Ich hatte den Kuss ohne zu Überlegen erwidert, was mir später zum Verhängnis wurde. Ich genoss diese Atmosphäre, die zwischen uns herrschte und die Lippen, welche gefühlvoll mit meinen umgingen. Sie passten ohne Zweifel perfekt auf meine zierlichen Lippen und dieser Rhythmus, in dem sich unsere Lippen bewegten, war unumstritten fabelhaft. Er war sanft, sehr zart und nun wanderten meine Hände hoch zu seinem Nacken, welchen ich vorsichtig umfasste. Ich hatte sie nun an der vorgesehenen Stelle abgesetzt, doch Bugra unterbrach. Wir beide waren völlig außer Atem und er hatte sich von mir gelöst. "Tut mir leid.", sprach er, ohne mich anzusehen. "Mir tut es auch leid." "Nein, du verstehst es nicht." Was meinte er damit? "Was verstehe ich nicht?" "Özge, bilde dir nichts ein. Das war ein Fehler, das hätte niemals passieren dürfen.Das hatte nicht Mal eine Bedeutung. Komm wir gehen." Er zog mir die Decke weg und selber stellte er sich nun auf seine Beine. Wieso sprang er so mit mir um? Hatte er nicht das Selbe gefühlt wie ich? Wieso hatte er mich denn überhaupt geküsst, wenn es ein Fehler war? Sprachlos wie ich war, hielt ich den Mund und folgte ihm still. Wieso war er plötzlich so abweisend zu mir? Wir waren am Auto angekommen und bereits eingestiegen. Er sah wütend aus, ich verstand nicht. Ich wollte wissen was los war, ich wollte mein Glück probieren. "Bugra?" "Nicht jetzt.", sprach er mir abweisend zu. "Aber-" "Rede einfach nicht mit mir." Diese Worte lösten in mir einen unsanften Schmerz aus, als würden soeben tausende Messerstiche mein Herz durchbohren. Rasend schnell fuhr er nun los und ich saß bloß starr da und spürte unzählige Tränen in mir aufsteigen, oh nein. Niemand sollte mich in einem schwachen Zustand sehen, niemand sollte je meine Tränen zu Gesicht bekommen. Es war definitiv nicht der richtige Zeitpunkt, um emotional zu werden. Ehe ich mich versah, flossen mir einige Tränen die Wange entlang runter und zu meinem Leid spürte ich nun Bugras Blicke auf mir, er war wohl durch das Schniefen auf mich aufmerksam geworden. Was mir allerdings noch mehr weh tat, war, dass er nichts sagte. Er sah einige Male kurz zu mir rüber und wandte seine Blicke anschließend wieder der Straße zu. Mir wurde das zu doof. "Halt an." "Das geht jetzt nicht." "Halt an, ich will raus.", forderte ich ihn energisch auf. Er ignorierte mein Vorhaben und es schien ihn recht wenig zu interessieren, dass mir bereits zahlreiche Tränen über die Wange kullerten. Ich lehnte mich im Sitz zurück und schloss unbemerkbar die Augen, bis ich schließlich mit einem lauten Schniefen auf mich aufmerksam machte. Ich nahm nichts wahr, bis das Auto nach einer gefühlten Ewigkeit hielt und ich mich umsah. Die Gegend kam mir bekannt vor und eindeutig war es die Gegend, in der ich wohnte. Wie froh ich nur war, endlich nach Hause gehen zu können und diese schmerzhaften Augenblicke zu verdrängen. Ich sah ein letztes Mal zu ihm rüber, in der Hoffnung er würde sich verabschieden oder sich gar bei mir entschuldigen, doch hoffnungslos. "Worauf wartest du?" Diese Aussage besiegelte alles nun endgültig. Wieso musste er mir nur so