37. Kapitel

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"Und du bist dir sicher, dass du mit mir kommen willst?", fragte Tiamat von Neuem und sah zu, wie Elraya ihr Schwert sicher befestigte und anschließend in ihre Drachenform schlüpfte.
"Ja, ich bin mir sicher. Ich bin schließlich auch ein Drache, genauso sehr wie ich ein Zweibeiner bin. Und hier... habe ich nichts mehr."
Tiamat folgte ihrem Blick hinüber über die blutgetränkten Wiesen bis zum Erebor. Dann seufzte sie schwer. Voller Mitleid berührte sie die Jüngere sanft an der Schulter.
Wir haben beide unsere Herzen verloren.
"Wir werden dir dankbar sein."
"Wir?", hakte Elraya verwirrt nach und wandte sich zu ihr um.
Tiamat schnaubte leise. Sie hatte beschlossen, dass es Zeit für die Wahrheit war. Die Tochter ihres Partners gehörte nun zu ihrem Stamm und der war Tiamat heilig.
"Ich habe dir nicht alles erzählt, was sich im Erebor zugetragen hat. Smaug wird mehr Nachfahren haben, als er dachte", gab sie der Schwarzen einen Hinweis.
Elrayas Augen wurden groß und ihr Rückenkamm stellte sich unbewusst auf, als sie endlich verstand. Sie war ein scharfsinniges Geschöpf, wie Tiamat nicht zum ersten Mal feststellte.
"Du... du erwartest Eier! Aber warum hast du das nicht früher gesagt? Du hättest nicht kämpfen dürfen, das war leichtsinnig von dir! Was wäre, wenn dir etwas passiert wäre?", tadelte Elraya aufgebracht.
"Das sagt die Richtige. Aber lass uns nicht länger darüber streiten. Da ist jemand, der sich von dir verabschieden will", wechselte Tiamat elegant das Thema.
Unbemerkt von Elraya war eine kleine Gruppe über das Schlachtfeld herangekommen. Es waren elf Zwerge, ein Hobbit, drei Menschen, zwei davon ziemlich alt und zwei Elben. Elraya wandte sich ihnen zu und schnaufte überrascht über ihre Ankunft.
"Was wollt ihr? Ich hatte nicht gesagt, dass ich heute aufbreche!"
"Nun, genauer gesagt hast du gar nichts gesagt, meine Liebe", bemerkte einer der alten Menschen in einem grauen Mantel und stützte sich auf seinen Stock. Er lächelte, aber Tiamat spürte seine Trauer. Elraya ließ ihren Blick über die Gruppe schweifen, dann verstand sie und warf Tiamat einen vorwurfsvollen Blick zu.
"Ich verstehe deine Trauer, junger Drache. Aber dennoch ist es falsch, ohne eine Verabschiedung zu gehen. Deshalb habe ich einem Elb gesagt, er solle nach deinen Freunden suchen", erklärte sie sich.
"Da hat sie recht. Wie kannst du nur gehen, ohne dich von uns zu verabschieden! Wir haben dich großgezogen, vergiss das nicht!", blaffte der zweite alte Mensch und schlug mit seinem Stab auf ihre Brust. Elraya brummte leise. Zum ersten Mal seit der Schlacht vor vier Tagen hob sich der Schatten, der über ihr gelegen hatte und sie stupste sanft den ungehobelten Menschen mit der Schnauze an.
"Es tut mir leid, Radagast. Aber du weißt, dass ich dich niemals vergessen könnte. Du bist doch fast so etwas wie mein Vater. Und du auch, Gandalf."
Liebevoll atmete sie den beiden in die Gesichter, dann betrachtete sie die Zwerge. Diese brauchten keine weitere Aufforderung, sie drängten an sie heran und umarmten ihren Kopf, während Elraya leise summte.
"Ich werde dich nie vergessen, Elraya Schattentänzerin. Versprich mir, dass du mich einmal im Auenland besuchst. Meine Tür steht dir immer offen", brabbelte der Hobbit unglücklich und Elraya senkte ihren Kopf auf seine Höhe.
"Ich verspreche es, du unendlich tapferer, guter Kerl. Leb wohl, Bilbo. Achte immer auf den Horizont. Ich werde dich eines Tages besuchen, wenn ich bereit dafür bin."
Als Nächster trat der dritte Mensch vor. Bard. Er verneigte sich lediglich und Elraya erwiderte die Geste, obwohl sie sich nicht sicher war, wie sie über seinen Anteil an Smaugs Tod denken sollte. Dann musterte sie die beiden Elben.
"Legolas, Tauriel. Hat Thranduil euch geschickt?", fragte sie harsch und voller Hass in der Stimme, wobei Tiamat einen Blick auf die silbernen Schuppen an ihrem Vorderbein warf und leise fauchte.
"Nicht nur. Wir wollen Euch unsere Entschuldigung überbringen und Euch für Euren Einsatz in der Schlacht danken. Und wir möchten Euch unser Beileid für Euren Verlust aussprechen", sprach Tauriel respektvoll.
"Mein Vater entschuldigt sich ebenfalls für das, was er Euch angetan hat. Er wird Euch nicht jagen, solange Ihr von seinem Reich fernbleibt", wandte Legolas ein und verneigte sich leicht.
"Sein Reich? Habt Ihr es verlassen?", merkte Elraya auf.
Der Elb zögerte, dann sagte er ausweichend: "So könnte man es nennen."
Tiamat schüttelte sich und richtete sich auf.
"Wenn du bereit bist, brechen wir jetzt auf", verkündete sie und wandte sich Fyrn zu, der in der Nähe saß und zusah. Sie würde ihn tragen, denn er wollte Elraya in ihrem Schmerz nicht allein lassen und Tiamat war größer und sein Gewicht würde ihr nichts ausmachen.
"Passt auf sie auf, Drache", mahnte Radagast Tiamat und blickte lächelnd zu seiner Ziehtochter auf.
"Auf dass wir uns Wiedersehen, Elraya und Tiamat. Denn etwas sagt mir, dass unser Schicksal uns eines Tages wieder zusammenführt", rief Gandalf und Tiamat neigte in seine Richtung den Kopf.
"Sucht nach dem Seemenschen Cliff. Falls er noch lebt, überbringt ihm meinen Abschied", bat sie, dann stieß sie sich vom Boden ab und kreiste, um auf Elraya zu warten.

Die rieb noch ein letztes Mal ihren Kopf an den beiden Zauberern und warf den Resten der Gemeinschaft einen langen Blick zu.
"Haltet die Gräber von Fili... und Kili in Ehren. Der Erebor wird immer ein Teil von mir sein, so sehr ich meine Vergangenheit darin auch vergessen will. Solltet ihr jemals Hilfe brauchen, werde ich kommen", verkündete sie mit schwerem Herzen.
"Wir werden auch das Grab deiner Familie in Ehren halten. Niemals soll es entweiht werden", versprach Balin feierlich und mit Tränen in den Augen. Die Gemeinschaft hatte den Halbdrachen in ihrer Mitte kennen und lieben gelernt und keiner wollte sich von ihr trennen. Aber sie respektierten Elrayas Schmerz und ihren Willen und so ließen sie sie ziehen.
"Leb wohl, Elraya. Und verzeih meine Worte vor der Schlacht. Das war die Drachenkrankheit. Du wirst hier immer willkommen sein", verabschiedete sich Thorin im Wissen, dass sie alles verloren hatte und er daran ebenfalls Schuld trug.
"Ich habe dir verziehen, Thorin. Führe dein Volk so wie du die Gemeinschaft geführt hast. Du wirst ein großer König werden."
Mit einem letzten Flammenstoß über ihre Freunde hinweg schwang sich Elraya in die Luft und glitt hinauf zu Tiamat. Seite an Seite drehten die beiden ab und glitten davon. Die Herzen aller, die ihnen nachsahen waren mit Ehrfurcht erfüllt. Auf in ein neues Leben mit einer neuen Familie. Einer Drachenfamilie. Vielleicht kann ich jetzt endlich Frieden finden, dachte Elraya und betrachte die Landschaft, die unter ihr dahinzog. Ihre alte Abneigung gegen ihre Drachengestalt war restlos verschwunden. Das war nunmal sie, halb Zweibeiner, halb Drache. Es gab keinen Grund mehr, sich selbst zu hassen.
Leb wohl, Kili. Ich liebe dich. Eines Tages sehen wir uns wieder.

Jetzt fehlt nur noch der Epilog. Das Kapitel zu schreiben war wirklich teils unendlich traurig und teils seltsam glücklich. Ich hoffe, ihr fandet es genauso und dass ihr noch bis zum Epilog durchhaltet.

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