Kapitel 42

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Innerhalb eines Tages ist mir die Welt fremd geworden. Keinen Freund, kranke Familie. Erst einmal laufe ich durch die Gegend aber es ist kalt. „Der Winter ist endgültig da...", murmele ich. Es ist nicht lange her, da bin ich schonmal so durch die Stadt gelaufen. Bei dem Gedanken an Cengiz lächele ich. Das kann doch nicht wahr sein! Warum denke ich ausgerechnet, jetzt, an ihn? Ich schüttele den Kopf und laufe schnurstracks in einen Laden. Seit gestern Abend habe ich nichts gegessen. Verdammt! Ich hab kein Geld dabei!!! Was mache ich nur?
Ich bin kurz davor durchzudrehen. Ich brauche Alkohol,Zigaretten und Gras. Was mache ich nur? Wann bin ich so geworden. Im Laden ist es wärmer, als draußen. Aber ich kann doch hier nicht schlafen. Ich schlendere durch die Gänge und versuche Zeit zu schinden. Ich hoffe nur, dass ich niemandem begegne.
„Entschuldige Madame, wollen Sie etwas kaufen?" Ein zahnloses Lächeln mustert mich skeptisch.
„Ich ähhh.... ich muss gehen."
Abrupt stürze ich mich aus dem Laden. Aber ich komme nicht weit. Irgendwo breche ich, dann doch zusammen. Ich weine nicht... ich setze mich nur an eine Straßenkante und schmiege meinen Kopf an meine Knie.
„Was soll ich nur machen?" , frage ich vor mich hin. Es ist, wie in einem schlechten Film. Dunkle Gasse, ganz hinten inmitten einer Müllheide. Ich friere. Mein Körper wird müde. Ich spüre, wie einige Knochen erschlaffen.
„Hey, was suchst du hier? Du gehörst doch bestimmt nicht her... Prinzessin." Erschrocken hebe ich meinen Kopf. Mich mustern zwei, neugierige Augenpaare. Ich ignoriere ihn. Aber er setzt sich zu mir, legt mir eine Jacke um die Schultern. „Dir muss es ja echt scheiße gehen, wenn du freiwillig herkommst." Dankbar, kuschele ich mich an die Jacke. „Du musst nicht reden. Hier redet keiner. Aber glaub mir, geh lieber weg von hier. Auf der Straße zu leben ist echt nicht toll. Zigarette?"
Oh Gott.Der.Typ.Muss.Ein.Engel.Sein.
Dankbar nehme ich an.
„Oh du kannst ja lächeln..."
Ich nehme einen tiefen Zug und spüre, wie mir wärmer wird.
„Danke", sage ich.
„Aha. Und reden kannst du auch."
„Mein Name ist Sibel."
„Ich bin Bully. Also so nennen mich hier alle."
„Bully?", frage ich ungläubig.
„Ich finds cool." Er lacht und teilt ein Brot in zwei. „Hier", sagt er.
„Dich hat der Himmel geschickt.", sage ich während ich das Brot gierig verschlinge.
„Langsam, Sibel!", ermahnt Bully mich „Hast du keine Freunde? Kannst du nirgendwohin?"
Ich schüttele den Kopf.
„Mädchen, in deinem Alter hat jeder irgendwen. Du bestimmt auch. Also...?"
„Ja... also eine Person. Aber ich verdiene es nicht so...."
Bully schaut mich an und lächelt „Glaub mir noch weniger,verdienst du es eine Nacht hier in der eisigen Kälte zu schlafen."
Ich zuck die Schultern. Klar, ich könnte nach Hause. Aber dann müsste ich mit Papa reden.
Aber Bully hat Recht. Wenn ich mich zwischen meinem Stolz und dieser Müllheide entscheiden muss.... kann mein Stolz nicht gewinnen, wird mir klar. Ich gehöre nicht hierher. Mir ist kalt und es stinkt. Je länger ich hier sitze umso länger wird mir klar, dass ich nicht hergehöre.
Ich stehe auf.
Bully: „Hast du deine Meinung geändert?" Ich nicke und er lächelt. „Gutes Mädchen...", sagt er mir hinterher.
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Ich gehe zu dem Menschen, den ich am meisten brauche. Vor seiner Wohnung traue ich mich dann aber doch nicht. Ich stehe also rum und denke über alles nach. Was soll ich tun? Einfach klingeln? Das kann ich doch nicht. Aber hier draußen kann ich auch nicht stehen. Ob es wohl noch steht?
Ich laufe zum Hintereingang, klettere über den Gartenzaun und bahne mir einen Weg durch das Gebüsch.
Ja, es steht noch.
Unser Baumhaus.
Bennis Baumhaus.
Ich klettere rauf.
Drinnen sieht es zu meiner Überraschung, genauso aus wie damals. Damals.Es ist so lange her. Aber mir kommt es vor, wie gestern. Ich mache es mir auf einem Sitzsack zurecht. Hier ist es bisschen wärmer. Aber nur bisschen. Ich kuschel mich in den Sitzsack und versuche zu schlafen. Mittlerweile bin ich so müde, dass ich nicht mal mehr nachdenken kann.

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