Ich sehe ihn, wie er mich ansieht. Unter seinem Blick werde ich immer ganz kribbelig. Früher musste ich davon lachen, doch jetzt wird mir beinahe wieder schlecht.
Vielleicht auch einfach die Nebenwirkungen meiner kleinen Kratzer.
Er steht gegenüber an die Wand gelehnt, mit verschränkten Armen und so direktem Blick.
Ich sehe ihn zurück an. Aber jetzt spüre ich nicht mehr die Freude wie vor wenigen Wochen, ich fühle mich schlecht.Zieht mich total runter, dieser verdammte Tag.
Plötzlich reißt mich das Klingeln der Schulglocke aus meinem Anstarrmodus und bringt mich dazu, meinen Spind zuzuknallen.
Als ich mich in Bewegung setze, bleibt Josh einfach stehen.Blöderweise muss ich jetzt auch noch an ihm vorbeigehen. Macht er das absichtlich oder was? Ich kann ihn einfach nicht verstehen.
Als ich den Gang hinuntergehe und an ihm vorbeihumple habe ich keine Ahnung, wo ich hinsehen soll. In sein Gesicht auf keinen Fall.
Bis mich plötzlich eine Hand am Unterarm festhält und mich zwingt, aufzusehen. Genau in seine Augen.
"Ich möchte mit dir reden."
Seine Stimme klingt neutral. Nicht mal bittend. Arschloch. Vielleicht möchte ich nicht mit dir reden, schon mal dran gedacht?
Aber ich nicke knapp und beiße meine Zähne zusammen. Wortwörtlich.
Ich habe keine Lust, dass mir einer meiner verbitterten Kommentare entfährt."Ich...", beginnt Josh jetzt und sieht an mir vorbei. Nicht mal in meine Augen.
Hinter uns erkennt er ein paar Schüler, die zu spät in die Klasse laufen und auch einen Lehrer.Etwas grob, aber nicht schmerzhaft nimmt er mich wieder am Arm und zieht mich zwischen Reihen von Spinds, wo uns niemand mehr sieht.
Ich bin mir nicht sicher ob er das getan hat weil er dachte, dass uns der Professor beim Schwänzen ermahnen würde oder ob er einfach nicht mit mir zusammen entdeckt werden wollte.
Was auch immer.Hinter den Spinds angekommen lehne ich mich mit dem Rücken an sie, wobei mir ein Ächzen entkommt.
Mein Bauch tut weh.Josh bemerkt es und runzelt für eine Sekunde die Stirn, bevor er wieder neutral blickt.
"Dein Vater ist in der Stadt?", fragt er, obwohl es eher wie eine Aussage klingt.Seine Augen wandern von meiner noch immer geschwollenen Wangen zu meiner leicht aufgeplatzten Lippe, wo sie hängen bleiben.
Josh beißt sich auf seine eigenen und schüttelt den Kopf, bevor er mich wieder ansieht.
Ich mache mir nicht die Mühe, auf seine Frage zu antworten. Schön langsam sollte er mal sagen, was er von mir will.
So nah bei ihm zu sein und allein mit ihm zu sein macht mich fertig."Ich...", setzt er noch einmal an, bevor er sich räuspert und fortfährt.
"Wie geht es dir?"Will er mich verarschen? Hat er meine Visage nicht gesehen? Riesige Augenringe und zerschlagen, aber ansonsten alles gut.
Und das ist noch nicht mal das Beschissenste. Er sollte mal meine Gedanken sehen können.Ich hab keine Lust darauf. Mit einem genervten Schnauben will ich mich abwenden aber er hält mich an den Schultern und drückt mich gegen den Spind.
Obwohl ich es hasse, prickelt alles in mir.Jetzt sehe ich ihm trotzig in die Augen. "Was?", fahre ich ihn an.
Als er traurig wegsieht tut er mir leid. Ich bin so bissig zu ihm, so grob.
Darum wundert es mich auch, was er nach einem traurigen Seufzen hervorbringt."Ich vermisse dich. Okay?"
Noch immer hält er mich an den Schultern. Seine Worte treffen mich härter als die Schläge meines Vaters.
Ich vermisse ihn auch. So sehr.
Aber ich kann ihm nicht nachgeben. Er hat eine Freundin. Er hat mich aus seinem Leben gestoßen.
Ich verstehe nichts mehr.
Wieso tut er das? Wieso redet er jetzt plötzlich wieder mit mir? Ich will ihn einfach mal verstehen.
Obwohl mein Herz unheimlich schnell schlägt, bringe ich die Frage mit einer festen Stimme hervor. Halbwegs zumindest."Wieso machst du das?"
Verständnislos schaue ich ihn an. Und vermutlich auch ein bisschen verzweifelt."Lee...", beginnt er, doch ich weiß genau, worauf das hinauslaufen wird. Und zwar ins Nichts.
"Nein. Ich will nicht, dass jemand so mit meinen Gefühlen herumspringt.", unterbreche ich ihn hart.
Als ich ihm noch einmal in die Augen sehe, erkenne ich die Traurigkeit, die sich auch in meinen widerspiegelt. Ich kann ihn nicht mehr ansehen. Nicht mehr hier bei ihm sein.
"Und vor allem nicht du.", füge ich leise hinzu. Dieses Mal bricht meine Stimme.
Mit diesen Worten wende ich mich endgültig ab und lasse ihn stehen. Allein.

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boy stories
Novela JuvenilEr war die Art von Freund, mit der man Astronaut spielt, mit der man zum Mond fliegt, in einem selbst gebastelten Raumschiff. Ein Freund, mit dem man nachts Glühwürmchen fängt und sie freilässt, damit sie zu Sternen werden können. Mondgesicht x Ste...