Kapitel 25

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Ich sah ihn gespannt an und musterte ihn von oben bis unten. Er war ein angsteinflößender Mann. Er hatte ordentlich was auf den Rippen, ziemlich dick und breit war er. Sein Gesicht war förmlich mit Narben versähen und seine kleinen Augen hatten etwas aggressives an sich. Er sah ziemlich ungepflegt aus, sein Bart war sehr lang und seine Haare waren zersaust und ebenfalls lang. "Und Tolga, das ist Özge.", sprach er lächelnd. Schlagartig begann Tolga zu grinsen, was mich regelrecht anekelte, denn er lächelte mir auf einer dreckigen Art und Weise zu. Nun streckte er mir seine Hand entgegen. "Freut mich, Özge. Bugra hat mir schon viel von dir erzählt."
Diese Hand, ich wollte sie nicht schütteln. Und diese unfassbar tiefe Stimme, welche einen grellen Klang in meinen Ohren bildete. Seine Stimme gefiel mir nicht, sie hallte leblos aus seinem Mund. Ich war nach wie vor fixiert auf sein äußeres Erscheinen. Er war mindestens 30 Jahre alt. Ich konnte Bugra aus dem Augenwinkel beobachten, wie er sein typisch schiefes Grinsen aufgesetzt hatte und mich ansah. "Tut mir leid, wir haben es eilig.", sprach ich, während ich Aylin hinter mir herzog. Bugra jedoch, hielt mich auf, indem er mich in eine Umarmung zog. Während der Umarmung konnte ich aus dem Augenwinkel Tolga erblicken, welcher erneut dreckig grinste. "Ich melde mich bei dir, ja?", hauchte er mir ins Ohr und anschließend verabschiedete ich mich mit einem Nicken. Nun waren wir raus aus dem Café und starrten uns gegenseitig fassungslos an.
"Das ist Tolga?", sprach sie in einem aufgebrachten Ton, ich nickte bloß.
"Wie eklig ist der denn?", ertönte es entsetzt aus ihrem Munde. "Halte dich wirklich von dem fern, hast du sein dreckiges Grinsen gesehen?"
"Mit Tolga hab ich doch nichts zu tun. Wie findest du Bugra?", fragte ich sie lächelnd. Sie erwiderte mein Lächeln, während sie eine Augenbraue hochzog. "Er sieht richtig gut aus." Wir kicherten vor uns hin, während wir noch eine ganze Weile über den Vorfall diskutierten. "Was hat der dir ins Ohr geflüstert?" Bei dem Gedanken musste ich erneut anfangen zu grinsen. "Dass er sich bald bei mir meldet.", sprach ich fröhlich. "Weißt du was ich denke?", kam es von Aylin, was ich mit einem einfachen "Hm?" erwiederte. "Ich glaube, Bugra steckt nicht mit denen unter einer Decke. Wenn man bedenkt, was er alles versucht, um dich kennenzulernen, dann scheint er echt ein netter Typ zu sein." Ich nickte bloß. Doch im Nachhinein fiel mir auf, was sie wirklich gesagt hatte. Sie hatte mich nicht mit ihren pessimistischen Gedanken vollgeredet, sondern Bugra gelobt. Sie hatte mir gezeigt, dass sie Bugra für einen netten Menschen hielt. Ich war in einer gewissen Weise stolz auf ihre Denkweise, was sie jedoch im nächsten Moment zu zerstören vermochte. "Halte dich trotzdem von ihm fern, vielleicht gehört das ja zu seinem Plan."
Die Situation kam mir persönlich lustig vor, weshalb ich laut loslachte. Sie sah mich fragend an. "Na, gerade hattest du so positive Gedanken und im nächsten Augenblick warst du wieder die typische Pessimistin Aylin.", hallte es freudig aus meinem Mund, während ich mich mit dem Lachen nicht zurückhalten konnte und sie ansteckte. Als wir uns ein wenig beruhigt hatten, kam ich erneut auf das Thema zu sprechen. "Ich habe ein gutes Gefühl bei Bugra." "Was ist mit Burak?", wollte sie sofort wissen. "Ich sag doch nicht, dass ich Bugra liebe. Ich mag ihn sehr und bei ihm geht es mir gut. Bei Burak weiß ich nicht so recht, ob das noch was wird."
Sie hob ihren kleinen zierlichen Finger und deutete auf meine linke Brust. "Hör auf dein Herz.", sagte sie anschließend. Ich lächelte sie liebevoll an, ich liebte dieses Mädchen unbeschreiblich sehr. Ich hatte niemandem von unserem Tag am Starnberger See erzählt und eigentlich hatte ich das auch nicht vor. Allerdings hielt ich es in diesem Moment für nötig, meine beste Freundin darüber aufzuklären.
"Aylin?", sprach ich leise zu ihr. "Hm?", kam es ebenfalls ziemlich ruhig von ihr.
Erst zögerte ich, doch anschließend klärte ich sie über den Tag und über jedes einzelne Detail auf. Fassungslos starrte sie mich an. "Wieso hast du mir das nicht vorher gesagt?", wollte sie wissen, woraufhin ich regelrecht mit den Schultern zuckte. Erst war ihre Miene ernst, doch anschließend lockerten sich ihre Gesichtszüge und verträumt blickte sie mir entgegen. "Er ist der Richtige.", sagte sie noch immer schwärmend. "Wie meinst du, der Richtige?", wollte ich nun wissen
"Schau doch mal, was er alles für dich tut. Denkst du, er macht das einfach so? Aus euch wird noch was, glaub mir." Kurz zögerte, bis sie schließlich doch etwas hinzufügte, was mich erneut zum Lachen brachte. "Pass aber auf.", sprach sie grinsend.
Ich schüttelte unsicher den Kopf. "Ich habe keine Gefühle für ihn.", sprach ich nun deutlich entschlossener. Nun schüttelte sie den Kopf. "Das denkst du bloß!" Ihre Worte machten mich zwar nachdenklich, aber nicht einmal bei unserem Beinahe-Kuss hatte ich etwas gefühlt. Oder etwa doch?

Ömür Boyu (Ein Leben lang)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt