Kapitel 12

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Ein eiskalter Schauer lief meinen Rücken hinunter und rief ein unglaubliches Gefühl in mir hervor. War das nun absichtlich oder nicht? Einerseits ärgerte ich mich über Bugra, doch andererseits konnte er doch überhaupt nicht über unsere Bank Bescheid wissen. Über die Sitzbank von Burak und mir, über unser stilles Örtchen in diesem großen Stadtpark. Über unser ruhiges Plätzchen, wo wir eine Menge miteinander erlebt hatten. Erneut wurden Gefühle in mir hervorgerufen und ich dachte an die Zeit zurück. An diese sorglose Zeit dachte ich zurück. Wir waren frei und genossen unser Leben, zu zweit. Wir waren unzertrennlich, dennoch trennten sie uns.
"Özge?"
Seine maskuline Stimme riss mich wie so
oft aus den Gedanken, worauf ich ihm verwirrte Blicke schenkte.
"Özge, was ist?"
Ich schüttelte unverständlich den Kopf, drehte mich um und wollte den Park gerade verlassen, da packte er mich vorsichtig an der Schulter und zog mich langsam zu sich. "Hab ich etwas Falsches getan?", erneut schüttelte ich den Kopf. Ein riesiger Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet, der nicht runter geschluckt werden wollte. "Ich dachte, dass wir uns hier einen schönen Tag machen könnten. Die Sonne strahlt und der See wirkt ziemlich beruhigend. Die perfekte Atmosphäre für ein Picknick, findest du nicht?" Unzählige Male schluckte ich, doch vergeblich. Ich spürte Tränen in mir aufsteigen, bei diesem Thema war ich überaus empfindlich. Ich kämpfte mit den Tränen, bis ich schließlich siegte und sie vorerst gekonnt zurückhielt. "Rede mit mir." Meine Augen waren bereits mit Tränen gefüllt und ich musste mich zwingen, nicht zu blinzeln. Würde ich nun blinzeln, dann würde diese Träne, die sich in meinem Auge befand, achtlos hinunterkullern. Ich senkte den Kopf und blinzelte. Ich beobachtete meine Träne, wie sie zu Boden fiel. Bugra nahm mein Gesicht achtvoll in seine Hände und blickte mir besorgt entgegen. "Was machen wir hier?", kam es in einem zittrigen Ton von mir.
"Willst du mir erzählen, was los ist?"
Erneut senkte ich meinen Blick.
"Komm mal mit.", sprach er zu mir, während er mich sanft mit sich mitzog. Wir waren an dem Baum angelangt, welcher sich neben der Sitzbank befand. "Ich wollte dir nur etwas zeigen.", sprach er grinsend. Er griff nach meiner Hand und fuhr gemeinsam mit ihr über die Gravur 'B+Ö'. Schockiert riss ich meine Hand aus seiner und sah ihn entsetzt an. "Was soll das? Willst du mich demütigen?" Ich konnte feststellen, dass Bugra auf unverständnis getreten war, zumindest schien es so. "Das habe ich nicht eingeritzt. Ich wollte, dass du es siehst. Ich hab das hier aus Zufall entdeckt. Das muss doch Schicksal sein, findest du nicht.?"
"Machst du das mit Absicht Bugra?", meine Stimme klang nach wie vor zerbrechlich. Am Liebsten wäre ich schon längst abgehauen, doch ich wollte Rede und Antwort, auf der Stelle. Bugra zog seine Augenbrauen zusammen und sah mich irritiert an. "Was meinst du?"
Ich zitterte vor lauter Emotionen, welche in mir kochten. Das Gefühlschaos fand kein Ende. Bugra näherte sich mir, doch ich schritt zurück. "Komm mir nicht zu Nahe."
