einundzwanzig

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Als wir laut lachend unten ankommen, purzeln wir über das Ende des Geländers.

Zum zweiten Mal an diesem Tag landen wir übereinander liegend auf dem Boden. Diesmal allerdings springe ich nicht sofort auf sondern muss mich zuerst beruhigen.
Denn gemeinsam mit Cole lache ich so heftig, dass mir mein Bauch wehtut.

"Soso, mein Sohn. Auf diese Weise verbringst du also deinen Nachmittag."

Eine kühle Stimme durchbricht unser Lachen und augenblicklich erfriert alles in mir. Mein Herz bemüht sich, warmes Blut in meine Gliedmaßen zu pumpen, mein Gehirn befiehlt, sofort aufzustehen.

Mit einem Mal erhebe ich mich und stehe meinem Vater steif gegenüber. Die Schultern so gerade und aufrecht wie möglich.

"Vater. Guten Nachmittag. Ich dachte, du kommst erst nächstes Wochenende wieder.", versuche ich, möglichst fest zu sagen. Jede Wärme ist aus meiner Stimme verschwunden. Ebenso das Lachen, das gerade noch durch die Flure hallte.

"Ein paar Termine wurden verschoben. Ich nutze die Gelegenheit, um in meinem Haus nach dem Rechten zu sehen. Anscheinend ist das auch dringend nötig."
Seine kalten blauen Augen sehen zuerst an mir herab, an meinen Boxershorts und dem schlabberigen Pullover. Dann blicken sie voll Abscheu zu Cole.

Sein restliches Gesicht zeigt keinerlei Emotionen. Nur in den Augen erkenne ich manchmal Gefühle.
Natürlich ausschließlich negative.

Ich hoffe, Cole kann sie nicht sehen.
Besorgt blicke ich kurz zu ihm. Vater folgt meinen Augen.

"Wie ich sehe, ist aus dem kleinen Nicolas ein richtiger Mann geworden.", sagt dieser Idiot, den ich Vater nennen muss, tonlos. Auch ohne die Verachtung in seiner Stimme weiß ich, dass er Cole lächerlich machen will. Das versucht er schon, seit ich ihm Cole zum ersten Mal vorstellte.

"Guten Tag, Herr van Allen. Vielen Dank für die Gastfreundschaft. Freut mich, Sie wiederzusehen.", bringt Cole schließlich hervor, mit einem bemühten Lächeln.

Dafür bewundere ich ihn wirklich. Vor allem nach dem Ganzen, das mein Vater Cole und mir angetan hat. Doch den Gedanken an die Vergangenheit verdränge ich schnell wieder.

Ich selbst habe meinen Vater wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr so ernsthaft freundlich angesehen.
Und er mich nicht. Gerade sieht er mich eher so an als sei ich die größte Enttäuschung seines Lebens.

Da steht er nun vor mir, in seinem teuren Anzug ohne auch nur einer Falte, perfekt geschnittener Frisur, mit ebenso dunklem Haar wie ich es habe.

Zum tausendsten Mal frage ich mich, ob ich wirklich sein Sohn bin. Gut, vielleicht sehen wir uns ähnlich, aber innerlich bin ich das Gegenteil.
Hoffe ich zumindest.
So zu sein wie er widert mich an.

Den Grund dafür zeigt er wieder einmal in genau diesem Moment.

"Dein Freund-", dieses Wort betont er so voller Missbilligung und Verachtung für meine Schwäche, Gefühle zu haben, dass ich ein paar Zentimeter schrumpfe, "sollte uns wohl verlassen. Du solltest dich deinen Pflichten widmen, auch wenn diese nur aus schulischen Tätigkeiten bestehen. Wie ich hören musste, schwächelst du, mein Junge."
Seine kalten Augen sehen mich geringschätzig an.

"Nicolas ist mein Gast. Er wird uns erst verlassen, wenn ich es so möchte.", erwidere ich so bestimmend und gleichzeitig so höflich wie möglich.
Am Ende lächle ich sogar.
Mir ist vollkommen gleichgültig, ob dieses Lächeln genauso kalt ist wie das meines Vaters normalerweise.

Doch jetzt lächelt er nicht. Ich meine sogar, Anzeichen von Hass in seinem Blick zu erkennen.
Ups, jetzt habe ich mich wohl seiner Autorität widersetzt.
Sorry not sorry.

"Nun, dann darf ich dich wenigstens kurz sprechen? Allein?", betont mein Vater, ohne mich aus den Augen zu lassen.

Ich unterdrücke ein frustriertes Seufzen. Wenn ich mich ihm jetzt verweigere, wird das schlimme Konsequenzen haben.
Und egal wie sehr ich es hasse, ihm in diesem Moment nachzugeben, überwinde ich mich und wende mich Cole zu.

"Willst du vielleicht schon mal in der Küche warten? Den Gang runter links, falls du es vergessen hast. Ich komm gleich nach.", erkläre ich ihm.
Zögernd sieht er mir in die Augen, doch ich drehe mich wieder zu meinem Vater um.

Dieser geht ein Stück in die entgegengesetzte Richtung von Cole, bis wir nicht mehr direkt vor der Treppe sondern im Gang stehen. Ich folge ihm wie ein verwahrloster Hund.

Direkt hinein in mein Verderben.
Wieder einmal.


Hey guys!
Danke fürs Lesen, fürs Kommentieren sowieso und ein danke für eure Existenz, denn was ist ein*e Autor*in ohne reading-people?
don't leave, stay cool,
nono

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