"Spielt das denn eine Rolle?", entgegnete er mir sichtlich verwirrt. Ich schüttelte den Kopf. "Aus Interesse.", fügte ich hinzu.
"Das ist doch überhaupt nicht wichtig, ob ich nun Kurde bin oder nicht. Die Hauptsache ist doch, dass ich ein guter Mensch bin, findest du nicht?" Erneut kamen seine reife Art und seine Männlichkeit zum Vorschein. Diese Worte waren zumal wunderschön formuliert und dazu auch noch wahr. Ich bewunderte seinen Charakter zu sehr, doch erneut kam mir Burak in den Sinn. Ihm war es auch nicht wichtig gewesen, welche Nationalität ich nun hatte, dennoch scheiterte es daran. Ich war kurz davor, Bugra alles zu erzählen. Ich beschloss allerdings, den Grund für unsere Trennung wegzulassen. Nachdenklich sah ich ihn an und im nächsten Moment forderte er mich auf, ihm die Wahrheit zu erzählen. "Ich höre.", kam es erneut kühl und ungeduldig von ihm. "Also..", erst zögerte ich, anschließend atmete ich einmal tief ein, "Burak ist mein Ex-Freund, ich habe ihn eigentlich seit zwei Jahren nicht gesehen gehabt, aber plötzlich ist er wie aus dem Nichts wieder aufgetaucht vor einigen Tagen. Ich war mir meinen Gefühlen ihm gegenüber nicht bewusst, ich dachte, dass ich ihn noch lieben würde. Er hat mich überrumpelt und mir gestanden, dass er mich immernoch liebt. Heute hat er gefragt, ob wir uns treffen könnten, ich habe bejaht. Es war vorerst ziemlich normal, bis er ..", Erneut schnaubte ich auf, "Er hat mich geküsst. Ich habe es erwidert, ja, aber ich bereue es. Ich war mir mit meinen Gefühlen einfach nicht im Klaren und plötzlich kam aus meinem Mund geschossen, dass ich ihn nicht mehr liebe." Als ich dies aussprach, bildete sich ein unfassbar breites Grinsen auf seinen Lippen, ich fuhr fort. "Ich weiß einfach nicht, was ich für ihn fühle. Der Kuss war nicht richtig, das weiß ich." Erleichtert atmete ich einmal tief durch und blickte ihm anschließend erwartungsvoll entgegen. Bugra grinste noch immer vor sich hin, was mich zugegeben ein wenig nervös machte. Ich schämte mich für diesen Kuss, ich traute mich nun nicht mehr etwas zu sagen, ich wartete. Er sah mir intensiv in die Augen, bis er schlussendlich zu mir sprach. "Dann ist ja gut."
Immernoch lächelnd sah er mich an. Es war auf einmal so ungewohnt, er lächelte. Von der vorherigen Kälte war keine Spur mehr zu erkennen, was mich sehr erleichterte. Ich nickte eifrig und lauschte ihm dabei, wie er meine Worte vor sich hinmurmelnd wiederholte. "Du liebst ihn nicht mehr.", sagte er kaum hörbar, jedoch waren meine Ohren ziemlich gut, weshalb ich es genaustens verstand. Allerdings spielte ich ihm vor, ich hätte das nicht gehört. Lauter Gedanken kreisten mir im Kopf herum. Bugra hatte es gekränkt, dass Burak mich geküsst hatte. Hatte dies ernsthaft eine zusammenhängende Bedeutung? War es das, woran ich dachte? Ich meine, er hatte bereits zuvor kein Problem damit gehabt, mir sein Interesse zu präsentieren, was er an meiner Person hatte. Bei dem Gedanken musste ich vor mich hingrinsen, jedoch riss mich Bugra im nächsten Moment aus den Gedanken. "Özge?" Leicht verstört blickte ich ihm entgegen. "Hm?", kam es von mir. "Hörst du mir etwa nicht zu?"
