25. Kapitel

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Tropf. Tropf.
Mit einer merkwürdigen Leere in ihrem Herzen lauschte Tiamat auf das Blut der Bergziege, die Smaug ihr gebracht hatte. Langsam tropfte es in eine Blutpfütze auf dem Höhlenboden. Sie lag zusammengerollt gegenüber von Sarnira und starrte sie an. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Smaug brachte ihr immer mal wieder etwas zu fressen, nachdem er gesehen hatte, dass sie nicht noch einen Fluchtversuch unternahm. Sie hatte keine Kraft dazu. Sie wollte eigentlich nicht hier liegen und die tote Partnerin dieses... dieses Monsters beobachten, aber sie konnte nicht anders. Ununterbrochen dachte sie nach. Sie hatte noch einen Traum gehabt. Er war aber sehr seltsam gewesen. Sie hatte eine Zweibeinerin gesehen. Alles war dunkel gewesen, nur ein Stein um den Hals der Zweibeinerin hatte Licht ausgestrahlt. Es war der zerbrochene schwarze Stein Sarniras gewesen. Seither lag Tiamat hier und starrte den toten Drachen an. Würde sie auch so enden? Vielleicht würde sie ja einfach hier zugrunde gehen, vergessen von der Welt. Der letzte freie Drache, durch Morgoths Werk zerstört. Ich muss... ich muss stark bleiben... Verzweifelt rollte sie sich enger zusammen. Sie hatte schon längst verstanden, dass sie nicht mehr nur an sich selbst denken konnte. Aber das war so schwer... Langsam hob sie den Kopf und sah Sarnira an. Mit einem Mal wusste sie, was sie tun musste. Ich muss mein Leben leben, weit weg von Smaug. Aber davor muss ich noch etwas tun... Ich schwöre dir, Sarnira, ich werde dein Werk vollenden und deine Tochter finden und vor ihm beschützen. Elraya ist noch am Leben, glaube ich. Ich werde sie finden. Und dann werde ich Smaug verlassen. Für immer.

Elraya kroch hustend aus ihrem Fass und rappelte sich mühsam auf. Sie waren bis ans Ufer des Sees vor dem Erebor gespült worden. Die Nähe zu ihrem Vater machte ihr Angst. Sie hatte Fyrn gebeten, um den See herumzulaufen und auf der anderen Seite auf sie zu warten, weit weg von den Menschen der Seestadt und von Smaug. Sie humpelte hinüber zu Kili und kauerte sich neben ihn. "Ist alles in Ordnung?", fragte sie und deutete auf die Pfeilwunde in seinem Bein. "Das sollte ich eigentlich dich fragen", bemerkte Kili mit einem schwachen Lächeln. Er sah ihr tief in die Augen, worauf sie seinem Blick leicht verunsichert auswich. Eine Warnung von Dwalin ließ die beiden aufblicken. Über ihnen auf einem Stein stand ein Mann aus der Seestadt, einen gespannten Bogen in der Hand. Elraya richtete sich schnell auf, der Mann schoss rasch einen Stein aus Kilis Hand und einen Pfeil in ein Holz, das Dwalin hielt. "Tut das nicht noch mal!", warnte er. Elraya legte eine leicht zitternde Hand auf Mor'ranrs Heft und starrte zu ihm hinauf. Sie war definitiv nicht in der Verfassung zu kämpfen, würde es aber trotzdem tun, wenn nötig. "Sagt wer?", fragte sie herrisch. Der Mann sah zu ihr hin. "Bard aus Esgaroth. Wer fragt?" Stolz hob sie den Kopf und verfluchte ihre nasse Kleidung und ihre Schwäche. "Elraya Schattentänzerin", antwortete sie ihm. Bard musterte sie von oben bis unten, dann ließ er den Bogen sinken und wandte sich ab. "Und was tut ihr hier?", wollte er wissen, während er zu einer Barke lief, die, hinter dem Felsen verborgen, vertäut lag. Die Zwerge und Elraya folgten ihm. Er könnte uns schnell über den See bringen, die Barke ist groß genug. Anscheinend hatte Thorin dem gleichen Gedanken gehabt wie sie, denn er winkte Balin zu sich und begann, mit dem Mann zu verhandeln. Elraya achtete nicht auf das Gespräch, sondern setzte sich etwas abseits auf den Boden. Bilbo gesellte sich zu ihr. "Geht es dir besser?", wollte er besorgt wissen, als er sich neben sie setzte. "Besser, ja. Gut, nein", entgegnete sie müde. Nachdenklich starrte sie auf den Boden. "Das hast du wirklich gut gemacht, in Thranduils Reich", sagte sie nach einem kurzen Moment des Schweigens. "Danke", murmelte der Hobbit dankbar und betrachtete verlegen seine übergroßen Füße. Lächelnd beobachtete sie ihn. Sie hatte den kleinen Kerl wirklich ins Herz geschlossen. "Kommt! Bard nimmt uns mit!", rief Thorin da. Seufzend erhob die Halbdrachin sich und folgte den Zwergen auf die Barke, wo sie sich am Rand niederließ und in das dunkle und eisige Wasser blickte. Ihre eigenen Augen, unnatürliche, blaue Tiefen, starrten ausdruckslos zurück. Ein Schatten fiel über sie, als sich Kili neben sie setzte. Zu ihrer Überraschung nahm er sanft ihren Arm und schob ihren Ärmel hoch, sodass er das dünne Band silberner Schuppen sehen konnte, das sich darum wand. "Es ist noch da", stellte er fest, strich mit einem Finger darüber und ließ sie dann los. "Scheint so", brachte Elraya gerade so noch heraus, ihr Herz raste. So eine Reaktion hatte bisher noch niemand bei ihr ausgelöst. Ist das normal bei Liebe? Ihre Verwirrung versteckend senkte sie den Kopf, sodass ihre Haare nach vorn fielen und vor dem Zwerg verbargen. "Es ist nichts, wofür du dich schämen müsstest. Ich finde es wunderschön", bemerkte Kili. Seine Stimme war ungewöhnlich sanft. Überrascht und erfreut sah Elraya ihn wieder an. Seine Wangen verfärbten sich leicht rot und er stand rasch auf und ging zu den anderen. Enttäuscht schaute sie ihm nach. Oh bei allen Göttern, was soll ich nur machen? Er ist ein Zwerg, ich bin Smaugs Tochter! Das kann niemals gut werden, dachte sie. Und doch sehnte sie sich nach dem Zwerg. So sehr sogar, dass sie fast ihre Rachegelüste vergaß. Aber dann lichtete sich der Nebel, der sie umgab, und der Erebor erhob sich majestätisch auf der anderen Seite des Sees und brachte wieder alle Erinnerungen hoch. Ich komme, Smaug. Ich bin nicht mehr fern. Und ich werde dich bezahlen lassen, für das, was du meiner Familie angetan hast!

Weit weg, sehr weit weg, stand ein einzelner Ork in einer Ruine und lauschte den Worten seines Meisters. "Die beiden dürfen sich nicht begegnen! Ein freier Drache ist schon gefährlich genug. Aber zwei sind mächtig genug, um unsere Pläne zu durchkreuzen, wenn sie zusammenarbeiten! Sie dürfen sich nicht zusammenschließen! Findet sie! Und tötet sie alle!" Ein kaltes Lächeln umspielte die bleichen Lippen des Orks und er sprach in einer rauen, grausamen Sprache: "Keine Sorge, Meister! Bolg wird sie finden. Sie ist nur ein halber Drache, sie hat keine Chance." "Gut. Aber vergiss nicht den anderen Drachen!" Und damit verneigte sich der Ork, drehte sich um und lief zu einem anderen Ork, der geduldig auf einem Warg saß und auf Befehle wartete. "Sende Nachricht an Bolg: Der Drache muss sterben, bevor es Tag wird."

Mal ein Kapitel mit mehreren Perspektivwechseln. Ich hoffe, es gefällt euch. Lasst doch ein wenig Feedback da! ^^

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