Die Stimmung in diesem verfluchten Esszimmer war genauso kalt wie der Schnee, der draußen leise seinen Weg zum Boden fand. Verdammte Schwerkraft. Wieso konnte der Schnee nicht einfach davonfliegen?
Langsam richtete ich meinen Blick weg von der riesigen Glasfront und zurück zu meiner Familie. Mir gegenüber meine Schwestern, links mein jüngerer, rechts mein älterer Bruder. Und seine Freundin.
Ich wandte meinen Kopf ihr zu. Sie sah etwas verloren aus, aber das spiegelte vermutlich die Empfindungen von uns allen wieder. Außer die meines Vaters, der am Tischende saß und wirkte wie eine Eiskönigin, so viel Kälte wie er ausstrahlte.
Ich wandte meinen Blick von ihm ab, bevor ihn mein Vater erwidern und die Abscheu darin sehen würde, die ich einfach nicht aus meinen Augen verbannen konnte.
Stattdessen sah ich nach vorn und meine Augen trafen die meines Seelenspiegels, meiner Zwillingsschwester.
Liv lächelte mich nur für mich erkennbar an. Hatte schon Vorteile, jemanden genauso lange zu kennen wie sich selbst.
Ihr Lächeln beruhigte mich.
Obwohl ich Liv nicht erzählt hatte, was ich gleich tun würde, wusste sie es trotzdem irgendwie. Wahrscheinlich hatte sie es im Gefühl oder sowas.
Für so eine Medium-mäßige Aussage von ihr lachte ich sie immer aus.Doch jetzt lachte niemand, dank der Stimmung, die mein Vater verbreitete, dieser Pisser.
Man konnte sich nicht mal normal unterhalten. Oh Mann, das könnte ein Spaß werden.
Ich seufzte.
Aber wenn nicht jetzt, wann dann?
Heute war die ganze, große, glückliche Familie hier versammelt.
Zumindest alle, die unser Vater hier haben wollte.Mittlerweile waren wir beim Dessert angelangt.
Ich war nicht nervös. Unser Vater hatte uns beigebracht, zu uns selbst zu stehen, ein "Mann" zu sein oder sowas in der Art. Wenigstens das hatte ich gelernt. Ich war ich selbst, und wenn jemand ein Problem damit hatte, war das nicht meines.
Gleich jedenfalls würde es das Problem meines Vaters sein.
Ich legte meinen Dessertlöffel zur Seite, bevor ich mit meiner von meinem Vater verhassten, zu sanften Stimme die Stille durchbrach.
"Dad?"
Ich sah ihn direkt an und erwiderte seinen kühlen Blick. Leise brannte Vorfreude in mir wie eine kleine Kerze.
"Ich bin schwul."
Ich hörte nur seinen Löffel klirrend auf den Tisch fallen, während ich noch immer seinen eiskalten, schneekalten Blick erwiderte und sich ein fast zufriedenes Lächeln auf meine Lippen stahl.
DU LIEST GERADE
boy stories
Teen FictionEr war die Art von Freund, mit der man Astronaut spielt, mit der man zum Mond fliegt, in einem selbst gebastelten Raumschiff. Ein Freund, mit dem man nachts Glühwürmchen fängt und sie freilässt, damit sie zu Sternen werden können. Mondgesicht x Ste...