8. Kapitel

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Gelangweilt gähnte Tiamat, dann richtete sie sich auf. Seit einer Woche war sie nun schon in diesem Berg und hatte bisher fast nur geschlafen. Smaug hatte ihr jeden Morgen seine Jagdbeute gebracht und sie mit Komplimenten überhäuft und sie fühlte sich überaus wohl damit. Wenn es nach ihr ginge, würde es immer so sein. Allerdings sehnte sie sich inzwischen danach, wieder zu fliegen. Smaug hatte darauf nicht sehr gut reagiert. Als sie ihm mitgeteilt hatte, dass sie eine Runde fliegen wolle, hatte er sie angewiesen, im Berg zu bleiben. Das wiederum ging Tiamat gegen den Strich und sie ignorierte ihm seitdem. Aber jetzt wollte sie unbedingt wieder durch die Lüfte gleiten, den Boden unter sich kleiner werden sehen und den Vögeln zeigen, wer die wahre Herrin des Himmels war. Smaug würde ihr das nicht nehmen. Sie verstand ohnehin nicht, wie er den ganzen Tag auf seinem Gold liegen konnte ohne sich nach dem Fliegen zu sehnen. Kurzentschlossen machte Tiamat sich auf den Weg zum Ausgang. "Ich gehe meine Flügel strecken", informierte sie Smaug knapp, der wie immer mit halb geschlossenen Augen auf seinem Gold lag. Er schnaubte nur verächtlich. Hoch erhobenen Hauptes verließ sie den Berg und schwang sich sofort in die Lüfte. Der Wind strich über sie hinweg und das Licht glitzerte auf ihren Schuppen. Glücklich brummte Tiamat und schloss einen Moment lang die Augen. Dann schraubte sie sich hoch über den Berg und kreiste einen Moment lang. Es war noch früh und um den See lag ein undurchdringlicher Nebel. Nebel hatten sie schon immer fasziniert. Tiamat kreiste immer tiefer, bis sie am Seeufer landete. Sie konnte kaum ihre eigenen Beine sehen. Sie trat ans Wasser und trank, als ein leises Plätschern sie aufstörte. Neugierig folgte sie dem Geräusch am Ufer entlang, bis sie einen Zweibeiner in einer gebogenen Holzschale ausmachen konnte. Sie dachte an Smaugs Worte und witterte. Fisch und Dreck. Also ein Mensch von der anderen Seite des Sees, entzifferte sie den Geruch. Der Mensch stieg aus dem Ding und schob es an Land. Was will er hier? Smaug hatte oft erzählt, dass die Zweibeiner ihn so sehr fürchteten, dass sie sich nicht hierher wagten. Der Mensch sah sich um, sie konnte seine Angst riechen. Und dann begann er am Ufer entlang zu laufen. Er schien nach etwas zu suchen. Eine Weile sah Tiamat ihm zu, dann hatte sie eine Idee. Sie duckte sich tief auf den Boden, sodass er sie im Nebel für einen großen Felsen halten würde, und sprach in seinen Geist. "Was sucht ein Mensch auf dieser Seite des Sees?" Sie versuchte möglichst sanft und freundlich zu klingen, dennoch stieß er einen erschrockenen Schrei aus und sah sich panisch um. "Wer spricht da?", fragte er mit zitternder Stimme. "Ich werde dir nichts tun. Ich bin Tiamat, ich wollte dich nicht erschrecken", versuchte sie ihn zu beruhigen. "Ist das Smaug? Ist das ein Drachenzauber?", wollte der Mensch angstvoll wissen. "Mach dir keine Sorgen, ich werde dir nichts tun", versuchte sie es wieder und ärgerte sich, dass die Drachensprache bei Menschen nicht funktionierte, sonst hätte sie es damit versucht. "Ich... ich bin hier um Kräuter zu suchen. In der Seestadt erkranken viele alte Menschen an einer schweren Krankheit. Hier drüben wächst das einzige Heilmittel", erklärte sich der