sehr das Leiden lehren, welches ich dank ihm nicht mehr gespürt hatte? Wieso musste ausgerechnet der Mensch, der mir sonst immer so gut tat, mein Herz zerreissen? Wieso musste er alle seine Gefühle in diesen Kuss reinstecken und mir anschließend weis machen wollen, es sei beduetungslos? Wieso musste er auch noch einen oben draufsetzen? "Arschloch!!", brüllte ich ihm mit meiner übrig gebliebenen Kraft entgegen und riss die Autotüre auf, welche ich im nächsten Moment zuknallte und zu meiner Haustür hastete. Die Tränen strömten förmlich über mein Gesicht und so viele offene Fragen bildeten sich in meinem Kopf. Der Kuss war schön, ohne Frage, doch hatte er mich ungewollt geküsst? Ich konnte das nicht glauben. Als ich ihn angeschrien hatte, hatte meine Stimme unfassbar stark versagt und gezittert und auch jetzt hatte mich dieses Zittern nicht verlassen und sich über meinen ganzen Körper ausgeweitet. Ich zitterte einzig und allein aus Wut, nicht weil mir kalt war oder sonstiges. Ich versuchte vergeblich den Schlüssel in das Schloss zu stecken, doch ich musste mich erst beruhigen. Bugra war mittlerweile abgedüst und das war gut so. Also begab ich mich zu der nächstbesten Tankstelle und besorgte mir dort drei Schachteln Zigaretten, zündete mir bereits auf dem Rückweg zu meiner Wohnung eine an. Dieser bittersüße Duft, der sich in meiner Lunge breit machte und mir dieses himmlische Gefühl von Stressabbau zu verspüren gab, ich liebte es. Genüsslich zog ich an der Nikotinstange, bis ich plötzlich begann zu husten. Ich kramte eine kleine Wasserflasche aus meiner Handtasche und trank einige Schlücke, bis ich die Zigarette zu Boden warf und sie austrat. Ich schnappte mir eine neue und zündete sie mir ebenfalls an, da war ich bereits an meiner Haustür angelangt. Es war immer wieder unglaublich, wie sehr eine einfache Zigarette zum Grund meines für einen Moment verflogenen Stresses werden konnte. Ich spürte ab und an einige Blicke auf mir, doch das empfand ich als normal. Wenn um diese Uhrzeit ein hilfloses Mädchen total verheult und rauchend durch die Straßen schlendern würde, würde ich vermutlich genauso schauen. Ich ignorierte die Blicke und stolzierte schließlich die Treppen hoch, wo ich bereits einige Atemschwierigkeiten zu spüren bekam und ein unertragbares Stechen in meiner Brust zu spüren vermochte. Ich betrat meine Wohnung und schmiss alles in eine beliebige Ecke, bis ich mich umzog und in mein Bett legte. Ich wollte mich um nichts kümmern, kennt ihr diesen Moment? Man will alleine sein, an nichts denken und genauso wenig tun. Meine Gedanken wollten nicht abschweifen, ich wollte mich zum Schlafen zwingen, doch ich schaffte es nicht. Erneut musste ich an das Geschehen mit dem Kuss denken und ich wünschte mir innerlich so sehr, dass es diesen Kuss niemals gegeben hätte. Konnte man das nicht irgendwie rückgängig machen? Es machte mich wahrlich verrückt, ich wollte es nicht wahrhaben. Widerrum war dieser Kuss wunderschön und am liebsten würde ich täglich, stündlich und sogar jede Sekunde gerne diese voluminäuse Lippenpracht auf meinem Mund spüren, ich sehnte mich bereits nach ihr.
"Du siehst aber nicht gesund aus, bist du etwa krank?" Ich schüttelte den Kopf und betrachtete mich bloß im Spiegel. Im nächsten Moment spürte ich eine kalte Hand auf meiner Stirn und anschließend eine deutlich wärmere Wange. Es waren nun auch die restlichen Tage ohne einen einzigen Ton von Bugra vergangen und so sehr es mir weh tat, ich wollte ihn nicht sehen. Der Prozess stand an und ich war nervös wie nie zuvor. "Das ist die Nervosität.", beichtete ich meinem Gegenüber, welches meine bezaubernde Aylin war. Einen kurzen Augenblick später erblickte ich bloß zwei kräftige Arme um ihren Bauch und einen auftauchenden Kopf, welcher zu Tuna gehörte. Er verpasste ihr einen Schmatzer auf die Wange und schon begann meine wunderschöne Freundin zu strahlen. Die beiden waren ein Traumpaar, einfach herrlich. Ich hätte mir niemals einen besseren Partner für die beiden vorstellen können und ich war froh darüber, wie es gekommen war. Ja, ich hatte die letzten Tage nichts von Bugra gehört und ja, ich hatte alles an ihm vermisst. Ich dachte oft nach, über seinen berauschenden Duft, über seine männlichen Gesichtszüge, über sein reifes Auftreten, über unsere gemeinsamen Zeiten. Abends lag ich da, mit dem pinken Delfin in den Armen und heulte mich aus, ich kam mir schon fast selber lächerlich vor. Doch er hatte es auch nicht nötig sich zu melden, oder wie? Ich wollte ihm nicht hinterher rennen, er hatte den Fehler begangen und dessen war ich mir bewusst. Ich hatte niemandem etwas erzählt, weder Aylin noch Tuna. Niemand sollte wissen, dass ich mich in solch einen Schwachkopf verliebt hatte. "Frau Kaya, sie können den Saal nun betreten. Ihre Freunde dürfen nicht mit." Ich nickte dem Anwalt leicht zu und wurde ein letztes Mal von meinen Freunden in den Arm genommen. "Du schaffst das, bleib locker." "Ja, denk an Umut. Ihr werdet euch gleich sehen und du wirst stark für ihn sein." Somit drückte Tuna mir einen herzlichen Kuss auf die Stirn und ich verschwand mit einem geflüsterten "Danke." im Gerichtssaal. Als ich Umut auf der Anklagebank sitzen sah, tat es mir irgendwie gut meinen eigenen Bruder wieder zu sehen und ich war von festester Überzeugung, dass er heute hier raus kommen würde. Außerdem würde ich heute die gesamte Wahrheit erfahren und alles, was mir zuvor verschwiegen wurde. Umut lächelte mir kurz zu und ich setzte mich auf einen der freien Plätze. Ich hatte keine Aufgabe in diesem Prozess, ich musste einfach nur da sein. "Guten Tag, Frau Kaya. Sie sind also die Schwester des Angeklagten und rein aus unterstützerischen Gründen hier." Ich nickte. Er las einige persönliche Daten vor, welche ich bloß bestätigen musste und schon fuhr er fort. "Wir warten im Moment noch auf die geladenen Kläger. Wenn Sie sich um einige Augenblicke gedulden würden.", sprach mir Umuts Anwalt leise zu. Ich war ungewohnt ruhig, da mich die Aufregung natürlich ungemein plagte, doch ich wollte bereits etwas Klarheit schaffen. Ich überlegte lange, sollte ich fragen? Schließlich beließ ich es dabei und hielt den Mund. Ich hörte von hinten, wie eine Tür aufgemacht wurde, doch ich wollte mich nicht umdrehen. Ich hatte Angst vor dem, was passieeren würde. Ich hatte Angst vor diesen Männern. Die Schritte kamen immer näher und plötzlich wurden alle meine Befürchtungen wahr. Tolga und Bugra. Bugra und Tolga. Sie marschierten mit drei weiteren großen, breit gebauten Männern in den Saal ein und schon begann Tolga mit seiner üblich ekligen Art mich anzusehen und mir zuzuzwinkern, während er dreckig lächelte. Ich drehte mich bloß angewidert weg. Bugra hatte seinen Blick gesenkt, doch kurz sah er auf und schon musste ich diese glänzend grünen Augen ertragen, welche auf mir ruhten.
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Ömür Boyu (Ein Leben lang)
Romance"Rede doch mit mir.", sein Atem prallte auf mein Gesicht, wodurch sein ekelhafter Mundgeruch in meine Nase einzog. Mein Herz raste wie wild, was wollte er von mir? Die Angst stieg immer weiter in mir auf. Er kam immer näher und immernoch versuchte i...