"Tut mir leid, kannst du es wiederholen?"
"Woran ist eure Beziehung denn gescheitert?"
Diese Frage versetzte mir einen unglaublich heftigen Stich. Ich wollte ihm nicht die Wahrheit sagen, ich hatte panische Angst. Eine Angst, dass ich wegen der selben Sache eines Tages Bugra verlieren könnte. Ich wollte diese Angst nicht auf mich nehmen, weshalb ich ihn gekonnt abwies. "Er ist weggezogen.", kam es kurz und knapp von mir. "Da hast du aber lange überlegt.", sprach er, während er auflachte. Diese aufdringliche Art von Bugra, sie schmeichelte mir überhaupt nicht. Jedoch war es das einzige, was ich an ihm bisher nicht mochte. Erneut schwiegen wir uns an, doch diesmal genoss ich die Stille. Wir saßen sehr nah nebeneinander und sahen nach vorne. Ab und zu drehte er seinen Kopf zur Seite und sah mich an, was ich jedoch ignorierte. Nach einer Weile blickte er mir erneut mit aufgesetzt breitem Grinsen entgegen. "Ich sagte doch, irgendwann wirst du es mir freiwillig erzählen." Wir lachten ein wenig, bis wir allerdings erneut schwiegen. Die Stille übermannte uns förmlich, bis er schließlich begann zu reden. "Sollen wir den ganzen Tag so hier rumsitzen?"
"Wieso denn nicht? Wetter ist schön, wir haben die perfekte Aussicht auf verliebte Pärchen, was will man mehr?" Wir lachten gemeinsam, bis er schließlich erneut zu Wort kam.
"Auch so ein verliebtes Pärchen bilden.", murmelte er leise vor sich hin, worauf ich ihn anlächelte. Er erwiderte das Lächeln nicht, stattdessen konnte ich in seinem Blick eine merkwürdige Trauer erkennen. Ob Bugra wohl schon mal eine ernste Beziehung hatte? Ob er überhaupt mal Liebeskummer gehabt hatte? Es waren Fragen, von welchen man in Bugra nicht direkt die Antwort fand. Wie gesagt, er schien verschlossen in sich zu sein und einfach war es nicht, hinter seine Fassade zu blicken, obwohl ich es so gerne getan hätte. Ich hätte überaus gerne wissen wollen, was wohl in seinem Kopf vorging. Welche Gedanken ihn jagten und plagten. Woran er wohl dachte? Wie er wohl über mich dachte? Fragen ohne Antworten..
Eine gefühlte Ewigkeit schwiegen wir uns reglos an und blickten uns in die Augen. Es war, als schwiegen wir um die Wette. Erneut bildete sich ein Lächeln in meinem Gesicht, was er diesmal erwiderte und wir uns lustvoll gegenseitig in die Augen blickten. Ich genoss seine Anwesenheit und ich hoffte, er genoss meine genauso. Ab und zu wechselten wir einige unspektakuläre Worte miteinander, worauf wir es jedoch beruhen ließen. Wir waren gerade in ein kleines Gespräch verwickelt, da sah ich einen wutenbrannt auf uns zusprintenden Tuna vor mir. Die Wut war ihm sichtlich ins Gesicht geschrieben, welches unnormal stark glühte und die Röte war bereits in ihm aufgestiegen. Von seiner zittrigen Haltung war nicht abzusehen und diese Augen, wie sie böse funkelten. Eine riesen Angst plagte mich, was würde er tun? Würde er völlig ausrasten? Würde er Bugra etwas antun?
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Ömür Boyu (Ein Leben lang)
Romance"Rede doch mit mir.", sein Atem prallte auf mein Gesicht, wodurch sein ekelhafter Mundgeruch in meine Nase einzog. Mein Herz raste wie wild, was wollte er von mir? Die Angst stieg immer weiter in mir auf. Er kam immer näher und immernoch versuchte i...