2. Kapitel

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Langsam glitt Tiamat über den blauen Himmel. Der Wind strich über die goldenen Schuppen des Drachen und rauschte unter ihren gewaltigen, ledrigen Schwingen. Sie war ein großer Drache und wahrlich beeindruckend und schön, mit schlankem Kopf und großen, einander überlappenden Panzerplatten im Nacken. Ihre Augen strahlten wie reines Gold und suchten den fernen Boden nach einer Möglichkeit zu landen ab. Schon seit Stunden war sie in der Luft und ermüdete langsam. Träge schnappte sie nach einem vorwitzigen Vogel, der ihren Weg kreuzte. Kreischend floh er. Tiamat brummte und genoss das Gefühl der Freiheit. Bis sie sich an ihre Einsamkeit erinnerte. Drachen konnten gern und lange allein leben, aber Tiamat hatte bis auf ihre Drachenmutter nie einen anderen Drachen gesehen und sie lebte schon lange. Sie hatte beschlossen sich auf die Suche nach Artgenossen zu machen, weshalb sie jetzt schon seit Wochen unterwegs war. Von weit im Osten kam sie, sie suchte nach dem kleinsten Zeichen eines anderen Drachen, doch bisher hatte sie nichts gefunden. Wo sollte sie denn noch suchen? Frustriert knurrte sie und schlug mit der Vordertatze in die Luft. Wo, wo? Es müssen doch noch an irgend einem Ort in diesen Landen Drachen existieren! Sie können nicht alle verschwunden sein! Oder doch? Die Endgültigkeit dieses Gedanken brachte sie dazu, in den Sinkflug zu gehen. Anmutig landete sie mitten in der Heide dieser weiten, offenen Landschaft. Müde und frustriert legte sie sich hin und legte ihren Kopf auf den Boden. Sollte ihre Art wirklich ganz verschwunden sein, endgültig ausgelöscht von Zweibeinern und dem Wüten des Dunklen Drachenkrieges, von dem ihre Drachenmutter immer gesprochen hatte? Sollten die Drachen wirklich für immer vom Antlitz der Welt verschwunden sein, nur noch in Legenden existieren, die Zweibeinermütter ihren Jungen erzählten? Sie schloss erschöpft die Augen und dachte an ihre Hoffnungen zurück, als sie sich auf den Weg gemacht hatte. Sollte alles vergebens sein? Nein. Nein, das war es sicher nicht. Sie war ein Drache, ein stolzes Geschöpf. Sie war Tiamat, die Goldene. Sie würde nicht aufgeben! Sie rappelte sich auf und sah sich um. In der Ferne konnte sie einen Wald ausmachen. Nun, ein wenig Fleisch kann nicht schaden, überlegte sie und schwang sich von neuem in den Himmel. Mit aus Entschlossenheit geborener Kraft flog sie hinüber zum Wald und kreiste dort. Bald konnte sie einen Hirsch ausmachen, der über eine Lichtung sprang. Sofort zog sie die Flügel enger an den Körper und stürzte in die Tiefe. Kurz über dem Boden öffnete sie die Flügel wieder weit und streckte die Klauen vor. Der Hirsch erkannte die Gefahr und versuchte zu fliehen, aber Tiamat war schneller. Sie packte ihre Beute, riss sie vom Boden und tötete sie mit einem schnellen Biss. Zufrieden landete sie am Waldrand und ließ sich nieder, um ihre Beute zu verspeisen. Als sie satt war rollte sich zusammen und sank in einen tiefen Schlaf.

