Kapitel 29

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Es war ein sanfter Griff, er war vorsichtig. Ich blickte ihn unsicher an und erwiderte schließlich den Griff. Im nächsten Moment zog er mich mit sich. Ich konnte in diesem Augenblick mein Glück nicht fassen, ich wurde mit Glücksgefühlen förmlich überschüttet. In einem hastigen Tempo liefen wir in den Rummelplatz hinein. Er war mit Menschen überhäuft. Ich war überwältigt von der tollen Atmosphäre, welche hier herrschte. Unsere Hände waren immernoch mit einem mittlerweile festeren Griff besiegelt, von welchem ich mich nicht lösen wollte. Er tat mir sehr gut, es war unbeschreiblich. Noch immer lächelnd blieb er auf der Stelle stehen und griff mit seiner freien Hand nach meiner anderen Hand. Wir blickten uns an und ich genoss das Glitzern in diesen wunderschönen grünen Augen, welche mich anstrahlten. "Was machen wir zuerst?", fragte er mich liebevoll. Wir hatten alles weitere ausgeblendet, die Menschen liefen unachtsam an uns vorbei und die ein oder anderen rempelten uns sogar an. Die Distanz war relativ groß, doch im nächsten Moment verringerte sich unser Abstand zueinander, indem Bugra sich mir näherte. Es war unbeschreiblich und ich konnte es mir nicht erklären, doch mein Herz machte riesige Freudensprünge und raste wie verrückt. "Weiß nicht.", sagte ich schulterzuckend. Sein Lächeln war mir nicht vergangen und nun machte er eine Bewegung mit seinem Kopf, etwa ein seitliches Nicken, was wohl etwas bedeuten sollte wie "Komm mit." Er löste sich nun von meinen Händen. Es verunsicherte mich, doch einen Schritt vor den anderen setztend folgte ich ihm. Wir waren nun vor einem Stand, an dem man Dosen werfen konnte. Einige Teddies dekorierten den Stand, welche wohl der Gewinn waren.
Sie waren sehr groß und mein Verlangen nach einem wuchs. "Willst du so einen?", sagte er und deutete dabei auf einen überdimensional großen Teddybär. Eifrig nickte ich, in der Hoffnung er würde mir nun einen gewinnen, wie in diesen typischen Filmen. Jedoch wurde meine Hoffnung schnell widerlegt, denn er drückte mir drei Bälle in die Hand und forderte mich zum Werfen auf. Die Situation belustigte mich regelrecht, weshalb ich mich mit einem Grinsen ranmachte. Ich verfehlte alle drei Bälle und blickte ihn mit einem schmollenden Ausdruck an. Der Mann hinter der Theke sprach nun zu uns.
"Sehr Schade, vielleicht kann der Herr ja etwas für seine Freundin gewinnen.", sprach er lächelnd zu uns. Erwartungsvoll sah ich Bugra an, welcher wohl wegen dem Wort 'Freundin' grinste. Ich schlug ihm leicht gegen die Brust und forderte ihn ebenfalls dazu auf. "Komm schon.", sprach ich zu ihm, was er jedoch mit einem "Nö.", verneinte. Ich lachte belustigt auf. "Nur, weil du es nicht schaffen wirst."
Der Mann beobachtete uns gespannt und wir beide warteten nun auf Bugras Antwort. "Dann probiere ich es eben, für meine Freundin." Das Wort 'Freundin' betonte er dabei besonders und zwinkerte mir zu. Siegessicher begab er sich an den Tresen, bezahlte das Geld und schnappte sich drei Bälle. Ich hätte wirklich damit gerechnet, dass er beim ersten Wurf alle Dosen umwirft, doch das war nicht der Fall. Er traf zwar bei allen drei Bällen, doch für die ganzen Dosen reichte es nicht aus, da er jeweils die obersten traf. Ich brach in lautes Gelächter aus und der Mann konnte sich ein Lachen ebenfalls nicht verkneifen. Bugra hingegen sah mich ernst an.
"Danke für den imaginären Teddy, Bugra.", sagte ich noch immer lachend. Er zog eine Augenbraue hoch und sah mich erneut mit seinem ernsten Blick an. Diesem hielt er jedoch nicht lange Stand und im nächsten Moment hielten wir uns an den Bäuchen, vor lauter Gelächter. "Riesenrad?", fragte ich ihn nach einer gefühlten Ewigkeit, als wir uns beruhigt hatten. "Das ist das lanweiligste, was es hier gibt.", sprach er in einem neutralen Ton, während er mich ansah. "Dann schlag du doch was vor.", gab ich nun gelangweilt von mir. "Das.", sagte er und deutete dabei auf ein Gerät, was sich 'Breakdancer' nannte. Wenn es um so etwas ging, zeigte ich keine Scheu. Mit einem Nicken bejahte ich seine Idee und wir machten uns an den Stand, wo wir uns zwei Tickets für das Gerät besorgten. "Hast du Angst?", wollte er von mir wissen. "Nein wieso? Du etwa?"
Lachend schüttelte er seinen Kopf. Die Leute stiegen aus und wir suchten uns einen geeigneten Platz, wo wir uns niederließen. Der Platz war ziemlich eng für zwei, weshalb wir nun sehr nah aneinander saßen, doch das machte mir nichts aus. Eine gewisse Nervosität stieg in mir auf. Ich hatte keine Angst, doch der Adrenalin-Kick stand bevor. Ich spürte Bugras Blicke auf mir und als ich ihn ebenfalls ansah, lächelte er. Wir sahen uns schweigend in die Augen, seinen Blick konnte ich nicht definieren, doch er lächelte. Ich erwiderte das Grinsen nicht und schon startete das Gerät, woraufhin unertragbar laute Geräusche ertönten. Bugra versuchte, mit mir zu reden, doch es war unmöglich. Die Geräusche waren zu laut und im nächsten Moment begann ich wie verrückt zu kreischen. Ich vernahm grelle Schreie aus meiner Umgebung von den verschiedenste Leuten, doch Bugra schrie nicht. Ich schrie wie am Spieß und meine Laune ließ sich nicht verderben. Die Fahrt neigte sich nun dem Ende, weshalb ich schlussendlich damit aufhörte und einmal laut durchatmete. Wir lösten uns von den Sicherheitsgurten und augenblicklich sprach ich Bugra darauf an. "Wieso hast du nicht geschrien?", fragte ich. Er zuckte bloß mit den Schultern. "Was bringt es mir denn zu Schreien? Ich muss meine Stimme schonen." Lächelnd warf er einen Arm und mich und so schritten wir nun herum. "Riesenrad?", fragte ich nun erneut. Ich vernahm eine unglaubliche Lust auf dieses Riesenrad, weshalb ich ihn erwartungsvoll ansah. "Wenn du da nicht schreist.", sagte er grinsend, was ich mit einem Augenrollen erwiderte. Fröhlich begaben wir uns nun zu einem Stand, wo wir die Tickets für das Riesenrad kauften und warteten an der Schlange. "Gefällt es dir hier?", wollte er während des Wartens wissen. "Ich liebe Rummelplätze.", antwortete ich lächelnd. Daraufhin grinste er mich schief an und löste seinen Arm von mir, was mich zugegeben wunderte. Wollte er nicht in meiner Nähe sein? Aber er hatte doch seinen Arm um mich geworfen. Und er hatte nach meiner Hand gegriffen, aber er hatte sie danach losgelassen. "Worauf wartest du?", fragte mich Bugra, was mich aus den Gedanken riss. Ich hob meinen zuvor gesenkten Blick und er deutete auf den kleinen Wagon, in welchen ich mich ohne zu zögern hineinsetzte und Bugra nach mir ebenfalls einstieg.
"Das ist so langweilig.", sprach er, während es uns in die Höhe zog. Begeistert genoss ich den Ausblick nach unten. "Pass auf, sonst fällst du raus.", sagte er und zog mich etwas mehr in den Wagon. Wir waren bereits ganz oben angekommen und noch immer blickte ich fasziniert umher. Bugra hingegen sah nur mich mit seinen durchbohrenden Blicken an. "Willst du nicht den Ausblick über die Stadt genießen?", sprach ich, während ich mein Handy aus der Tasche zog und einige Fotos knipste. "Ich genieße doch den wunderschönen Ausblick.", kam es daraufhin von ihm. Verwirrt sah ich nun ihn an. "Du schaust aber nur mich an?", sprach ich, sodass es sich wie eine Frage anhörte. Im Nachhinein wurde mir klar, was er mit 'wunderschöner Ausblick' gemeint hatte. Augenblicklich begannen meine Wangen zu Glühen und die Röte spürte ich förmlich in mir aufsteigen. Ich senkte den Blick und erhob ihn auch nicht mehr. Schweigend saßen wir uns nun gegenüber und mal wieder versank ich in Gedanken. Bugra war ein sehr reifer junger Mann, welcher die Männlichkeit förmlich herausstrahlte. Es war sein Markenzeichen, diese neutrale und geheimnisvolle Art. Er hatte nichts kindliches an sich und verhalten hatte er sich noch nie kindisch, dennoch hatten wir eine Menge Spaß miteinander und das bewunderte ich unheimlich sehr an seiner Persönlichkeit. Immer wieder zauberte er ein Lächeln in mein Gesicht, ohne mit mir herumzualbern, was ich so von Burak kannte. In seiner Anwesenheit war ich ein sehr glücklicher Mensch, worauf ich insgeheim hoffte, es würde sich nie ändern. Bugra war ein vertrauenswürdiger Mensch und ich genoss jede Sekunde gemeinsam mit ihm, wir ergänzten uns in vielem. Ich konnte ich selbst sein. Die strahlende, laute, fröhliche Özge. Nicht diese, die in ihrer eigenen Welt verschlossen und abweisend auf ihr Umfeld wirkte. Er hatte sozusagen die alte Özge erneut zum Leben erweckt, doch die war ich nur bei ihm.
Nun erhob ich meinen Blick und bemerkte, dass das Riesenrad gerade die zweite Tour machte. Als ich in Bugras glänzenden Augen sah, konnte ich eine gewisse Freude herauslesen und augenblicklich bildete sich ein durchaus breites Grinsen in seinem Gesicht. "Du brauchst dich doch nicht zu schämen.", sagte er, während er leicht auflachte. Die Situation war mir sehr peinlich, denn ich wusste, dass ich errötet war. Das konnte mir sehr schnell passieren.
"Ich schäme mich nicht.", sprach ich entschlossen zu ihm.
"Du wurdest aber gerade rot.", kam es triumphierend von ihm, doch ich schlug zurück.
"Das ist Rouge.", sagte ich mit aufgesetzt schiefem Lächelnd und erntete dadurch verständnislose Blicke. "Was ist Rouge?", wollte er wissen und sprach das Wort dabei völlig falsch aus. Ein Lachen konnte ich mir nicht verkneifen und schon schoss es förmlich aus meinem Mund. Ich deutete auf meine Wangenknochen. "Das Rosafarbene.", kam es belustigt von mir. Nun machte das Riesenrad einen Stop und ein junger Mann forderte uns dazu auf, auszusteigen. Bugra reichte mir seine Hand, nach welcher ich griff und er mir dabei half, auszusteigen. Wir bedankten uns höflich und schließlich liefen wir weiter. "Willst du Zuckerwatte?", wollte er von mir wissen. Kurzerhand bejahte ich und wir gingen an einen Süßigkeitenstand. Wir holten uns zwei Zuckerwatten und ließen uns auf der nächstbesten Bank nieder, wo wir die Köstlichkeiten verzehrten. Er war bereits fertig, während auf meinem Spieß noch ziemlich viel vorhanden war. Kleine Stücke führte ich zu meinem Mund, bis Bugra schließlich eingriff. "Wie lange brauchst du für so eine kleine Zuckerwatte?"
"Kannst gerne mitessen.", antwortete ich und reichte ihm den Spieß. Er nahm dankend an und gemeinsam aßen wir sie leer. Wir waren nun fertig und meine Füße begannen aufgrund der erdrückenden Ballerinas zu schmerzen. Ich seufzte kurz auf und quengelte dabei. "Was ist?", wollte Bugra besorgt von mir wissen. "Meine Füße tun weh.", quengelte ich weiterhin.
"Wenn du sowas anziehst.", sagte er und zeigte dabei auf meine Schuhe. Ich schlüpfte kurzerhand aus ihnen heraus und ließ meine Füße frei baumeln, es war ein erleichterndes Gefühl, doch Bugra ließ es nicht zu. "Dir wird kalt, zieh sie wieder an.", sprach er und zauberte mir wieder einmal ein ehrliches Lächeln ins Gesicht.

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Liebe Grüße, eure cankurban58.

Ömür Boyu (Ein Leben lang)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt