vierundzwanzig

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Mitten in der Nacht von Sonntag auf Montag schrecke ich aus dem Schlaf hoch. Meine Träume werden wieder schlimmer.

Auch in der vorherigen Nacht habe ich nur wenige Stunden geschlafen.
Ich sehe auf die Uhr neben meinem Bett. 03:16.

Widerwillig lasse ich mich zurück in die Kissen fallen. Noch gute drei Stunden müsste ich schlafen, bis die ersten anderen in diesem Haus aufwachen.

Zum millionsten Mal sehe ich auf mein Handy. Kein Anruf, Nachrichten nur von irgendwelchen Gruppen.
Cole hat also nicht versucht, mich zu erreichen. Noch immer nicht. Obwohl er mich am Samstag sogar noch danach gefragt hat.

Hat meine zerschlagene Visage ihn verschreckt? Hat er sein Handy verloren? Oder bin ich ihm einfach egal?

Bei dem Gedanken, einfach jedem auf dieser Welt vollkommen am Arsch vorbeizugehen, wird mir vor Traurigkeit wieder mal übel.
Um diese deprimierenden Gefühle loszuwerden setze ich mich ruckartig auf, sodass mich Schmerzen im Gesicht und Magen durchzucken.

Aber es fokussiert meine ganze Aufmerksamkeit und wirkt einigermaßen trauerstillend.

Ich Masochist.

Aber was hätte auch anderes aus mir werden sollen als ein psychisch labiler Teenager? Ich als schwuler Sohn eines konservativen Firmenchef-Schlägers?

Mit einem traurigen, selbstmitleidenden Lachen - mein Humor wird in so dunklen Zeiten wie jetzt nicht gerade besser - stehe ich auf und tapse ins Badezimmer zum Waschbecken.
Dort kühle ich mein Gesicht mit Wasser.

Sobald ich meine Augen hebe und in den Spiegel sehe fällt mir sofort auf, warum ich samstags beim Friseur war, trotz meines erschöpften Zustands.

Meine grünen Augen sehen aus wie immer, passen super zu den Flecken auf meinem nackten Oberkörper.

Allerdings erregt mein Gesicht mehr Aufmerksamkeit, leicht aufgeplatzte Lippe und rote Flecken am Hals.

Doch das alles verblasst im Vergleich zu meinen Haaren, die vorgestern noch schwarz schimmerten.

Jetzt ist der Ansatz zwar noch immer schwarz, verfärbt sich dann allerdings zu grauen Strähnen, die an den Spitzen weiß leuchten.

Wie der Übergang von dreckigem zu strahlend hellem Schnee.

Prüfend beobachten mich so meine eigenen Augen im Spiegel und akzeptieren schön langsam die Veränderung.

Anders als mein Vater, der sich darüber vermutlich unheimlich ärgern wird.

Tja, Akzeptanz ist wohl einfach nicht seine Stärke.

Bei dem Gedanken an seine Reaktion muss ich beinahe meinen Mund zu einem Grinsen verziehen, lasse es aber bleiben. Schadenfreude tut anscheinend physisch weh.

Bei dem Gedanken an Coles Reaktion wird mir ein bisschen mulmig. Bevor ich meinen Kopf davon abhalten kann, denkt er darüber nach, ob Cole meine Frisur wohl scheiße finden wird.
Doch eigentlich sollte mich das nicht kümmern.

Schließlich bin ich ihm so egal, dass er mir nicht mal schreiben kann.
Oder mich besuchen. Immerhin wohnt er im Haus gegenüber.

Vorsichtig wende ich mich dem Fenster zu, von welchem ich auf das kleine Gebäude sehen kann, in dem Cole mit seinem Vater lebt. Gerade wohl friedlich schläft.

In wenigen Stunden werde ich ihn wiedersehen. Seufzend vergrabe ich meine Hände in meinen gefärbten Haaren und drehe mich vom Fenster weg.

Müde schleppe ich mich zurück in mein Zimmer und lege mich ins Bett.

Meine Gedanken halten mich die restliche Nacht wach.

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