eins

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Ich lasse mein Herz erfrieren.

Es tut weh jemanden zu sehen, den man liebt, mit jemand anderem an seiner Seite. Vor allem, wenn dieser andere ein Mädchen ist und nicht du.

Well, fuck.

Das denke ich mir, als ich an meinem Spind stehe und ihn an mir vorbeigehen sehe, einen Arm um seine wunderschöne Freundin und verliebt lächeln sich die beiden an.
Ich möchte kotzen.

Und trotzdem muss ich die beiden anstarren - obwohl, nein, nur von ihm kann ich den Blick nicht losreißen.

Als würde er spüren, dass ich ihn beobachte, wendet er sein Gesicht, sein wunderschönes Gesicht in meine Richtung.

Für den Bruchteil einer Sekunde treffen sich unsere Blicke und ich weiß, dass er mich nicht einfach vergessen hat, so wie er es eigentlich behauptete, nachdem das mit uns vorbei war.

Sein Lächeln weicht einem bedauernden, verletzten, traurigen Ausdruck auf den Lippen.
Oh Gott, ich darf nicht an seine Lippen denken.

Ich sehe weg und schaffe es erst wieder, auf den Schulflur zu blicken, als er weg ist.
Mit seiner verfluchten Freundin.
Das neue perfekte Pärchen der Schule.

Eine Person knallt vor mir an die Spinds und reißt damit meine Aufmerksamkeit an sich.

"Joshua Thackeray mit Julia Meyer. Wann ist das denn passiert? Mein Freund, die Welt gerät aus den Fugen."

Schief grinsend steht Noah vor mir und sieht mich an, als hätte ich die passende Antwort. Oder die Rettung vor diesem Weltuntergrang.

"Tja, du könntest eine Arche bauen.", entgegne ich meinem besten Freund wenig kreativ. Ich glaube, in den letzten fünf Jahren unserer Freundschaft hab ich jeden Arche-Noah-Witz gebracht, der mir eingefallen ist.

Aber mit meinem Namen kann man eben mindestens doppelt so viele Scherze machen. Darf ich vorstellen, Oleander van Allen, der Erste und hoffentlich Letzte meiner Art.

"Ja ist gut Lee, ich weiß das ist scheiße. Ich hatte auch schon mal Liebeskummer.", antwortet mir Noah.

Etwas bedauernd sieht er mich an. Er weiß Bescheid. Seit er mich und ihn auf einer Party im letzten Herbst in einer Abstellkammer beim Rummachen erwischt hat.

Aber im Gegensatz zu meinem Vater hat Noah nicht reagiert. Also einfach echt kein bisschen. Für ihn ist das total normal. Er hat es einfach als einen anderen Teil von mir akzeptiert, genau so wie die Art, wie ich meine Pizza esse oder so.

"Ich hab keinen Liebeskummer.", sage ich mürrisch und schlage meine Spindtür zu.

Noah sieht mich an, als würde er mir kein Wort glauben.
"Tja, da ich weiß wie offen du Gefühle zeigst, kann ich dir sagen: Du redest Scheiße."

Er lacht und lässt das Thema damit gut sein. Dafür bin ich ihm ziemlich dankbar, und außerdem hat er Recht. Meistens weiß er, wie ich denke und was ich fühle, bevor ich es selbst realisiert hab.

"Ach übrigens, wie war dein Weihnachten? Und wie wars mit deinem Herrn Vater?" Bei den letzten Worten seiner Frage reißt er kurz vor gespielter Angst seine Augen auf.
Obwohl, bei meinem Vater vielleicht nicht mal gespielt.

"Tja, er hat es scheiße aufgenommen, aber damit hab ich gerechnet. Ich bin eher ziemlich erleichtert, dass es jetzt alle wissen. Meine Geschwister waren alle da. Und James' Freundin. Meinem Vater blieb fast das Crème brûlée im Hals stecken."

Die Vorstellung davon bringt uns beide zum Lachen.

Fast stoßen wir in eine Gruppe Mädchen, die aufgeregt miteinander tratschen. Mittendrin sehe ich meine Zwillingsschwester Liv.

Ich lächle und winke leicht, aber sie sieht mich mit einem besorgten Stirnrunzeln an.

Verdutzt will ich auf sie zugehen, aber sie wird von ihrer Gruppe weitergezogen, bevor ich auch nur ihren Namen sagen kann.

Noah ist schneller als ich und ruft ihr ein "Bis dann, Liv!" hinterher.

Ich sehe Noah mit einem Stirnrunzeln an. "Irgendwas ist mit ihr."

"Heute oder in letzter Zeit? Mir ist nichts aufgefallen." Noah dreht sich noch einmal um, aber Liv ist schon lange den Flur hinunter.

Normalerweise traue ich keinem ein Urteil über den Zustand meiner Schwester zu, das halbwegs der Wahrheit entsprechen könnte.
Aber da Noah seit dem
Beginn unserer Freundschaft vor fünf Jahren praktisch bei uns wohnt, glaube ich seinem Urteil für gewöhnlich.

"Nein, sie war besorgt oder so."

Zum Glück ist Noah nicht einer dieser Idioten, die auf diese Feststellung sowas sagen wie Sie ist ja schließlich auch ein Mädchen, die jammern nunmal.
Solche Typen gibt es in dieser Schule genug, weshalb mein engerer Freundeskreis auch nur aus zwei Personen besteht, inklusive mir.

"Fragen wir sie einfach später, ich wollte heute nach der Schule sowieso zu dir. Oh Mist, hab ich ganz vergessen, heute kann ich nicht. Muss arbeiten."

Mittlerweile sind wir fast bei unserer Klasse angelangt.

Schon wieder kommt uns eine Gruppe von Schülern entgegen, eigentlich hauptsächlich Schülerinnen, die sich fast vor aufgeregten Worten überschlagen. Ein paar sehen sich suchend um.

"So viele nervöse Kiddies heute. Liegt das an dem neuen Pärchen oder was?", kommentiert Noah die tratschende Schülergruppe.

Ich will gerade den Mund zu einer Antwort aufmachen, als alles in mir zu Eis erfriert.

Weil ich ihn sehe.

Nicht ihn ihn wie Joshua, dieser verräterische, Ufer-wechselnde Idiot.

Sondern ihn, wie Nicolas Somerville.

Früherer Nachbar.
Beschützer und Beschützter.
Bester Freund.

Seelenverwandter.

Cole.

Und mein erfrorenes Herz explodiert.

Hallo Menschen, wie findet ihr es bis jetzt? Ich hab keine Ahnung, ob nicht alles, was ich schreibe, einfach Scheiße ist. Tjaa wie gefällts euch so?
Danke übrigens fürs Lesen :)
nono

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