Sobald Coles Schritte am Ende des Ganges verklingen wird die kalte Fassade meines Vaters von seinem unerbittlichen Zorn durchbrochen.
Ein Klatschen, das durch die Stille hallt, nehme ich zuerst wahr, bevor mich der Schmerz seiner Ohrfeige durchzuckt wie ein Blitz.
Reflexartig greife ich an meine pulsierende Wange."Was fällt dir ein, mir auf diese Weise zu widersprechen.", zischt mir mein Vater entgegen, die Hand noch immer drohend erhoben.
"Er ist noch immer mein Freund. Ich werde ihn wiedersehen.", antworte ich ihm entschlossen.
Als Dank für meinen Mut werde ich mit einem Unterarm an meiner Kehle gegen die Wand gedrückt. Vor Schreck und Schmerz keuche ich kurz auf.
Mein Vater sieht mir voller Abscheu in die Augen. "Wie vorlaut du geworden bist, mein Junge. Zeit, dir wieder ein paar Manieren beizubringen."
Ich versuche nicht mal, mich aus seinem Griff zu befreien, als er seine Faust in meinen Magen rammt.
Nach jedem Wort folgt ein Schlag."Du-"
Es sind nur Gefühle.
"-wirst-"
Es schmerzt.
"-dich mir-"
So sehr.
"-nicht mehr-"
Ich hasse ihn.
"-wiedersetzen."Endlich hört er auf. Mir wird etwas schwarz vor Augen.
"Hast du mich verstanden, mein Sohn?", fragt er, nun wieder so kalt als hätten wir Publikum.
Bei meiner Antwort betone ich fest jedes einzelne Wort. "Ich werde ihn wiedersehen."
Überrascht lacht mein Vater auf, tritt einen Schritt zurück und sieht mich herablassend an. "So ist das also. Du bist eine Enttäuschung, bist du dir dessen bewusst? Schon immer so schwach und so...voller Gefühle."
Fast rechne ich damit, dass er mich anspuckt. Doch er wendet sich von mir ab. War das etwa schon alles?
Vorsichtig reibe ich mir den Bauch. Mittlerweile kann ich zum Glück viel einstecken. Allerdings, der Hunger ist mir vergangen.
Plötzlich schnellt eine Faust in mein Gesicht und trifft meine Wange, Nase und Lippen. Erschrocken stöhne ich auf und sehe meinen Vater entsetzt an.
"Mache mich nicht noch einmal so lächerlich. Sonst droht dir weitaus Schlimmeres."
Mir tropft warmes Blut aus der Nase.
Oder ist es mein Mund? Ich kann es nicht unterscheiden.
Es pocht nur wie wild."Nun sieh, was du angerichtet hast. Mein Anzug ist ganz dreckig.", stellt mein Vater genervt fest. Durch seinen Schlag ist etwas Blut auf seinen Ärmel gespritzt.
Dafür werde ich mich nicht entschuldigen. Ich beiße mir in die Wange - was innen genauso höllisch wehtut wie außen - damit mir kein Widerspruch entkommt.
Für heute habe ich gewonnen, wenn man das so nennen kann. Mein Vater wird meine Freundschaft in Ruhe lassen. Zumindest vorerst.
"Wie dem auch sei, ich werde wohl wieder abreisen. Allerdings sehen wir uns vermutlich schon nächstes Wochenende wieder. Ansonsten Ende des Monats. Hab eine erfolgreiche Woche und vergiss deine schulischen Pflichten nicht.", erinnert mich mein Vater bestimmend.
Er wirkt schon besser gelaunt, dieser brutale Mistkerl.Sobald er sich zum Gehen abwendet, befühle ich mein Gesicht und zucke bei dem Schmerz zurück.
"Und noch etwas.", höre ich meinen Vater beiläufig sagen. Verschwindet der denn nie?
"Glaub ja nicht, dass ich um dich trauern werde, falls du an einer Geschlechtskrankheit zugrunde gehen solltest."
Mit diesen netten Abschiedsworten wendet er sich endgültig ab und lässt mich allein. Blutend und zitternd.
Jetzt wo er weg ist breche ich fast zusammen.Am liebsten würde ich ihm nachschreien, dass ich fähig bin, von Kondomen Gebrauch zu machen, im Gegensatz zu ihm mit seinen sechs Kindern.
Scheiße gelaufen, dass ich eins davon sein muss.Andererseits, zum Schreien bin ich gerade zu müde. Und meine Stimme spüre ich dank der Würgaktion schon schwächer werden.
Langsam schleppe ich mich zurück zur Treppe, deren beständiges Geländer mich zum Glück stützt, als ich mal kurz das Gleichgewicht verliere und zwischendurch fast ohnmächtig werde.
Von da aus geht's weiter in die Küche.
Als ich den Raum betrete und in Coles Gesicht blicke, schäme ich mich sofort. Wie sehe ich bloß aus? Wahrscheinlich vollkommen verwahrlost.
Ach scheiße."Lee, was...Wie kann ich dir helfen?" Sofort ist er bei mir und will mich stützen, vermutlich weil ich wegen meiner Bauchschmerzen so gekrümmt gehe.
Doch ich halte ihn auf Abstand."Bitte geh jetzt.", sage ich leise und scheußlich krächzend. Er soll mich nicht so sehen.
Langsam lasse ich mich mit meinem Rücken an die Wand gelehnt zu Boden gleiten.
Hier bleibe ich erstmal hocken.Gerade zum richtigen Zeitpunkt kommt mein älterer Bruder James in die Küche.
Zuerst bemerkt er Cole und begrüßt ihn lächelnd. "Hallo Coley, wie schön, dich wieder mal zu sehen. Lee, warum hast du ihn nicht schon früher..."James' Lächeln weicht kurz einem geschockten Gesicht, als er mich bemerkt. Dann kommt er besorgt seufzend auf mich zu.
"Oh Mann Lee, warum musst du dich nur immer als Boxsack unseres Vaters verwenden lassen, mh?", fragt er mich sanft und kniet sich zu mir hinunter.
Kurz fährt er mir durch die Haare und begutachtet mein Gesicht. Mir läuft noch immer Blut aus der Nase. James erhebt sich und geht auf Cole zu.
"Cole, es tut mir leid aber du solltest wirklich besser gehen.", bittet James ihn sanft. Ich bin ihm so unendlich dankbar. Unser ältester Bruder weiß immer, was zu tun ist.
"Aber...", will Cole protestieren, doch mein Bruder redet vorsichtig auf ihn ein. "Er will nicht, dass du ihn so siehst. Du weißt doch, wie stolz er ist." Mit einem Kopfnicken zu mir verdeutlicht er seine Aussage.
Und er hat recht.
Obwohl ich mein Gesicht abwende und Schmerzen habe, versuche ich, möglichst aufrecht zu sitzen und meine Schultern so gerade wie möglich zu halten.
So wenig elend wie möglich auszusehen.Cole kniet sich nun vor mich und sieht mich traurig an. "Es tut mir leid, Lee. Ehrlich."
Kurz streckt er seine Hand aus, um meine Wange zu berühren, zuckt allerdings noch vor der Berührung zurück, als er meine verletzte Haut bemerkt.
Stattdessen drückt er flüchtig meine Schulter und steht auf.
"Darf ich dir später schreiben? Oder dich anrufen?", fragt Cole leise.
"Natürlich.", antworte ich ebenso leise und versuche zu lächeln. Dabei schmerzt jedoch meine Wange, darum lasse ich es bleiben.
"Gut also, bis dann.", verabschiedet sich Cole von mir, an James gewandt nickt er nur knapp.
Mein Bruder beginnt währenddessen, mich zu verarzten.
"Ach Lee.", seufzt er. "Was hast du dir da nur wieder angefangen?"
Wenn ich das nur wüsste.
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boy stories
Teen FictionEr war die Art von Freund, mit der man Astronaut spielt, mit der man zum Mond fliegt, in einem selbst gebastelten Raumschiff. Ein Freund, mit dem man nachts Glühwürmchen fängt und sie freilässt, damit sie zu Sternen werden können. Mondgesicht x Ste...