32. Kapitel

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Elraya kehrte nur sehr widerwillig zum Erebor zurück. Sie landete neben dem zerschmetterten Tor und nickte Fyrn zu, der sich daneben ausgestreckt hatte. Dann kniff sie die Augen zusammen und verwandelte sich mühsam. Es tat so weh, dass sie einen unterdrückten Schmerzensschrei ausstieß. Als sie endlich wieder in menschlicher Gestalt war, blickte sie an sich herunter und registrierte, wie zerfetzt ihre Kleidung war. Blutgetränkt war sie ebenfalls. Sie wandte sich noch ein letztes Mal um und betrachtete die einsame Silhouette Tiamats, dann seufzte sie und betrat langsam den Berg. Sie spürte das Gold in der Tiefe, eine dunkle Macht ging davon aus. Unsicher legte sie eine Hand auf den Griff Mor'ranrs und bemühte sich leise zu sein, als sie immer tiefer in den Berg lief. "Elraya! Es geht dir gut!" Erstaunt drehte sie sich um und sah Bilbo entgegen, der auf sie zugeeilt kam. Bei seinem Anblick musste sie lächeln. "Ich hatte ein ernstes Gespräch mit Tiamat. Ich muss mit Thorin sprechen. Uns steht ein Angriff bevor", erklärte sie ihm. Bilbo wich ihrem Blick aus und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. Irritiert beobachtete Elraya ihn dabei. "Also, ähm, es ist so...", begann er, doch eine Stimme unterbrach ihn. "Elraya!" Sie schaute über Bilbo hinweg und erstarrte, als sie Kili sah. Unverwandt sahen sie sich in die Augen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte Angst vor den Gefühlen, die sie erfüllten. Ich bin ein Halbdrache. Ich sollte so nicht fühlen, redete sie sich ein. Doch sie vergaß es sofort wieder, als Kili zu ihr kam und ein erleichtertes Grinsen seine zuvor ausdruckslose Miene erhellte. Glücklich, dass es ihm gut ging, trat Elraya an Bilbo vorbei und umarmte den Zwerg stürmisch, während sie seinen Geruch einatmete und die Augen schloss. "Ich bin so froh, dass es dir gut geht", murmelte Kili leise und ein freudiges Kribbeln schoss durch ihren Körper. Vorsichtig löste Elraya sich aus der Umarmung und seufzte leise: "Ich auch. Ich muss leider noch... an einen bestimmten Ort." Sie schenkte den beiden noch ein schwaches Lächeln, dann lief sie an ihnen vorbei und tiefer in den Berg, ohne auf ihre verwirrten Blicke zu achten. Als sie die Halle mit dem Gold betrat hörte sie die Zwerge, die ihr Grüße zuriefen, aber sie achtete nicht auf sie. Stattdessen ging sie schweren Herzens zu dem versteckten Bogen ganz hinten in der Halle, den Tiamat ihr genannt hatte. Dort hielt sie kurz inne und holte zitternd Luft, ehe sie langsam hindurchlief und dem Gang folgte. Ihre Schritte hallten laut durch den Gang. Und dann betrat sie den Raum. Sie blieb stehen und Tränen stiegen ihr in die Augen. Nichts, nicht einmal Tiamats Worte, hatten sie auf diesen Anblick vorbereiten können. Die Schuppen ihrer Mutter waren zu einem Grau verblasst und von den Flügeln ihres Bruders waren nur noch die Gelenke übrig, aber sie hätte sie überall erkannt. Es war schrecklich. Und endlich verstand sie, dass ihre Rache sie nur in größeres Leid gestürzt hatte. Meine Familie hat es nicht zurückgebracht. Im Gegenteil, jetzt habe ich niemanden mehr. Mit einem lauten Schluchzen sackte sie zu Boden und schlang die Arme um sich selbst. Plötzlich fiel ihr etwas am Boden ins Auge. Schniefend fuhr sie sich mit der Hand durchs Gesicht und griff dann danach. Überrascht starrte sie auf den zerbrochenen schwarzen Stein in der Holzfassung. Sarniras magischer Stein... Sie spürte immer noch die schwachen Rückstände der mächtigen Magie darin. Unsicher betrachtete sie das Amulett. Dann schloss sie ihre Hand darum herum zur Faust. "Ich werde dich niemals vergessen, Mutter. Oder dich, Umaroth, mein geliebter Bruder", hauchte sie, dann zog sie sich das Amulett über. Es soll mich immer an das erinnern, was ich verloren habe. Was es bedeutet, nicht Teil dieser Welt zu sein sondern etwas zu sein, was nie hätte geboren werden sollen.