Es war dunkel. Tiamat konnte kaum etwas erkennen. Sie stand in der Dunkelheit und wusste nicht was sie tun sollte. Sie öffnete ihr Maul, doch kein Feuer drang heraus. Es war erloschen! Das war ihr noch nie passiert. Nervös tat sie ein paar Schritte, hielt dann jedoch inne. In der Dunkelheit hörte sie etwas, eine Stimme in ihrem Kopf. Die Stimme ihrer Mutter. "Nein, Tiamat, so geht das nicht. Wasser kann Feuer löschen, aber Drachenfeuer ist heißer und wütender als jede andere Flamme. Wasser kann sie nicht erlöschen lassen." Verwundert sah Tiamat sich um, konnte aber nichts sehen. Wo war ihre Drachenmutter? Warum kamen ihr diese Worte so bekannt vor? "Warum kannst du dann nicht mehr Feuer speien?" Das war ihre eigene Stimme. Tiamat kam es seltsam vor, ihre eigene Stimme zu hören, wenn auch hoch und piepsig, da sie noch jung zu sein schien. Und dann wurde ihr klar, dass dies eine Erinnerung sein musste an ihre Jugend. "Das hat andere Gründe", antwortete ihre Drachenmutter ausweichend. Tiamat drehte den Kopf und glaubte gelbe Augen in der Düsternis zu sehen. "Welche?" "Also gut, Tiamat, ich erkläre es dir. Drachenfeuer kann nicht durch Wasser oder Wind gelöscht werden, solange es in dir ist. Nur Zweibeinerzaubereien oder böse Drachenzauber können das bewirken, aber Drachen können auch innerlich Schäden nehmen. Drachen, deren Geist gebrochen ist, deren Feuer erlischt. Meist für immer", tiefer Schmerz klang in der Stimme ihrer Drachenmutter mit und brachte Tiamat zum Seufzen. Damals hatte sie nicht verstanden wie irgendjemand oder irgendetwas den Geist eines Drachen brechen konnte. Heute konnte sie es nachvollziehen. Ihre Drachenmutter war die letzte eines alten, mächtigen Clans gewesen. Er war in den Dunklen Drachenkriegen ausgelöscht worden. Tiamats Drachenvater, ihre älteren Geschwister und die Eier ihrer Schlupfgeschwister waren an diesem Tag getötet und zerstört worden, genau wie ihre Heimat.

Tiamat öffnete die Augen. Der Traum hatte sie mit tiefer Trauer erfüllt. Es schien ihr Schicksal zu sein, die letzte eines einst mächtigen Volkes zu sein, auf ewig dazu verdammt allein zu sein und nach Artgenossen zu suchen, die nicht da waren. Sie erhob sich und schaute in die Ferne. Sollte sie weitersuchen, oder sollte sie sich ein Heim suchen, in dem sie den Rest ihres einsamen Lebens verbringen sollte? Da sah sie etwas. Neugierig betrachtete sie einen braunen Kasten am Waldrand. War das eine Zweibeinerhöhle, vor der sie ihre Drachenmutter gewarnt hatte? Neugierig trabte sie hin und senkte den Kopf, um durch ein Loch hinein zu schauen. Sie sah seltsame Gegenstände und schnaufte verwirrt. Was war das alles? Ein hoher Schrei, der ihr in den Ohren schmerzte, ließ sie sich umdrehen. Da stand ein Zweibeiner in Tierfellen mit einem komischen Ding voller Beeren in den haar- und schuppenlosen Vorderbeinen und starrte sie an. Dann schrie er erneut, ließ den beerengefüllten Gegenstand fallen und versuchte wegzurennen, doch Tiamat packte ihn hastig mit einer Tatze und drückte ihn zu Boden. "Smaug, bitte friss mich nicht!", wimmerte er in der Sprache, die die meisten Wesen Mittelerdes sprachen. Tiamat legte den Kopf schief. "Wer oder was ist Smaug?", wollte sie wissen. Der Zweibeiner erstarrte. "Bei allen Göttern! Er ist in meinem Kopf!", kreischte er. Tiamat wurde ungeduldig und fletschte drohend die Zähne. "Wer oder was ist Smaug?", wiederholte sie ihre Frage. "S-smaug is-st ein Dra-drache! Er lebt d-dort! Am einsamen Berg!", stotterte der Zweibeiner zitternd und wies Richtung Westen. Tiamats Augen wurden groß und sie spürte neue Hoffnung. Ich bin doch nicht allein!

Wer von euch hat geahnt, dass die zweite Hauptperson ein Drache ist? Schreibt's in die Kommentare! ^^ Über Rückmeldung würde ich mich sehr freuen! Das Bild soll Tiamat darstellen.

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