Während ich diese Worte aussprach, hatte ich plötzlich ein Déjà-Vue! Genau die selben Worte hatte ich am Tag zuvor Burak an den Kopf geknallt. Ich war so schockiert über mich selber, dass meine einzige Lösung in diesem Moment wegrennen war. Wegrennen, aber wohin? Wohin, wusste ich selber nicht. Mit schnellen Schritten schritt ich davon, doch die "Özge, bleib stehen"-Rufe fanden kein Ende. Nach gefühlten Stunden gab ich auf und ließ mich auf den Boden fallen. Bugra kam angerannt und nahm mich fest in seine Arme. Ich konnte diesem Chaos mittlerweile keinen Stand mehr halten. "Würdest du mir bitte erklären, was eben los war?", Bugra sprach immernoch besorgt. Genervt von seiner Fragerei löste ich mich von seiner Umarmung, welche ich nicht erwidert hatte und lief in zügigen Schritten davon. Mir kamen Gedanken in den Sinn, wie zum Beispiel die, dass Bugra gestern Burak und mich beobachtet haben könnte, da er sich kurz darauf an meinem Auto befand. Oder jene, dass er mich zerstören wollte, da er aus unerklärlicher Weise über Burak und mich Bescheid wusste. Meine Schritte wurden schneller, mein Misstrauen gegenüber dieser rätselhaften Persönlichkeit wuchs.
Plötzlich packte mich Bugra stark am Arm und zog mich heftig zu sich. "Antworte mir, verdammt nochmal.", er rüttelte an mir, als ich weiterhin schwieg. Seine Augen funkelten mich böse an und offensichtlich war er momentan wütend. Warum? Wusste ich nicht. Ich versank erneut in meinen Gedanken, während ich schwieg. Doch das Rütteln wurde immer stärker, bis er mich anbrüllte, zumindest kam mir das im dem Moment so vor. In Wirklichkeit war es bloß ein strengerer Tonfall, den ich überspitzt wahrnahm.
"Özge!"
Schlagartig klatsche ich seine Hände weg.
"Lass mich los.", schrie ich ihm entgegen, doch er schüttelte nur den Kopf. Passanten kamen mittlerweile angerannt.
"Hören sie mal, lassen sie die Dame los, sie will das nicht.", hörte ich beinahe von allen Seiten,
In dieser Situation hätte ich mich nicht gerne mit Bugra angelegt, denn die Wut war ihm sichtlich ins Gesicht geschrieben und seine Aggression weitete sich unbegrenzt aus. Er ignorierte alle Menschen, die sich an bei versuchten durchzusetzen.
"Du tust mir weh.", hauchte ich mit gesenktem Blick, woraufhin er mich sofort losließ. Ich spürte die Erleichterung an meinen Armen und strich sanft darüber.
"Es tut mir leid, ich schäme mich so sehr. Wie kann ich das wieder gut machen? Ich konnte mich gerade nicht beherrschen, verzeih mir."
"Deshalb tust du mir weh.", murmelte ich vor mich hin.
"Es tut mir leid, ich wollte dir beistehen, doch du redest nicht mit mir."
"Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig. Ich will einfach nichts mit dir zu tun haben. Bei dir bin ich anders. Negativ anders. Außerdem musst du mir nicht beistehen, mein Leben geht dich nichts an." Verwundert über meine eigenen Worte kratze ich mich am Kopf. Bugra war sichtlich verletzt aufgrund dieser zugegeben schmerzhaften Worte, doch das war mir egal.
"Wie anders?", kam es voller Verwunderung aus seinem Mund.
Wegen ihm hatte ich indirekt keinen Kontakt mehr mit meinem besten Freund, das genügte mir. Ich schwieg, bis er etwas hinzufügte.
"Ich will nichts anderes, als dich kennenzulernen. Wieso lässt du es nicht zu?"
Ich dachte wieder nach, über Tuna. Über Burak, über Bugra. Über Tunas nachdenklichen Worte. Ich wiederholte diese Worte in mir drin, doch anscheinend hatte ich zu meinem Leid meine Gedanken laut ausgesprochen.
"Mörder..", hatte ich vor mich hingemurmelt. Schockiert über meine eigene Aussage begann ich zu husten, in der Hoffnung, er hatte dies überhört. Doch als hätte ich es nicht anders erwartet, riss er seine Augen auf und sah mich erwartungsvoll an.
"Mörder?", wiederholte er laut.

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Ooooooo wie wird es weiter gehen? :D
Seid ihr Team Burak oder Team Bugra??
Viele Kommentare, Meinungen, Lobe, Kritiken, usw. sind jederzeit erwünscht. Mit freundlichen Grüßen, cankurban58 ♥️

Ömür Boyu (Ein Leben lang)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt