Ich erkannte einen entschuldigenden Funken in den Augen meiner Mutter, welche nun ziemlich nah vor mir stand. Ihre Augen waren glasig, füllten sich mit Tränen und so sah sie mich still mit ihren wundervollen grünen Augen an, welche mein Bruder von ihr geerbt hatte. "Kizim. (Meine Tochter)", flüsterte sie, während ihr einige Tränen die Wange hinunterliefen. Sie nahm mich in ihre Arme und ich ließ es zu, wie sehr hatte ich diese Geborgenheit vermisst, welche man von der eigenen Mutter zu spüren bekam. Ich spürte zahlreiche Blicke auf uns, doch das interessierte mich nicht. Dieser Moment war so kostbar, ich genoss ihn sehr. Sie löste sich von mir und anschließend ging sie zu Umut über. Sie strich ihm zärtlich über das Gesicht und flüsterte ihm ebenfalls einige Sachen zu. Anschließend sagte sie etwas lauter, sodass ich es diesmal auch verstand, "Hersey icin cok özür dilerim cocuklarim (Ich entschuldige mich für alles, meine Kinder)." Umut sah etwas verzweifelt zu mir rüber und man konnte deutlich erkennen, dass er ebenfalls berührt von der Situation war. Özlem stand starr am Rand und beobachtete das Geschehen, bis sie etwas sprach. "Wir müssen mal zu viert reden..", sprach sie hochnäsig zu uns und wir alle stimmten zu. "Leute, wir sind mal eben weg. Tuna, pass hier auf.", sprach mein Bruder zu unseren Gästen und als uns schließlich alle zustimmten, gingen wir an einen etwas ruhigeren Ort gemeinsam mit meiner Mutter und meiner Zwillingsschwester. Özlems arrogante Art verschwand augenblicklich, als ich ihr in die Augen sah und ihr Blick lockerte sich, sogar einen Funken Freude konnte ich erkennen. "Wir bereuen wirklich alles, was wir euch jemals angetan haben.", sprach Özlem mit einer traurigen Miene, während wir uns gegenseitig intensiv ansahen. "Die Einsicht kam wie?", kam es anschließend von mir. "Wir haben Umut zu Unrecht verstoßen, er war unschuldig und als seine Familie hätten wir zu ihm stehen sollen, so wie du es getan hast..", fuhr sie fort. "Wir vermissen euch, es tut uns so leid.", meldete sich schließlich auch meine Mutter zu Wort. "Ihr sollt unsere Familie sein? Ihr habt uns verstoßen, verachtet. Sollen wir euch das mit einem Mal verzeihen?" "Das erwarten wir doch nicht, aber wir bereuen es wirklich. Ihr fehlt uns und ich will selbstverständlich, dass meine Geschwister bei meiner Hochzeit dabei sind.", sie lächelte verlegen und deutete auf ihren Ringfinger, an welchem ein bezaubernd funkelnder Ring angebracht war. Ich blickte mich um und plötzlich strahlten alle Gesichter, auch meins. "Wow, d-du heiratest?", gab ich voller Bewunderung von mir, was sie mit einem stolzen Nicken erwiderte und Umut sie plötzlich in seine Arme nahm. Es war fast wie früher, wir verstanden uns alle super. Er verpasste ihr einen liebevollen Schmatzer auf den Haarscheitel und auch meine Mutter und ich erfreuten uns daran. Wir alle strahlten bis über beide Ohren und es war für einen kleinen Moment fast so, als wäre die Harmonie von früher wieder eingekehrt. Umut fragte sie eine Weile lang aus, so lange sprach mich meine Mutter an. "Kizim, gibt es da bei dir auch einen Jungen?", flüsterte sie mir zu und sofort musste ich an Bugra denken, doch reflexartig schüttelte ich meinen Kopf hastig, ach wenn sie nur wüsste.. Ich war unbemerkt in meinen Gedanken versunken, aus welchen mich kurz darauf Özlem riss. "Außerdem habe ich meine Schwester und gleichzeitig meine beste Freundin vermisst und wir würden uns echt freuen, wenn ihr uns vergebt. Wir haben Scheiße gebaut und einen riesen Fehler begangen, nein sogar mehrere dumme Fehler begangen und wir wissen auch, dass die Einsicht zu spät kommt, aber für uns seid ihr niemals etwas anderes als Familie gewesen, verzeiht uns bitte all unsere Fehler." "Anne, Özlem, lasst uns Zeit zum Überlegen. Wir fliegen Morgen in den Urlaub und danach werden wir euch mitteilen, für was wir uns letztendlich entschieden haben. Lasst uns einfach diese Zeit." "Hangi parayla, oglum? (Mit welchem Geld, mein Sohn?)" "Ich habe es bezahlt, von meinem Nebenjob, mein selbstverdientes Geld. Ich habe lange gespart, aber jetzt habe ich es sinnvoll ausgegeben. War ja nur harte Arbeit." Ich sprach extra provokant und sarkastisch, damit sie es endlich verstand: All die Jahre haben wir null Unterstützung von ihr gesehen, ob finanziell oder sonstiges. Das sollte sie wissen und sie sollte auch wissen, wie ich dazu stand. Sie war eine Mutter, ich wollte, dass die beiden all ihre Taten zutiefst bereuten und dass sie und förmlich um Vergebung anbettelten, vorher würde ich ihnen all das nicht verzeihen. Ich erkannte die Enttäuschung und eine gewisse Reue aus ihrem Blick heraus, welche mich prahlen ließen. Schnell würde ich nichts verzeihen und niemals würde ich das alles vergessen. Vergeben war noch nie eine meiner Stärken gewesen, dennoch überlegte ich es mir gut, immerhin war das meine Familie. Wir wechselten nicht mehr sonderlich viele Worte miteinander, bis sie sich schließlich wegmachten. "Ich bin stinksauer.", sprach ich meinem Bruder genervt zu. "Kann ich verstehen." "Sie stehen dir nicht zur Seite, stempeln dich als Kriminellen ab, verstoßen mich, weil ich auf deiner Seite stehe und kommen jetzt einfach mal so zurück. Bloß weil sie wissen, dass du unschuldig bist. Haben sie jemals an deine Unschuld geglaubt? Nein! Es kotzt mich an!", regte ich mich weiterhin auf. Gegen Ende wurde ich lauter und kickte gegen eine beliebige Wand. "Shh, wir werden sie schon zittern lassen, so einfach verzeihen wir niemanden, sei es unsere Familie oder irgendwer. Wenn, dann werden wir ihnen für Baba vergeben und aus keinem anderen Grund. Unser Urlaub steht jetzt an erster Stelle mein Engel." Er umarmte mich liebevoll und flüsterte mir weiterhin beruhigende Worte ins Ohr, welche meine aggressive Laune zugegeben milderten. Seine Nähe war ein wunderbares Geschenk. Diese Geborgenheit genoss ich in vollen Zügen und irgendwie.. fühlte ich mich so wohl wie.. bei Bugra. Hastig entfernte ich mich von meinem Bruder, ich wollte nicht weiterhin an dieses beschissene Arschloch denken. "Ne var? (Was ist?)" "Nichts nichts, wir sollten zurück gehen." Er nickte bloß verständnisvoll mit dem Kopf und schon befanden wir uns auf dem Weg zurück zu unserer Feier.
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Ömür Boyu (Ein Leben lang)
Romance"Rede doch mit mir.", sein Atem prallte auf mein Gesicht, wodurch sein ekelhafter Mundgeruch in meine Nase einzog. Mein Herz raste wie wild, was wollte er von mir? Die Angst stieg immer weiter in mir auf. Er kam immer näher und immernoch versuchte i...