücher kreuz und quer auf dem Boden landeten. Ich kämpfte im ersten Moment gegen die Tränen an, die mir aufgrund der Schmerzen in die Augen gestiegen waren. Im zweiten bedauerte ich die armen Bücher, die bestimmt den ein oder anderen Knick abbekommen hatten.
„Hey, Kleine! Du hast meine Schuhe schmutzig gemacht!", hörte ich über mir ein dreckiges Lachen. Ich rollte mich zur Seite und stütze mich ab, sodass ich mich langsam erheben konnte. Vor mir hatten sich aufgebaut, hinter denen ich noch einen weiteren vermutete, von dem ich allerdings nur die Beine erkennen konnte.
Der Vorderste starrte auf mich herab, er war gefühlt drei Meter groß, wohingegen ich wie ein mickriger Zwerg wirkte. Ich versuchte, einen klaren Gedanken fassen zu können, was mir jedoch dadurch erschwert wurde, dass mein Gehirn nur sehr langsam zu denken schien. „Du, du hast mir ein Bein gestellt", beschuldigte ich ihn, während er sich absichtlich auf eines der Bücher stellte.
„Nana, jetzt werden wir doch nicht unschuldige Leute für deine Fehler verantwortlich machen. Wenigstens entschuldigen könntest du dich, Kleine" Er drehte sich zu seinen Freunden um und was er zu ihnen sagte, raubte mir für eine Sekunde den Atem...
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Shadow of your life, the story of a werewolf [Pausiert]
Lobisomem»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Allison«, flüsterte Alec und ich schaute ihn für einen Moment ausdruckslos an, während sich in mir die ganze aufgestaute Wut und die Enttäuschung sammelte. »Du hast dir also Sorgen gemacht?«, fragte ich nach ein...