sechsundzwanzig

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Statt Cole zu antworten, umarme ich ihn. Fest.

So fest, dass es irgendwie ziemlich wehtut und ich ein Au nicht unterdrücken kann. Sofort lässt er mich los und sieht mich besorgt an.

"Alles okay? Nein natürlich nicht, was für eine bescheuerte Frage.", antwortet er sich selbst und verzieht den Mund, während er besorgt meine geschwollene Wange betrachtet.
"Warst du schon beim Arzt?"

Ich schüttele den Kopf. Ich will nicht zum Arzt, das versteht er hoffentlich. Die stellen immer so viele Fragen, die ich nicht beantworten kann, nicht mal wenn ich wollte.

"Stattdessen lieber beim Friseur, mh?", lächelt er, während sein Blick zu meinen frisch gefärbten Haaren wandert.

Langsam folgt seine Hand, fährt durch meine Strähnen und verwuschelt meine Frisur. Was mich seltsamerweise null kümmert, solange er nicht aufhört, meinen Kopf zu streicheln.

Langsam verzieht sich mein Mund zu einem Grinsen.

"Du solltest wohl auch mal wieder zum Friseur.", ziehe ich Cole auf und fahre auch ihm durchs Haar.

"Hey, werd ja nicht frech!"
Lachend schnappt er meine Hand und versucht, sie festzuhalten. Das kann ich mir natürlich nicht gefallen lassen. Schnell entziehe ich sie ihm unter Gekicher und will ihm wieder seine Haare verwuscheln.

Kleiner Kampf zwischen großen, fast erwachsenen Jungs.

Doch schließlich gewinnt Cole und hält lachend meine Hände endgültig fest zwischen seinen.

Und auf einmal wird die ganze Welt wieder langsam. Mein Herz schlägt schnell, doch auf eine angenehme Weise. So als würde es mich vom Leben überzeugen wollen. Wie schön es nicht ist, hier zu sein und lebendig zu sein und glücklich zu sein.

Es bringt mich zum Lachen. Ich kann gar nicht mehr zum Grinsen aufhören. Auch Cole grinst mich an. Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit, obwohl es vermutlich nur eine halbe Minute dauert, in der wir uns angrinsen wie Idioten.

Sobald mir bewusst wird, dass ich vermutlich aussehe wie der größte Depp senke ich schnell die Augen und ziehe peinlich berührt meine Hände zurück. Um sie auch ja bei mir zu behalten verschränke ich meine Arme vor meinem Brustkorb.
Auch Cole räuspert sich, hört aber nicht auf zum Grinsen, im Gegensatz zu mir.

"Hast du Lust, heute Nachmittag was zu machen?", fragt er mich mit einem süßen Lächeln. Plötzlich bricht es ein bisschen. "Also, mit mir meine ich."

Jetzt grinse ich wieder. Ich will ihm schon antworten, als sich ein Mädchen in mein Gesichtsfeld schiebt und Cole unvermittelt einen Kuss auf die Wange drückt.

"Hallo Coco!", begrüßt sie ihn und schnappt sich seine Hand, die gerade noch meine hielt. Mein Herz schlägt jetzt schmerzhaft schnell. Mein Grinsen ist sowieso schon verschwunden und von einem grimmigen Blick ersetzt worden.

Außerdem: Coco? Wie bescheuert können Spitznamen eigentlich sein?

Gerade so kann ich mir ein abschätziges Schnauben verkneifen. Noch schlimmer wird es, als sie beginnt, Coles Arm auf und abzustreichen.

Bei genauerem Hinsehen erkenne ich sie sogar wieder. Langes, schwarzes Haar, perfekt geformtes Näschen, leuchtende Augen. Das Mädchen, mit dem Cole auf der Party geflirtet hat, als ich in ihn reingelaufen kam.

"Anscheinend hast du schon was vor, Coco.", antworte ich Cole kühl auf seine Frage von vorhin. Soll er doch mit seiner Kleinen hier Spaß haben.

Ich habe stattdessen Spaß mit dem Chaos in meinem Spind, als ich mich wegdrehe und meine Bücher zu suchen beginne.

"Lass uns gehen, ich will nicht zu spät kommen.", bittet das Mädchen den Jungen, den ich schon mein ganzes Leben lang kenne.

Dieser schüttelt ihre Hand ab und murmelt:"Ja, ich komm gleich okay? Warte noch kurz bitte."
Sie verdreht die Augen, verschwindet aber. Zumindest ein paar Meter weit.

"Lee, bitte machen wir heute Nachmittag was zusammen. Bitte." Cole versucht, mich dazu zu bringen ihn anzusehen, aber ich schaue nicht hin. Scheiß Tag. Scheiß alles.

"Bitte?", versucht er es nochmal.

Ich kann einfach nicht nicht hinsehen. Schnell wende ich meine Augen zu ihm. Dieses Hin und Her macht mich noch wahnsinnig.

"Wenn du willst, treffen wir uns nach dem Unterricht vor der Schule, wie früher, gut?" Fragend sieht er mich an. Zur Antwort, dass ich ihn verstanden habe, nicke ich ein paar Mal leicht.

Ich will einfach nur mehr schlafen.
Wie kann alles gut sein und in der nächsten Sekunde... so?

Unschlüssig steht Cole vor mir. Will er mich umarmen? Whatever.

"Also bis dann?", fragt er. Ich nicke wieder. Bevor er geht, fügt er noch etwas hinzu. "Ach ja, dich beobachtet jemand."

Mit dem Kopf nickt er in Richting Gang. Und dort steht wirklich jemand und folgt jeder meiner Bewegungen.

Josh.

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