neunundzwanzig

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Nach meiner letzten Unterrichtsstunde - die mir heute wie eine Ewigkeit vorkommt - schnappe ich mein Zeug, verabschiede mich von Noah und mache mich auf den Weg, um Cole vor dem Eingang zu treffen.

Suchend sehe ich mich um. Und da steht er auch schon, an eine Wand gelehnt, mit geschlossenen Augen zur kalten Wintersonne gewandt. Seine hellbraunen Haare glänzen im Licht, seine Gesichtszüge so entspannt und friedlich, seine Lippen leicht geöffnet.
Am liebsten würde ich ihn einfach sanft küssen, bis er seine warmen Augen wieder öffnet.

Warte was?

Verwirrt bleibe ich stehen und fahre mir durchs Haar. Verdammt, was denke ich denn da eigentlich?

Cole ist seit gerade mal einer Woche wieder in meinem Leben. Obwohl es sich anfühlt, als wäre er nie weggewesen. Oder als hätte ich die letzten sechs Jahre ohne ihn irgendwie halb verschlafen.

Fuck, erst seit einer Woche. Scheint, als müsste ich wohl noch mehr Zeit mit ihm verbringen, um ihn besser kennenzulernen.

Denn allein die Aussicht darauf, den Nachmittag mit ihm zu verbringen und der Gedanke daran, ihn zu küssen lässt alles in mir kribbeln und bringt meine Knie ein klein wenig zum Zittern. Es ist gar nicht so schwer, mir einzugestehen, dass ich nicht nur mit ihm befreundet sein möchte.

Ist doch egal, wie lange Cole zurück ist. Wichtig ist, dass er überhaupt wieder da ist, bei mir. Leicht lächelnd setze ich meinen Weg zu ihm fort.

Doch als ich noch ein paar Meter von Cole entfernt bin, kommt von der anderen Seite das Mädchen mit den schwarzen Haaren von heute morgen auf ihn zu. Die, die ihn "Coco" genannt hat. So begrüßt sie ihn auch, das lese ich von ihren Lippen ab. Hören kann ich sie noch nicht wirklich, dafür bin ich noch zu weit weg.

Allerdings sehe ich, wie Cole die Augen öffnet und sich sein Lächeln verändert. Nicht mehr so entspannt wie vorher.
Das Mädchen will seine Hand nehmen und flirtet ihn richtig an.

Das wiederum lässt mein Lächeln vollkommen verschwinden. Natürlich hab ich kein Recht darauf, eifersüchtig zu sein oder so. Aber es fühlt sich trotzdem scheiße an.

Vor allem, wenn das Mädchen ihm immer näher kommt, wie sie es gerade tut.

Mittlerweile bin ich stehen geblieben. Soll ich wieder umkehren und einfach nach Hause verschwinden? Oder die zwei unterbrechen wie auf der Party?

Kopfschüttelnd will ich gerade umdrehen, als mich Cole bemerkt und sofort in meine Richtung grinst.

Seine Augen hängen an meinen, sogar über diese Entfernung hinweg. Nach ein paar Sekunden Blickkontakt wendet er zuerst den Kopf wieder diesem Mädchen zu, bevor er auch seine Augen losreißen kann. Hastig sagt er ein paar Worte zu ihr und deutet in meine Richtung.

Sieht so aus, als würde er sich noch schnell von ihr verabschieden. Aber sie lässt ihn wohl nicht so einfach davonkommen. Das Mädchen hält Cole am Oberarm fest und versucht, seinen Blick auf sich zu ziehen, obwohl er immer wieder seinen Kopf zu mir dreht.

Alter, kann sie ihn bitte einfach gehen lassen? Wäre ganz freundlich, danke.

Doch sie denkt gar nicht dran.
Bevor Cole endlich abhauen kann, krallt sie ihre Finger in seinen Nacken, zieht seinen Kopf zu ihr hinunter und küsst ihn.

Direkt vor meinen Augen, während alles in mir taub wird.

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