neunzehn

304 44 2
                                    

Den Samstag verschlafe ich.

Bis... mich dieses Klopfen aufweckt. Als würde jemand sanft gegen Glas trommeln.

Ich öffne meine Augen, zuerst nur das rechte einen Spalt breit und dann mit einem Stöhnen auch mein anderes.
Sofort blendet mich das helle Winterlicht von draußen, das durch mein Fenster fällt. Allerdings erahne ich den Umriss einer Person, die sich da draußen hinter der Scheibe befindet.

Erschrocken setze ich mich mit einem Ruck auf und will Richtung Fenster gehen. Blöderweise verheddern sich meine Beine in der Decke und ich lande mit dem Gesicht voran am Boden.

Von draußen höre ich ein halb unterdrücktes Lachen. Ein sehr bekanntes Lachen.

Ich sehe vom Boden auf und blicke direkt in das Gesicht von Cole, der auf den dicken Ästen des Baumes vor meiner Fensterscheibe sitzt. Jetzt winkt er mir grinsend zu und klopft wieder gegen mein Fenster.

Wäre er früher nicht ständig durch mein Fenster heimlich zu Besuch gekommen, fände ich es eigentlich ziemlich unheimlich, dass Cole vor meinem Zimmer sitzt und mich beim Schlafen gesehen hat. Aber ich vertraue ihm genug, um zu wissen, dass er über null fiese Absichten verfügt.

"Willst du mich reinlassen?", höre ich jetzt seine gedämpfte Frage.

Ich nicke dank meiner Verschlafenheit wie in Trance und stehe auf, wobei ich zuerst ziemlich peinlich meine Beine aus der Bettdecke befreien muss.

Als ich beim Fenster bin und es öffne, fällt mir auch schon Cole entgegen.
Wenig elegant wirft er sich ins Zimmer und zieht mich mit einem kleinen Aufschrei auf den Boden, wo wir irgendwie übereinander liegen.

Der ganze Körperkontakt macht mich fast wahnsinnig, deswegen springe ich förmlich auf und stelle mich ihm gegenüber hin.

Auch Cole erhebt sich und sieht mich an. Erst jetzt bemerke ich, dass ich nur Boxershorts trage.

Mit brennenden Wangen drehe ich mich um und schnappe mir erstmal einen Pullover, der auf meinem Schreibtischsessel herumliegt. Trotz meiner Müdigkeit glaube ich zu spüren, wie zwei Augen meinen Rücken betrachten.

Als ich ihn wieder erwartungsvoll ansehe, wirkt Cole ganz verlegen, noch in seine Jacke gehüllt, mit Schuhen und Mütze bekleidet.

"Guten Morgen. Ich hab dich wohl aufgeweckt.", sagt er und versucht ein Grinsen, was ihm allerdings nicht wirklich gelingt. Auf einmal scheint er völlig entmutigt. "War vielleicht eine blöde Idee.", murmelt er und dreht sich um.

Schon bin ich bei ihm und schnappe mir seinen Oberarm. Die Berührung prickelt auf meiner Haut, obwohl ich nur die Jacke spüre.

"Nein, nein gar nicht!", sage ich möglichst überzeugend und klinge wie ein übermotivierter Idiot. "Ich meine.. irgendwer musste mich sowieso aufwecken."

Cole sieht mich zweifelnd an.
Darum füge ich leise hinzu:"Und ich freu mich, wenn du da bist."

Schon wieder werden meine Wangen rot. Ich lasse seinen Arm los und ziehe ihm die Mütze vom Kopf, um mein peinliches Gesicht zu überspielen.

"Aber bitte zieh dir die Jacke und die Schuhe aus, fühl dich wie zuhause.", sage ich lächelnd, um ihn zu ermutigen.

Cole grinst mich an und wirft seine Jacke und die Schuhe in eine Ecke. "So höflich wie eh und je."

Ich lasse mich auf den Teppich vor meinem Bett fallen, der vorhin meinen Aufprall gedämpft hat. Der Gedanke, mich aufs Bett zu setzen, macht mich gerade eher kribbelig.

"Wie spät ist es überhaupt?", frage ich gähnend. Überrascht reiße ich die Augen auf, als ich auf meinem Handy die Uhrzeit sehe. Halb drei nachmittags.

"Darum dachte ich auch, du bist vielleicht schon munter.", grinst Cole und dreht mir den Rücken zu, um mein Zimmer zu inspizieren. "Darf ich?", fragt er und deutet auf mein Bücherregal.

Ich nicke und beobachte, wie er alles genau ansieht, mit seinen wachen Augen. Mir gefällt, wie seine hellbraunen Haare im kalten Sonnenlicht strahlen, wie sich seine Schulterblätter durch den Stoff seines Shirts abzeichnen, wie seine Hände die Bücher streichen.

Einfach hier zu sitzen und ihn zu beobachten ist wunderschön.

Bei diesem verdammt romantischen Gedanken schießt mir schon wieder das Blut in die Wangen. Was ist nur falsch mit mir?

"Dein Zimmer gefällt mir. Noch immer. Früher waren da überall Legosteine und Playmobil-Ritter aber jetzt ist es total schön mit diesen Holzregalen und den Bildern an den Wänden und dem vielen Weiß."

...und mit dir darin, vollende ich seine Aufzählung in Gedanken und beiße mir auf die Unterlippe. Als er sich umdreht, sehe ich ihn einfach an. Cole sieht zurück.

Seine braunen Augen und meine grünen, verbunden miteinander, obwohl uns ein halber Raum trennt.

Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, in der ich meinen Blick einfach nicht losreißen kann. Doch dann sehe ich weg, auf das Zweitschönste hier im Raum - mein Bücherregal - und ich kann mein Herz wieder ein bisschen beruhigen. Seltsam. Dass es so schnell schlägt, fällt mir erst jetzt auf.

"Möchtest du etwas trinken?", frage ich höflich.

Diese Frage bringt Cole zum Lachen. "Ja gerne. Du hast noch nicht mal gefrühstückt, oder?" Seine Stimme ist warm und vielleicht sogar ein bisschen fürsorglich, wenn ich mich nicht täusche.

"Nein, aber jetzt wo du es sagst..." Pünktlich grummelt mein Bauch.

Gemeinsam verlassen wir mein Zimmer, um zur Küche zu gehen. Nur mit Mühe kann ich das aufgeregte Zittern meiner Hände verbergen, als ich die Tür öffne und Cole vor mir hinaustreten lasse.

boy storiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt