Kapitel 16

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"Wohin gehen wir denn?", fragte ich ihn, während er den Motor startete. Er zuckte bloß mit den Schultern und warf mir dabei ein provokantes Lächeln zu.
"Wirst du dann sehen.", sein Lächeln verschwand sofort und nun fuhr er los. Als ich ihn musterte fiel mir erneut sein stilvolles Erscheinen auf. Er trug ein T-Shirt, welches mit einem Bild von Muhammad Ali bedruckt war und eine lässige Jeanshose, welche ihm bis zu den Knien reichte und man somit einen direkten Blick auf seine durchtrainierten Waden hatte. Sein Dreitagebart passte zu ihm, wie die Faust aufs Auge und betonte seine Männlichkeit ebenfalls enorm. Auf diesen wunderschönen Grünton in seinen Augen musste ich wohl nicht zu sprechen kommen, er war wie immer atemberaubend. Durch das T-Shirt wurden seine muskulösen Arme ebenfalls betont und sein durchtrainierter Körper kam überaus sichtlich zum Vorschein, ein Anblick zum dahinschmelzen.

Einige Male blickte er erst auf die Straße, anschließend zu mir. Eine ungewöhnliche Stille plagte uns, bis er sie schließlich brach.
"Wie alt bist du, Özge?"
"22, du?", ich versuchte möglichst uninteressiert zu wirken, doch eigentlich interessierte mich seine Person brennend.
"26 bin ich.", dabei lächelte er erneut und ich schwieg. Mein Interesse war zu groß, weshalb dieses Mal ich die Stille brach. "Was ist dein Beruf?", er war ziemlich erfreut über die Frage, was man ihm ansah. Anscheinend gefiel es ihm, dass ich mich für ihn interessierte. "Ich bin Manager einer Marketing-Firma."
"Wow.", kam es erstaunt von mir. Er übte meinen Traumberuf aus, unglaublich!
"Und du?"
"Ich studiere derzeit und wie du weißt, arbeite ich als Nebenjob im Café."
Nun wirkte er wesentlich interessierter.
"Du studierst?", er blickte kurz zu mir, woraufhin ich stolz nickend bejahte. "Was studierst du denn?", wollte er nun wissen. "International Business Management." erwiederte ich nun mit erhobenem Kopf, woraufhin er große Augen machte.
"Da haben wir wohl die selben Interessen.", sprach er zwinkernd zu mir, anschließend lachten wir. Es war in der Tat erstaunlich, dass wir im beruflichen Bereich die selben Interessen verfolgten.
Wir führten einige Gespräche über die Uni und er erzählte mir Geschichten aus seiner Studienzeit, welche zugegeben lustig und auch interessant waren. Er war erst 26 Jahre alt, doch hatte bereits zahlreiche Erfolge erzielt, das weckte mein Interesse an seiner Person enorm. Die 30-minütige Fahrt verging recht schnell und wir hatten genügend Gesprächsthemen. Es war toll, sich mit ihm zu unterhalten, denn erneut hatte er mich von seiner reifen Art überzeugt. Wir waren nun nicht mehr ganz in München und Bugra hielt das Auto vor einer Pension an.
"So, da wären wir."
Ich fand es unglaublich toll, dass er an eine gemütliche Pension gedacht hatte, anstatt mit seinem Geld zu prahlen und ein teures Hotelzimmer zu mieten. Allerdings fiel mir nun auf, dass wir wohl hier übernachten würden, wovon ich nicht sonderlich begeistert war. Wir stiegen aus dem Auto und betraten die Pension. Am Foyer wurden wir von einer älteren Dame ziemlich nett begrüßt und in die Zimmer geführt. Es waren zwei kleine Zimmer, welche durch eine Tür verbunden waren. Wir hatten beide ein eigenes Einzelbett, die Zimmer waren ziemlich ordentlich und sauber, worauf ich einen großen Wert legte. Da die zwei kleineren Zimmer zusammen ein Großes ergaben, war nur ein Badezimmer und ein Balkon erhalten. Wir stellten im Zimmer kurzerhand unsere Sachen ab und Bugra führte mich auf den Balkon.
Wow! Das war mein einziger Gedanke, als ich den wunderschönen Starnberger See erblickte. Die Sonne funkelte auf das Wasser, welches die Bäume und die Natur in sich wiederspiegelte. Die erfrischende Luft und dieser pure, natürliche Ort, ich liebte es. Auf meinen Lippen hatte sich ein Dauergrinsen gebildet und wir genossen gemeinsam die frische Sommerluft.
"Gefällt es dir?", gab er stolz von sich.
"Es ist echt schön!", sagte ich fest entschlossen, woraufhin er erneut dieses breite Grinsen zum Vorschein rief.
"Dann lass es uns doch aus der Nähe betrachten." Er lächelte mich verschmitzt an und machte eine Handbewegung, welche wohl hieß, dass ich ihm folgen sollte. Ich tippelte ihm fröhlich hinterher und war ziemlich erstaunt über mich selbst. Zwar gab ich nach außenhin immer ein glückliches Bild ab, doch innerlich schmerzte mir alles. In Bugras Nähe ging es mir erstaunlicherweise gut. Ich war innerlich vor Freude am Tanzen, was ich nach außenhin ebenfalls verdeutlichte. Es war nicht wie gewohnt eine aufgesetzte Maske, keine Fassade, es war glücklicherweise die Realität. Nach einer bestimmten schweren Zeit traf nun das unerklärlich schöne Gefühl erneut auf mich zu, was mich regelrecht faszinierte und mir gefiel.
Wir schlossen das Zimmer ab und fuhren mit dem Aufzug in die Lobby, welche sich einen Stock unter uns befand.
Die Dame an der Rezeption verabschiedeten wir vorerst mit einem liebevollen "Tschüss!" und nach wie vor folgte ich seinen Schritten.
Der Starnberger See war ein wunderschöner, großer See in der Nähe von München. Er war umgeben von Natur und solche Panoramen vergötterte ich. Bugra hatte mit diesem Trip ins Schwarze getroffen. Man war der Natur sehr nah. Beispielsweise hörte man die verschiedensten Vögel zwitschern, wunderschöne Schmetterlinge sah man herumflattern und man konnte diesem begehrten Grillenton lauschen.

Während wir ein wenig um den See herumliefen, kamen wir erneut ins Gespräch. Wir sprachen über alltägliche Dinge, bis er mich auf ein Eis einlud. Dieses Angebot nahm ich dankend an und wir ließen uns bei einer Eisdiele nieder, von welcher man ebenfalls einen verheerenden Blick auf den wunderschönen See hatte. Es wirkte alles so idyllisch, die wundervoll blühenden Blumen gaben dem ganzen etwas sehr besonderes, ich liebte Blumen über alles.
Ich genoss die Aussicht und der freundlicher Kellner, welcher wohl Italiener war, was man an seinem Akzent bemerkte, lieferte uns die Bestellungen ohne großen Wartens. Um uns herum konnte ich viele Paare erkennen, welche das romantische Örtchen für sich nutzen, wieder einmal kam ich ins Schwärmen.

Unsere Unterhaltungen fanden kein Ende und auch nach Stunden saßen wir auf der Terasse der Eisdiele und redeten. Ich erfuhr immer mehr über ihn, was mir gefiel.
Schließlich bezahlte Bugra die Rechnung, nachdem ich dagegen protestiert hatte und wir spazierten am See entlang.
"Erzähl mir doch mal was über deine Familie.", sagte er interessiert und durchaus zögerlich. Ich zögerte ebenfalls, atmete einmal tief durch und antwortete ihm anschließend.
"Da gibt es nicht viel, ich muss alleine klar kommen, ohne Familie."
Seine Neugier war geweckt und nach dieser Aussage meinerseits gab er nicht nach.
"Wie meinst du das?"
"Mein Vater ist tot, mein Bruder sitzt in Untersuchungshaft, meine Schwester und meine Mutter..", ich schnaubte kurz auf, "Sie führen ihr eigenes Leben, sie verachten mich."
Normalerweise war ich kein Mensch, der sich sofort geschweigedenn überhaupt öffnete. Doch bei Bugra war es merkwürdigerweise anders, es herrschte eine plötzliche Vertrautheit, welche ich mir nicht erklären konnte, doch welche ich nunmal ausnutzte und mich ihm öffnete. Ich hielt es unerklärlicherweise für richtig, ich brauchte einfach einen neutralen Gesprächspartner, jedoch würde ich das im nächsten Moment ernsthaft bereuen.

Ömür Boyu (Ein Leben lang)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt