Die nächsten paar Stunden verbringe ich damit, über Cole nachzudenken oder ihn - in unseren gemeinsamen Stunden - unauffällig zu beobachten.
Kurz: seit er wieder in mein Leben hineingepurzelt ist, beschäftigt er mich fast durchgehend.
Im Unterricht sitzt er zwei Reihen vor mir, und ich sehe nur seinen Nacken, seine Haare, die etwas zu lang sind.
Schon früher waren sie immer eine Spur zu lang.Manchmal, wenn ich ihn ansehe, erinnere ich mich an uns als Kinder. Unzertrennlich, damals.
Fast jeden Tag nach der Schule spielten wir miteinander. Einen besten Freund zu haben, der in derselben Straße wohnt, ist ziemlich praktisch.
Das einzige, das an unserer Freundschaft richtig scheiße war, waren unsere Väter. Meiner konnte seinen nicht ausstehen, obwohl sie sich irgendwie schon immer ähnlich sind.Richtige Männer, harte Kerle und der ganze Dreck. Froh, wenn man sich prügelte, sogar schon als sechsjähriger Knirps, dann musste es nicht der Vater erledigen.
Doch Cole und ich haben uns nicht geprügelt, zumindest nicht heftig. Meistens legten wir uns mit den anderen Kids in der Neighbourhood an.
Cole und ich wohnten zwar in derselben Straße, doch mit unserem Haus endete der "reiche" Teil der Nachbarschaft. Hinter seinem Zuhause herrschten andere Regeln.
Mein Vater sagte immer, mit Coles Familie begann der Abschaum der Stadt, doch das kümmerte mich nicht.Sobald jemand von den älteren Kindern unserer Straßen Cole oder mich angriff, prügelten wir uns oder spielten Streiche. Der ganze Kinderkram eben.
Wir gegen den Rest der Welt.
Meistens verprügelten mich die anderen - den Loser, zu klein, weinte, sobald man mich in den Dreck stieß - und Cole rettete und beschützte mich. Egal wie groß oder gefährlich die Angreifer waren, er nahm es auf sich.
Das änderte sich, als er wegzog.
Ich wurde noch immer in den Dreck gestoßen, aber niemand hob mich mehr auf.Ich werde von der Seite unauffällig angestupst.
"Oleander, wie oft muss ich meine Frage noch wiederholen?", unterbricht unser Mathematiklehrer meine Gedanken seufzend.
Ich bemerke erst jetzt, dass ich wohl schon ewig aus dem Fenster starre.
"Entschuldigung, wie bitte?", nuschle ich und wende mich zur Tafel. Die Klasse kichert. Noah neben mir will mir eine Antwort zuflüstern, doch es wird schon jemand anderer drangenommen.
"Puh, gut, dass du mich nicht verstanden hast, meine Antwort war sowieso falsch.", murmelt Noah leise lachend. "Sag mal, alles okay?"
Jetzt sieht er mich eher besorgt an. Ich schüttle den Kopf, um die Erinnerungen zu vertreiben.
"Alles gut, bin nur etwas neben der Spur.", antworte ich mit einem entschuldigenden, halben Lächeln.
"Ich weiß, was dich wieder in die Spur zurückbringt. Vorher in der Pause hab ich zufällig mit Cassius getratscht, und er hat mich zu seiner Party am Wochenende eingeladen.", erzählt er mir mit einem Grinsen.
Ich bin verstört. Cassius' Partys geraten fast immer völlig aus dem Ruder. Einmal hat er sogar sein Auto zu Schrott gefahren, als er auf dem Nachhauseweg war. Von seiner eigenen Party. Die bei ihm zu Hause stattfand.
"Alter, meinst du das ernst?", entgegne ich flüsternd. "Da gerate ich eher noch mehr aus der Spur."
"Falls du das mit seinem Auto meinst, das ist schon ewig her. Außerdem habe ich gehört, dass Coley auch eingeladen wurde." Zu diesen Worten wackelt er so dämlich mit seinen Augenbrauen, dass er mich fast zum Lachen bringt.
Vielleicht liegt es aber auch an der Aussicht, dass Cole womöglich zu der Party kommt und mich das schon jetzt seltsam fröhlich macht.Bis ich über andere mögliche Partygäste nachdenke. Sofort wird mein Inneres wieder kalt.
"Vermutlich ist auch Josh eingeladen. Plus Begleitung.", sage ich kühl.
Noah verzieht mitleidig die Stirn. "Ich weiß. Tut mir leid. Aber ich will trotzdem gern hin. Es gibt da so ein Mädchen..", erklärt er vage und sieht mich bittend an. "Und ich würde mich freuen, wenn ich nicht allein dort auftauche."
Natürlich kann ich da nicht nein sagen.
Innerlich wappne ich mich schon mal. Und seltsamerweise freue ich mich sogar ein bisschen.Als ich nach dieser Stunde aus dem Klassenzimmer trete, lehnt jemand an der Wand und stoßt sich ab, sobald ich die Schwelle überschreite.
Cole."Irgendwie verfolgst du mich, oder?", frage ich ihn leicht lächelnd, das Kribbeln in meinem Inneren ignorierend.
Er lächelt zurück und geht in dieselbe Richtung wie ich. "Wollte nur sichergehen, dass du sicher nach draußen findest." Ich lache auf.
"Und ich wollte sichergehen, dass du Freitagabend zu der Party kommst.", fügt er zwinkernd hinzu. Irre ich mich oder sieht er mich etwas flirtend an?
"Vermutlich komme ich. Denke ich.", antworte ich vage mit einem leichten Schulterzucken.
"Cool. Ich werde auch dort sein, wenn du dort bist." Schon wieder dieses Grinsen.
Plötzlich dreht er sich, immer noch grinsend, um und geht in die Gegenrichtung davon. Ich drehe mich ebenfalls um und sehe ihm nach, während er eine Hand zum Gruß nach oben streckt.
Quer über den Schulflur ruft er mir über seine Schulter zu:"Bis dann, Partyboy!" In seiner Stimme höre ich sein unwiderstehliches Grinsen.
Ich komme ganz sicher.
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boy stories
Teen FictionEr war die Art von Freund, mit der man Astronaut spielt, mit der man zum Mond fliegt, in einem selbst gebastelten Raumschiff. Ein Freund, mit dem man nachts Glühwürmchen fängt und sie freilässt, damit sie zu Sternen werden können. Mondgesicht x Ste...