Am nächsten Tag habe ich einen verdammten Kater. Wie bin ich hergekommen in mein Bett? Wo sind meine Eltern. Vorsichtig torkele ich in die Küche. Zum Glück ist es ein Samstag. Mama und Papa sind in der Küche. Sie unterhalten und als ich komme begrüßen sie mich nur kurz und reden weiter. Sie bemerken nicht mal meine Augenringe. Alles, was sie interessiert ist die Party heute Abend. „Dukommst mit.", sagt Mama nur kurz. Ich bemerke, dass sie wütend ist. Warum? Hat sie etwa doch gemerkt, wie betrunken ich war? Ich hab stechende Kopfschmerzen. Wie ertragen die anderen dass nur? Aber ich freue mich, dass Mama wütend ist. Endlich.... sie macht sich Sorgen. Papa steht auf und gibt mir ein Glas und Aspirin dazu. „Du siehst schrecklich aus. geht's dir nicht gut?", fragt er. Heute ist mein Glückstag.... Sie nehmen Notiz! „Du bist so komisch. Gestern hast du mich blamiert neben Haluk. Bist einfach weggegangen!", wirft Mom mir vor. Moment mal! Nein! Nein! Sie ist nur sauer, weil sie meint ich hätte sie blamiert! Nicht, weil sie sich Sorgen macht. Nein... so sollte es nicht sein. Ich schiebe die Cornflakes weg. Der Appetit ist mir vergangen. Sie nehmen nicht mal Notiz davon, sondern unterhalten sich weiter. Aber ich bin wieder traurig. Was mache ich denn falsch. Ich gebe doch mein bestes. Meine Augen flehen.... bitte Mama... bitte nimm mich wahr! Unser Hausmädchen räumt den Tisch ab und ich helfe ihr ein wenig. Aber sie besteht darauf, dass ich es nicht tue. Was soll ich sonst tun? Ich bleibe einfach am Küchentisch sitzen und beobachte den Abwasch. Dabei komme ich mir dämlich vor. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre arm. Entsetzt ziehe ich die Luft ein, wie kann ich so etwas denken? Weiß ich denn nicht, wie schwer Mama es hatte? Außerdem ist Cüneyt toll. Vor mir liegt noch das Glas Wasser und die Aspirin. Ich nehme es und gehe hoch in mein Zimmer um Hausaufgaben zu machen.
Gegen Mittag kommt Esra vorbei. Wir wollen uns für das Event fertig machen. Ihr Vater ist ein hohes Tier in der Politik. Es ist irgendeine Eröffnung. Sie macht mir die Haare und redet ununterbrochen von ihrem Unifreund. Eigentlich ist sie ja ganz süß, wenn Ceren nicht dabei ist. „Ich war gestern mit Koray, Ceren und Berkcan", sage ich und Esra nickt „Ich weiß.... ich meine Ceren hats allen rumerzählt." Sie schaut mitleidig. Was wohl Ceren erzählt hat? „Koray ist wirklich toll...", murmelt sie. Aber dabei lässt sie den Blick sinken. Was weiß sie? Ich beschließe nicht darauf einzugehen und widme mich stattdessen der Schminke zu. „Perfekt!", sage ich als ich ihren Lidstrich mache „Sag mal kommt dein Freund heute auch? Ich meine wir haben ihn noch nie gesehen!" Esra errötet... „Nein... er hat voll viel zu tun." Ich merke, dass es ihr unangenehm ist. Wir alle haben unsere Geheimnisse. „Sibel... du bist so anders als wir. So perfekt... du siehst gut aus und so.... aber du, du bist anders.", sagt sie. Mist, sie hat mich ertappt! Sie weiß, dass ich anders bin. „Ich hab dich gern, bei dir fühl ich mich wohl", sagt sie und legt den Arm um mich. Wenn ich könnte, würde ich jetzt heulen. Esras Nähe ist unerträglich, aber unerträglich schön. Es tut mir nur weh, nachdem was ich heute morgen erlebt habe. Warum sagt sie s etwas, etwas, was meine eigene Mama nicht sagt? Manchmal sind uns Fremde eben näher. „Was ist es, was du auf dem Herzen hast?", frage ich sie liebevoll. „Ich habe keinen Freund. Ich war nur so eifersüchtig auf dich und auf Berkcan und Ceren. So, jetzt ist es raus!", sie pustet erleichtert. Aber, dann weiten sich ihre Augen. Sie bereut es jetzt schon erkenne ich. Ich verurteile sie nicht. Ich lüge auch jeden Tag, jeden an UND am allermeisten mich selber an. Ich sage nichts dazu und sie ist dankbar. „Ich wusste, dass du es verstehst", sagt sie und legt die Hand in meine.
Mama und Papa fahren schon vor. Ich mit Koray hinterher. Er ist heute wieder richtig glücklich. Wenn ich es nicht falsch verstehe, ist er stolz auf mich, wegen gestern. Verrückte Welt. Währent Koray sorglos vor sich hinplaudert, muss ich immer wieder an Esra denken. Ist es in Ordnung, dass sie lügt nur um ein Teil der Gruppe zu sein? Für Anerkennung? Tue ich nicht, das gleiche? Warum, sagt sie ich bin anders?
„Du grübelst wieder" „Hmmm?" „Sibel, du denkst zu viel nach. Du musst wie gestern sein... sorglos. So mag ich dich am meisten" Also bekifft. Müssen wir echt bekifft sein um unsere gegenseitige Nähe ertragen zu können? Warum fragst du mich nicht, wie es mir geht. Als wir ankommen, stellt Koray mich allen vor. Stolz verkündet er, dass ich seine Freundin bin. Schulbeste. Gutaussehend. Es ist als würde er Werbung für mich machen. Meine Eltern hingegen, sagen allen, dass ich mit dem Sohn eines Models und eines Arztes zusammen bin. Überall Gesichter, wichtige Geschäftsmänner.... Mir kommt das Kotzen. Ich gehe schnell ins Badezimmer... brauch etwas Auszeit. In meiner Tasche ist ein Kurzer. Ich kippe mir alles runter. Hinter mir kommt jemand aus der Kabine. Es ist ein Mädchen aus der Schule, die mich voller Mitleid anschaut. Ich sehe schon die Schlagzeile Montag kommen. Sibel- die Alkohlikerin. Aber im Moment kann ich nicht darüber nachdenken. Ich schleiche mich aus dem Bad und beschaffe mir noch mehr Alkohol. Als ich auf dem Balkon eine Gestalt wahrnehme. „Koray?", frage ich langsam. „Sibel?", er sieht ertappt aus. „Was..?" Ich schau mich um, aber da ist niemand. Als ich Koray in die Augen blicke, hat der sich auch schon gefasst. Was, das wohl war? Er legt den Arm um mich und sagt nur „Gestern war wunderschön... lass es uns wiederholen."
DU LIEST GERADE
Renn!
Mystery / ThrillerDies ist nicht meine Geschichte... Es ist seine. Nur kann er sie nicht mehr erzählen. Er ist tot. Also werde ich es tun. Soweit ich das kann. Jetzt bin ich auf dem Friedhof. Vor mir stehen zwei Wege, die zur zwei Gräbern führen. In einem liegt da...