Kapitel 34

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Ich musste meine Ohren unfassbar gut spitzen, um alles genaustens zu verstehen, da Bugra im nächsten Moment erneut seine typisch gelassene Art annahm und ruhig zu Tolga sprach, allerdings beruhigten mich seine Worte in keinsterweise. "Du wirst dich von ihr fernhalten, hast du das verstanden?" Ich wusste nicht, ob er mich damit meinte, doch normalerweise müsste er mich meinen. "Fass sie nicht an und versuch erst gar nicht, dich ihr in irgendeiner Weise zu nähern, sonst wirst du was erleben!"

Ich beobachtete gespannt die Reaktion von Tolga, welcher sein so üblich dreckiges Grinsen aufgesetzt hatte, vor welchem ich mich ungelogen ekelte. "Du sollst machen, was ich dir sage und dich nicht in sie verlieben, Ateş." Nun blitzte die Wut augenblicklich in Bugras Augen auf, worüber ich sehr verwundert war, denn normalerweise war er ein sehr ruhiger Mensch, von welchem ich noch nie eine aggressive Art vernommen hatte. Er funkelte Tolga mit seinen wunderschönen grünen Augen an und drückte ihn dabei heftig gegen eine Mauer. Er schaffte es wirklich, diesen Proll von Tolga gegen eine Wand zu drücken, was ich als unmöglich angesehen hatte, er hatte nämlich ordentlich was auf den Rippen. Tolga wehrte sich nicht. Schließlich hatte Bugra ihn losgelassen. Tolga klopfte mit seinen Händen seine Klamotten ab und lächelte erneut in dieser ekelhaften Art. "Du wirst ihr nichts tun, verstanden?", kam es ein letztes Mal von Bugra. Er besiegelte das Gespräch mit einem unsanften Ruck, womit er Tolga ein weiteres Mal gegen die Wand stieß und anschließend trat er voller Energie gegen die Mauer, wobei er einmal unfassbar laut aufschrie. Ich hatte Bugra noch nie so aggressiv gesehen und zugegeben, es war sehr beängstigend, zumal es sehr ungewohnt war. Tolga schritt nun davon, doch nicht ohne sich noch ein letztes Mal zu Bugra zu wenden und ihn zu provozieren. "Pass besser gut auf die Kleine auf.", sprach er zwinkernd und im nächsten Moment näherte sich Bugra mit schnellen Schritten diesem unglaublich ekligen Mann. "Was ist dein Problem? Du wirst sie ihn Ruhe lassen.", kam es lässig von ihm, während er mit seinem Zeigefinger Tolgas Brust anstupste. Sein Tonfall war zwar besinnlich, doch seine Augen verrieten Wut und Hass. "Mach deine Arbeit gut, sonst wirst du es bereuen Ateş." "Ich werde sie nicht benutzen, vergiss es!"

Benutzen? War wirklich ich damit gemeint? Tat Bugra das alles nur, um mich für irgendeinen Zweck zu benutzen? Also arbeitete Bugra doch für Tolga, aber benutzen? Das Wort drang in mein Herz ein wie ein elender Messerstich und ich spürte bereits die Tränen in mir aufsteigen. Bugra war mir wichtig geworden, er war mir ans Herz gewachsen. Was, wenn er mich wirklich nur benutzen wollte? Aber hatte er nicht gesagt, Tolga solle mich in Ruhe lassen? Und hatte Tolga nicht gesagt, Bugra solle sich nicht in mich verlieben? War ich überhaupt mit Allem gemeint? Ich war mir ziemlich sicher, dass sie mich gemeint hatten, doch ich wollte es nicht glauben. Ich wollte nicht von einem Mann benutzt werden, welcher mir wichtig geworden war und in dessen Nähe ich alle Sorgen vergessen und glücklich sein konnte. Fragen über Fragen, doch keine Antworten. Ich war in Gedanken versunken, weshalb ich den weiteren Verlauf des Gespräch nicht mitbekam. Doch als Tolga sich nun von Bugra entfernte, kam ich wieder zu mir. Ich musste das soeben Geschehene vorerst realisieren und ich wollte auch nicht direkt zu Bugra, da er sonst merken würde, dass ich alles beobachtet hatte. Als Bugra sich in die Richtung drehte, in der ich mich versteckt hatte, verschwand ich schlagartig hinter der Mauer und mein Herz begann zu rasen. Allerdings pochte es noch schneller, als sich Bugra unerwartet auf genau die Mauer setzte, hinter welcher ich mich versteckte. Ich beobachtete ihn, während ich am Überlegen war, wie ich nun hier weg kommen würde. Er zückte sein Handy gelassen aus der Hosentasche und wählte eine Nummer. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Hoffentlich rief er nicht mich an. Als er es nun zu seinem Ohr führte und plötzlich aus meiner Hosentasche mein übetrieben lauter Klingelton ertönte, drehte Bugra schlagartig seinen Kopf in meine Richtung und wie auf Kommando erhob ich mich aus meiner zuvor gebückten Position. Diese Situation war mir äußerst peinlich. Bugras Gesichtsausdruck war deutlich schockiert, weshalb er nur langsam das Handy zurück in seine Hände nahm und auflegte. "Ö-özge?", stotterte er. Eigentlich war mir das jetzt ziemlich unangenehm, doch mir war das egal. Nachdem ich soeben alles mitgehört hatte, wollte ich Rede und Antwort. Er sprang leicht von der Mauer runter und fiel mir leidenschaftlich in die Arme. "Ich dachte, er hat dir was angetan.", hauchte er mir ins Ohr, während er sanft über meine Haare strich. Wer sollte mir was tun, Tolga? Ich genoss seine Nähe unfassbar sehr und seine Anwesenheit löste angenehme Gefühle in meinem Bauch aus. In mir erwärmte sich plötzlich alles und dieses Gespür von Wohlempfinden kam zur Geltung. Es war, als wäre eine zuvor große Lücke in meinem Herzen plötzlich gefüllt. Wir sahen uns schweigend in die Augen. Dabei kam er immer näher an mich heran und hauchte mir erneut etwas ins Ohr, was mir eine schrille Gänsehaut verpasste. "Ich hatte Angst um dich."

"Aber wieso?", kam es direkt von mir. "Tolga hat mir eine Nachricht geschickt. Er hat mir gedroht, dass er dir etwas antun würde. Ich hatte schreckliche Angst." Ich konnte diese Worte nicht begreifen geschweigedenn wahrnehmen, befand ich mich denn in so einer großen Gefahr? Erneut umschloss er meinen ganzen Körper mit seinen starken Armen, doch das hinderte mich nicht am Fragen. "Was sollte das Gespräch eben? War damit ich gemeint?" "Das Gespräch..", murmelte er vor sich hin. "Ja.", sagte er anschließend kurz und knapp, wobei er mir intensiv in die Augen blickte. Ich schubste ihn mit voller Kraft von mir weg, was auf fragende Blicke traf. "Was tust du?", wollte er von mir wissen. "Du sollst mich also benutzen, Ateş?!", sprach ich gekränkt. "Özge, das glaubst du doch nicht im Ernst, oder?" "Doch Bugra. Wieso sollte er dir sonst so etwas sagen wie 'mach deine Arbeit gut' und-", ich wollte weiterreden, doch er ließ es nicht zu. "Ja, das hat er gesagt. Hast du auch gehört, was ich daraufhin erwidert habe? Ich sagte nein! Ausdrücklich! Wie kommst du auf sowas? Niemals würde ich dich einfach so verwenden, egal zu welchem Zweck.", er sprach noch immer ruhig, was ich so sehr an ihm bewunderte, dass ich tagelang davon schwärmen könnte. In seinem Gesicht bildete sich ein meiner Meinung nach gefälschtes Lächeln und er kam nun näher an mich heran. Mit jedem Schritt, den er sich mir näherte, pochte mein Herz schneller und lauter und ich machte immer wieder einen Schritt zurück, bis ich mit dem Rücken gegen eine Mauer prallte. "Was für eine Arbeit sollst du denn machen Bugra?" Er stand nun direkt vor mir und hatte seine beiden Hände links und rechts von meinem Gesicht abgestemmt. Mit seinem Gesicht näherte er sich meinem, wobei mich mit jedem Millimeter ein Stück mehr die Angst plagte, bis ich plötzlich seinen warmen, angenehmen Atem auf meine Lippen prallen spürte. "Das ist geschäftlich bedingt, das geht dich nichts an. Du brauchst gar nicht so neugierig sein, Özge.", kam es flüsternd von ihm, woraufhin sich ein atemberaubendes Lächeln auf seinen unwiderstehlichen Lippen bildete und er sich mir immernoch näherte, was mir mittlerweile immer unangenehmer wurde.

Ömür Boyu (Ein Leben lang)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt