Kapitel 26

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Wie bei einem Déjà-vu schlittere ich vorsichtig mit meinen Uggs zur Schule, während mir tausend Gedanken durch den Kopf schießen. Ich habe die Zeilen mit meinen eigenen Augen gelesen und doch glaube ich keinem Wort, was in dieser Akte stand. Mein Blick wandert über den Schulhof, doch der ist wie leer gefegt. Keine Menschenseele wartet auch im tiefsten Winter von Toronto draußen.

Lis war früher da, um noch Sachen in ihrem neuen Büro zu bearbeiten. Ich sollte zwar auf den Schnellsten Weg zu ihr kommen, doch ich ließ mir aller Zeit der Welt. Dieser Job macht mir keinen Spaß. Weder Captain zu sein, noch Stellvertreterin der Schülersprecher. Viel zu viel Verantwortung und Papierkram. Außerdem hab ich genügend Dinge um die Ohren. Wie zum Beispiel Shawn.

Er kommt mir auf den Gang entgegen und seine braunen Augen fixieren mich bereits von weitem. Langsam schließe ich die Augen, atme einmal tief durch und laufe ziel strebig zu meinem Spint. Ich bin viel zu müde und erschöpft für dieses Spiel, was er mit mir spielt. Die Worte der Akte wandern in meinen Gedanken rauf und runter.

Stumm reise ich die Türe meines Spintes auf und stopfe die jetzigen Bücher in meine Tasche. Sein Geruch ist das erste, was mich umgibt, als er mir näher kommt. Mein Körper beginnt sofort verrückt zuspielen. Das warme Gefühl breitet sich in meiner Magengegen aus und meine Gedanken sind komplett leer.

Ich spüre einen leichten Windzug, als er nahe an mir vorbeiläuft, was mir eine Gänsehaut auf meinen Armen verursacht. Widerwillig dreht sich mein Kopf nach rechts und schaut ihm hinter her. Seine Rückenmuskeln spannen sich bei jedem Schritt an und entspannen sich wieder. Kurz wirft er mir auch einen Blick zu und das alte finstere Grinsen macht sich auf seinen Lippen breit. In meinem Kopf wandern so viele Fragen auf einmal auf und ab, dass ich sie ihm am liebsten jede einzelne hinterher schreien will.

Bis Lauren und Kylie neben mir auftauchen. "Hey, Payton.", sagt Lauren gut gelaunt und plötzlich so laut, dass ich zusammenzucke.

"Lauren...", flüstere ich leise fluchend und widme mich wieder meinen Büchern.

"Sorry, hab ich dich erschreckt?", fragt sie leiser und schaut etwas verzweifelt zu Kylie, die nur mit den Schultern zuckt. Als ich nicht antworte, grinst sie leicht. "Also es heißt ja, wer leicht schreck bar ist, verheimlicht etwas.... na, Payton, möchtest du uns was erzählen?"

Ich werfe ihr einen bösen Seitenblick zu, bevor ich das Schließfach wieder zuhaue. "Na klar. Ich hab zwei Leichen im Keller versteckt, hab mich ganz heimlich in London beworben und meiner Schwester ging es Anfang der Woche nur schlecht, weil ich sie heimlich vergiftet habe, damit ich Stunden schwänzen kann.", ich grinse sie dumm an. "Und ihr so?". Zumindest war die zweite Sache ja nicht gelogen..

Kylie beginnt leise zu kichern, während Lauren nur leicht grinsend die Augen verdreht.


"Hast du schon was von Paris gehört?", frage ich in den Raum hinein und fahre über die ganzen Blätter auf Lis' Schreibtisch. Sie hebt kurz den Blick und schüttelt dann stumm den Kopf.

"Aber das ist ein gutes Zeichen. Wie schon gesagt. Die Absagen kommen zuerst.", sie schreibt weiter einen Text und hält sich ihre Haare aus dem Gesicht.

Amüsant schaue ich hinaus auf den Gang, in dem bereits die ersten Schüler aufgeregt in ihre Klassenzimmer stürmen. "Ich hab heute schon 2 verheulte Seniors gesehen. Die letzte Woche waren es 4.". Sie taten einen auch irgendwie leid.

"Hast dus?", frage ich sie ungeduldig, doch sie schüttelt nur enttäuschend den Kopf. "Die Sachen hier müssen bis morgen fertig sein. Geh einfach ohne mich schon mal vor.".

Ich nicke verständnisvoll und öffne mit Schwung die Tür ihres Büros. Im Gang sind wenige Schüler. Keiner hält sich freiwillig in der Nähe der geizigen Sekretärinnen auf, oder dem stickigen Lehrerzimmer, aus dem immer eine stark nach Kaffee riechende Duftwolke rauskommt.

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