dreiundvierzig

186 14 0
                                    

Ich überprüfe zum fünften Mal die Nachricht von Nicolas, um auch ganz sicher zur richtigen Uhrzeit in der Bibliothek aufzutauchen.

Nein, ganz sicher, da steht es:

10:19: Samstag passt gut. Wie wärs um 3 oder so? Ich nehm auch Kekse mit also sei motiviert sonst kriegst du keine 💪

Jetzt ist es zehn vor drei. Ich will nicht zu spät kommen. Aber zu früh ist auch strange. Darum hüpfe ich vor der Bibliothek von einem Fuß auf den andern. Mein Atem bildet Wölkchen in der noch immer kalten Luft, meine Hände verstecke ich in den Taschen meiner warmen Winterjacke.

Und dann warte ich. Und warte. Als ich Nicolas dann um die Ecke biegen sehe, muss ich unwillkürlich lächeln. Seine hellbraunen Haare stehen ihm ungebändigt vom Kopf ab, in den Händen hält er zwei Kaffeebecher und mit einer davon versucht er gleichzeitig eine Tüte vom Bäcker festzuhalten.

Sein Gesicht überzieht ein Grinsen, als er mich erkennt. Etwas schneller kommt Nicolas näher und drückt mir einen heißen Becher in die Hand.

„Morgen, ich bin grad erst aufgestanden und hab nicht gewusst, ob du Kaffee trinkst jetzt hab ich einfach Kakao genommen.", begrüßt er mich mit einem Redeschwall.

„Ich trinke zwar Kaffee, aber Kakao ist immer noch gut. So classy.", meine ich grinsend. „Danke.", füge ich noch hinzu und lächle ihn warm an.

„Kein Ding." Lächelnd sieht Nicolas zurück, bevor ihm etwas anderes einfällt. „Du hättest aber ruhig schon reingehen können. Komm."

Auffordernd stupst er mich mit seiner Schulter an meiner an und geht voraus in die Bibliothek. Drinnen suchen wir uns eine ruhige Ecke zwischen seltsamen esoterischen Ratgeber-Büchern, von denen ich mir nicht vorstellen kann, dass sie jemals jemand ausborgen möchte.

Sobald wir gemütlich sitzen, packt er seine Bücher aus, ebenso wie ich. Leise erklärt Nicolas, was er sich über den Lernstoff überlegt hat. „Also, wenn ich das richtig mitgekriegt hab, hast du ein paar Probleme mit dem Stoff seit der letzten Klausur."

Mit einer hochgezogenen Augenbraue sieht er zu mir herüber und zeigt mit dem Stift auf ein Kapitel im ersten Drittel des Mathebuchs. „Ab da sollten wir dann wohl anfangen."

Das ist verdammt viel.

„Jetzt schau doch nicht so.", kommentiert er grinsend meinen Gesichtsausdruck. „Wenn wir uns jedes Wochenende treffen, packst du das bis zur nächsten Klausur sicher."

„Na dann... Ist ja fast kein Aufwand.", erwidere ich sarkastisch. Schnell füge ich noch hinzu:"Aber das stört mich für Mathe natürlich nicht. Wird sogar Spaß machen."

„Mit mir schon.", sagt Nicolas schelmisch grinsend. „Na dann, fangen wir an."

Anfangs fällt es mir unheimlich schwer mich zu konzentrieren. Zum einen, weil ab und zu Menschen vorbeigehen und ganz ernsthaft diese seltsamen Ratgeber aus dieser Abteilung ansehen, was mich jedes Mal die Stirn runzeln lässt.

Zum andern, weil er neben mir sitzt und mich immer so ansieht und auch weil er erwartet, dass ich es verstehe. Denke ich zumindest. Denn als er nach einer Weile bemerkt, dass ich einiges nicht checke, sieht er mich lächelnd an.

„Lee, wenn du was nicht kapierst, ist das gar kein Problem. Frag einfach. Ich weiß ja, dass du nicht dumm bist. Dann erklär ich's dir so oft wie nötig und du wirst es können."

Und das stimmt. Danach geht es besser. Sobald ich etwas nicht verstehe und er es mir erklärt (und ich so viele dumme Fragen stelle wie es nur geht) wird es langsam besser. Zumindest habe ich nach zwei Stunden intensivrechnen das Gefühl, als würde ich kein vollkommen hoffnungsloser Fall sein.

boy storiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt