Kapitel 36

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Ich versuche Koray so gut, wie möglich aus dem Weg zu gehen. In den Pausen drücke ich mich in der Schulbiblothek oder auf dem Klo. Als der Tag endlich zu Ende geht atme ich erleichtert aus. Schnell packe ich die Hefte in meine Tasche. Dabei hab ich heute eigentlich kaum was mit. Ich tappe im Schulflur rum und lege die Sachen in mein Spind. Als ich ihn zuschlagen will, sehe ich das Koray direkt neben mir steht.
Mist.
Er nimmt meine Hand in seine und schaut mich intensiv an.
Koray: Wie geht's dir, Liebling.

Ist jemand bei uns? Aber der Flur ist vollkommen leer.
Ich schaue ihn irritiert an.
Doch er erwartet nicht mal eine Antwort, sondern zieht mich hinter sich her. Er hat eine unterschwellige Wut. Irgendwie... jagt er mir Angst ein.
Koray: Wir müssen reden... Schatz.
Sibel: Koray...
Doch ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Er führt mich in sein Wagen und drückt mich rein. Mittlerweile habe ich richtige Angst.
Doch noch ist er ruhig. Er fährt so durch die Gegend. Dass ist Koray! Du bist mit ihm zusammen! Du brauchst doch keine Angst haben....
Aber er ist so still. Seitdem ich Koray kenne, war er noch nie still.
Sibel: Es tut mir leid.
Koray: Aha. Und was?

Ich weiß es nicht.

Sibel: Koray... rede mit mir.

Er schweigt weiter.
Irgendwann merke ich, dass wir bei uns in der Einfahrt stehen. Ich mache Anstalten auszusteigen, doch Koray legt die Hand auf meinen Arm. Ich schaue ihn an.. wird er jetzt mit mir reden...?

Nein.
Er
er
....
er weint.

Ich sehe ihn zum ersten Mal weinen.... und es bricht mir das Herz. Ich weiß, gar nicht was ich dazu sagen soll oder wie ich reagieren muss.
„Warum verlassen mich immer alle ?", bringt er schluchzend heraus.
Ich kann nicht anders ich lege die Arme um seinen Hals.
Sibel: Koray... ich bin doch da.
Koray: Nein bist du nicht! Du bist nicht da!
Sibel: Doch Schatz... hier bin ich doch.
Koray: Wo warst du gestern... als wir uns treffen wollten.
Sibel: Es tut mir leid.
Koray: Verdammt! Sag es nicht immer wieder!
Er schlägt gegen das Lenkrad.
Koray: Mir tut es leid. Aber verlass mich bitte nicht.... bitte.

Ich muss an seine Mutter denken. Daran, dass er nur so ist, wie er ist, wegen ihr. Er hat bestimmt Verlustängste.
Aber ich hab meinen Dad doch auch nie kennengelernt!

Aber ich habe Cüneyt.
Eine Familie.
Koray ist mutterseelenallein.
Ich umarme ihn noch fester, bis sich sein Herzschlag beruhigt.

Koray: Bitte Sibel... verlass mich nicht.... du bist doch alles was ich hab. Durch dich bin ich doch, wer ich bin.

Ich schlucke einen heftigen Kloß runter.
Ich kann ihn doch nicht jetzt verlassen? Dass kann ich ihm nicht antun.

Sibel: Ich bleibe bei dir.
Koray: Wirklich?
Seine Augen leuchten. Behutsam lege ich ihm einen Finger auf den Mund.
Sibel: Psst... Reiß dich zusammen. Ich werd dich nicht verlassen.
Koray: Ich... ich... liebe dich.

Er schaut so liebevoll mit seinen wässrigblauen Augen... ich kann nicht anders.

Sibel: Ich dich auch.

Plötzlich verwandeln sich diese wässrigblauen Augen in graugrüne und blicken mich enttäuscht an.

Cengiz.

Warum denke ich jetzt an ihn?
Damit ich sein Bild aus meinem Kopf verbannen kann, küsse ich Koray.
Ja. Ich bleibe. Er liebt mich doch.

Und du? Fragt mich eine Stimme in meinem Kopf.
Ich versuche mich Korays Lippen zu widmen um das vollkommen zu überhören.

-.-.-.--.-.-.

Koray gibt sich sehr viel Mühe.Er begleitet mich sogar bis zum Auto, küsst mich zum Abschied und wirft mir einen Handkuss bevor er losfährt. Als ich die Tür schließe bin ich dennoch erleichtert.
Trotzdem weiß ich, dass jetzt noch Ärger ansteht, schließlich war ich eine komplette Nacht weg.
Ich lege meine Tasche ab und begrüße Cüneyt. Er blickt nur von seinem Tablet hoch, schenkt mir ein Lächeln und arbeitet weiter. Wo ist Mama?
Ah... ich endtecke sie am telefonieren, als ich an ihr vorbei gehe, nickt sie mir nur zu.
Spätestens dann merke ich, dass die es nicht mal mitbekommen haben! Sie haben es nicht mal bemerkt, dass ich die komplette Nacht weg war.
Anstatt mich zu freuen, bereitet sich eine komplette Leere in meinem Magen aus.

Siehst du Koray... auch ich habe keine Familie.
Plötzlich fühle ich mich sehr einsam und muss, wie immer an solchen Momenten an Benni denken.
Was er jetzt wohl macht?

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