Mensch zitternd. Tiamat musterte ihn durch den Nebel. "Du bringst dich in Lebensgefahr, um deinen alten Artgenossen zu helfen?", fragte sie verwundert. Der Mensch nickte. "Ich bin Cliff, ein Fischerssohn. Ich bin der einzige, der sich traut nach dem Heilmittel zu suchen. Und selbst ich komme nur nachts oder in tiefem Nebel her, damit Smaug mich nicht entdeckt", berichtete Cliff, jetzt etwas mutiger. "Du solltest nicht nachts kommen. Drachen sehen gut im Dunkeln", warnte sie. Cliff stierte in den Nebel hinein. "Woher wisst Ihr das?", fragte er misstrauisch. Tiamat zögerte. Sollte sie sich zeigen? "Schwöre, dass du niemandem etwas hiervon erzählst", bat sie. Eine ganze Weile lang schwieg Cliff, dann seufzte er. "Warum nicht. Ja, ich schwöre." Tiamat zögerte noch ein wenig, doch dann erhob sie sich und trat direkt vor Cliff. Der sah im ersten Moment nur einen großen Schatten, doch dann erkannte er, dass da ein Drache vor ihm stand. Er schrie auf und fiel nach hinten. Goldene Augen blickten auf ihn herab. "Fürchte dich nicht, Cliff. Ich habe nicht vor, dir etwas anzutun. Ich bin Tiamat, die Goldene und lebe derzeit in Smaugs Berg, aber ich teile seine Gier nicht und sehe nicht ein, warum er von dir erfahren sollte. Ich werde dir nichts tun", stellte sie sich vor. Cliff wimmerte. Enttäuscht trat sie zurück. "Vielleicht hätte ich dich einfach in Ruhe lassen sollen. Es tut mir leid", sagte sie und wandte sich ab. Aber Cliff war ein mutiger Junge und diese Worte machten ihn neugierig. Er glaubte sowieso nicht an Drachenmagie. "Warte!", rief er. Tiamat drehte den Kopf und sah auf ihn hinunter. "Hast du... hast du vielleicht eine rote, sternenförmige Blüte gesehen? Das ist das Heilmittel", murmelte er schüchtern, aber Tiamats gute Ohren verstanden ihn trotzdem. "Diese?", fragte sie und senkte den Kopf auf einen Stein hinab, neben dem eine rote Blüte wuchs. Dieser Anblick ließ Cliff seine Angst vollständig vergessen. "Ja! Danke!" Eifrig eilte er hin und pflückte die Blüte ab. Tiamat sah ihm zu. "Ich wusste nicht, dass Zweibeiner so klug sind, dass sie sich mit Heilmitteln auskennen. Und dass sie sich um ihresgleichen sorgen", bemerkte sie. "Nun ja, das tut auch nicht jeder. Aber im Allgemeinen scheinst du wenig von uns Menschen zu wissen", antwortete Cliff und sah zu ihr auf. Er lächelte und dieser Anblick berührte Tiamat. Sie mochte Cliff. Wer hätte gedacht, dass ein Drache jemals so freundlich mit einem Menschen sprechen würde? "Der Nebel lichtet sich. Ich sollte gehen", stellte Cliff fest und machte sich auf den Weg zurück zum Wasser. Aber Tiamat wollte mehr von Menschen erfahren. "Kommst du wieder?", rief sie ihm nach. Cliff hielt inne. Doch dann musste er lächeln. Dieser Drache hatte ihm die Pflanze gezeigt und ihn nicht bedroht. Von ihr ging keine Gefahr aus. "Ich denke schon. Wenn wieder Nebel aufzieht", antwortete er. "Ich werde dich dann hier treffen. Und ich werde Ausschau nach deinem Heilmittel halten", versprach Tiamat. Cliff schob seine Holzschale wieder ins Wasser und winkte ihr. "Danke! Bis dann!", rief er unbekümmert, dann trieb er langsam davon.

Da hat Tiamat doch tatsächlich Freundschaft mit einem Menschen geschlossen! Wie Smaug wohl darauf reagiert, wenn er es herausfindet? Über Feedback freue ich mich immer! :p

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