Kapitel 42

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Meine Finger fliegen über die Tastatur meines Laptops, während mein Kopf versucht irgendwelche klaren Wörter zu bilden. Zwei Dateien. Beide leer.

Nervös beginne ich auf meinen Fingernägeln rumzukauen. Die blanken weißen Blätter starren mich förmlich an und zerbrennen meine Augenlieder. Die kleinen schwarzen Buchstaben, die ich verzweifelt auf die Tastatur haue, ergeben weder Sinn noch sind sie freiwillig geschrieben.

Frustriert klappe ich den Bildschirm runter und lasse mich nach hinten in meine Kissen fallen. Mit einer Hand angle ich ein rosanes Flausch Kissen, drücke es mir aufs Gesicht und schreie mit aller Kraft in den Stoff hinein.

Ohne lange nachzudenken schnappe ich mir meine Turnschuhe, meine Winterlaufjacke und mein Handy. Auf den Weg nach unten stöpsle ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und gleite die Treppe hinunter.

"Wo gehst du hin?", ruft Mady mir laut zu, während sie sich in der Küche ihr Essen warm macht.

"Joggen.", antworte ich kurzgebunden und schnüre meine Schnürsenkel.

"Hast du schon abgesagt? Beziehungsweise zugesagt?", sie bleibt an der Ecke stehen und schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

"Nope.", rufe ich ihr noch schnell zu, bevor ich die Türe hinter mir zuschlage, die Musik auf volle Lautstärke drehe und einfach loslaufe. Mein go to Programm, wenn mir alles zu viel wird. Doch selbst das funktioniert einfach nicht mehr. Den Kopf frei zu bekommen, wurde in letzter zeit schwieriger als meine Abschlussvorbereitungen.

Mit Mackelmore in meinem Ohr und den Asphalt unter meinen Füßen, laufe ich die Straße weiter entlang und lege langsam an Tempo zu.

Seit geraumer Zeit ist es, als würden mich die Dinge noch mehr verfolgen. Die Bestätigung für Harvard und Oxford laufen diese Woche ab, meine Eltern haben sich mittlerweile vermutlich damit abgefunden, dass ich selbst entscheide. Zumindest sagen sie nichts mehr dagegen. Oder dafür...

Lis war so mit ihren Plänen von Paris und der neuen Schule vertieft, dass sie vollkommen vergas, wie ich sie anlog. Doch beseits der Sache vom Wettkampf mit ihr und Shawn, habe ich eh kaum einen Gedanken an sie verloren. Unser Team hätte beinahe beim Wettkampf verloren, was definitiv auch auf meine Kappe ging, wo ich mit den Gedanken viel zu weit entfernt war, als auf dem Feld. Und zwar bei ihm.

Nach dem er mir alle Fragen beantwortet hat, die mich so lange beschäftigt hatten, hoffte ich, ich könnte endlich los lassen von all den Gedanken und Zweifel. Doch es trat der Gegenfall ein. Mein Kopf bildete quasi eine Blockade, eine Mauer, die mein Herz umgibt, als wolle es sich selbst schützen, um nicht verletzt zu werden.

Er hat die drei Wörter zu mir gesagt, die drei Wörter, die vermutlich jedes Mädchen von dem Jungen hören will, den sie liebt. Doch mein Kopf war zu sehr geschockt und gleichzeitig emotional getroffen, dass es nichts antworten konnte. Ich konnte ihm die Worte nicht erwidern, noch konnte ich zumindest etwas ähnliches sagen. Ich konnte rein gar nichts sagen, was zu einer äußerst unangenehmen Stimmung zwischen uns führte, die bis jetzt anhält.

Gleichzeitig mit den Zusagen von Harvard und Oxford in Kombination mit meinen Eltern ist das Dilemma perfekt. Wie oft saß ich schon vor dem Laptop, bereit gegen den Willen meiner Eltern Oxford Zuzusagen, und gleichzeitig doch den richtigen und sicheren Weg der Ärzte zu nehmen und mich für Harvard einzuschreiben...

Völlig außer Atem stütze ich meine Hände auf meine Oberschenkel und atme tief durch. Kurz schaue ich nach hinten und bemerke verwundert, dass ich fast drei Straßen entlang gelaufen bin. Oder eher gerannt. Meine Lungen brennen und ich hebe die Arm nach oben, um meine Atemwege zu öffnen, als sich ein komischer Schmerz von meinem Knie rauf durch meinen Rücken fließt.

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