Elraya verbrachte Stunden in der Höhle. Die Zwerge und Bilbo ließen sie in Ruhe, sie wollten ihr die Trauer nicht stören. Die Halbdrachin wartete bis zum Einbruch der Dunkelheit, ehe sie mit Fyrns Hilfe ihre Mutter und ihren Bruder nach draußen schleppte. Es war nicht schwer, denn selbst ihre Mutter wog fast nichts mehr. Sie brachten die Leichen bis zu einer Weide, die eine friedliche, anmutige Atmosphäre ausstrahlte. Tiamat kam und grub ein Grab, das tief genug war für die beiden. Gemeinsam arbeiteten sie schweigend und legten Steine über die Stelle, die sie mithilfe von Elrayas durch Trauer freigesetzte Magie in klares, weißes Gestein verwandelten, das das Grab kennzeichnete und schützte. Tiamat und Fyrn blieben bis Sonnenaufgang, dann gingen sie, um Elraya in Ruhe Abschied nehmen zu lassen. Sie hatte die Hand um das Amulett geschlossen und starrte unverwandt auf das Grabmal. Dann warf sie den Kopf zurück und stieß einen langen, animalischen Klagelaut aus. Mit hängendem Kopf machte sie sich dann auf den Rückweg zum Berg. Sie musste mit Kili sprechen. Sie wollte ihm sagen, was sie für ihn empfand. Und sie musste die Zwerge vor dem bevorstehenden Angriff warnen. Nur am Rande nahm sie die Lichter in der zerstörten Stadt Thal wahr. Am Eingang des Berges erwartete Thorin sie. "Gut, dass du endlich auftauchst", begrüßte er sie unfreundlich. In seiner Stimme schwang eine ungewohnte Härte mit und in seinen Augen lag etwas, das Elraya Angst machte. "Thorin, ich muss dich warnen. Eine Schlacht steht uns bevor, Tiamat sagte...", begann sie. Doch Thorin unterbrach sie grob: "Ich lasse mich nicht von Drachen von meinem Schatz weglocken!" Verblüfft verstummte sie und starrte ihn an, zu müde um seine Worte zu begreifen. Der Zwerg trat einen Schritt auf sie zu und sagte mit tiefer, drohender Stimme: "Verschwinde und lass dich nicht mehr hier blicken! Du bist ein Drache. Keines dieser schuppigen Ungeheuer wird jemals wieder in die Nähe meines Schatzes kommen!" Es war nicht seine Aussage, die Elraya verstörte, sondern das kurze Aufblitzen in seinen Augen. Einen Augenblick lang glaubte sie, Smaug vor sich zu haben. Verletzt und am Boden zerstört wich sie zurück. "Ich werde nicht gehen. Ich werde bleiben. Ich werde für euch kämpfen, für dich. Und vielleicht wirst du dann sehen, was aus dir geworden ist und was ihr alle mir inzwischen bedeutet, wenn ich mein Leben für deine blinde Gier gegeben habe. Aber vielleicht ist das auch besser. Ich habe keinen Grund mehr zu leben nach dieser Schlacht", sagte sie und hatte Mühe, ihre Stimme vom Zittern abzuhalten. Unglücklich wandte sie sich ab und humpelte langsam fort, auf die Stadt zu. Zum zweiten Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl, alles zu verlieren, was ihr etwas bedeutete. Ich hätte sie nicht ins Herz schließen sollen. Doch es war zu spät. Sie hatte die Zwerge lieben gelernt, Kili und Bilbo besonders. Und jetzt wurde sie erneut verstoßen. Das ist anscheinend mein Schicksal.

Ich weiß, ein trauriges Kapitel. Ob Elraya wieder einen Sinn im Leben findet? Ob sie über ihre Verluste hinwegkommt und Thorin wieder zu sich kommt? Das alles erfahrt ihr bald! Das Bild soll übrigens die Stelle darstellen, an der sich das Grab befindet.

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