Kapitel 26

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Ich hab Melis Vater komplett abgesagt. Die Ferien zu Hause verbracht. An Gras komme nicht so leicht ran, aber rauchen kann ich unbemerkt. Mir geht Bennis wütender Gesichtsausdruck nicht aus dem Kopf. Was hab ich nur angestellt? Und wie kann ich es wieder gut machen? Wie kann ich ihn wieder zurückbekommen. Mein Telefon hat tausendmal geklingelt. Neugierige 'Freunde', die Gesprächststoff über Koray un mich suchen. Ich weise sie ab. Will nicht reden. Ich hatte einen Freund und der ist weg. Bestimmt mit Melis. Hab ich jetzt eigentlich Schluss gemacht? Er hat nicht angerufen.... Wie wird es jetzt sein, wenn ich in die Schule komme? Bestimmt werden sie Ceren wieder in die Gruppe aufnehmen und mich hassen, vielleicht ärgern... werden sie mich schlagen, wie Benni?
Es klopft an meiner Tür. Missgelaunt rufe ich „Nein!" Ich will im Bett liegen bleiben und keinen sehen. Aber den Anklopfer wimmelt es nicht ab. „Wie sieht es, denn hier aus? Hast du etwa geraucht?"
Sibel: Mom.... hau ab!
Mutter: Sibel... hier liegen überall Zigarettenstummel auf dem Boden... es stinkt furchtbar und dieses schrecklich aus. Ich will eine Erklärung.
Sibel: Geh einfach.

Aber sie denkt nicht daran. Stattdessen setzt sie sich auf die Bettkante.
Mutter: Oh mein Gott! Hat sich etwa Koray von dir getrennt?
Sibel: Vielleicht hab ich mich ja von ihm getrennt.
Mutter: Sei nicht albern, wieso solltest du das machen?
Sibel: Weil er ein Arsch ist!

Meine Mutter macht so ein erschrockenes Gesicht, als hätte ich ihre Mutter beleidigt. Sie fuchtelt mit den Armen und schimpft vor sich hin, während sie mit säuerlichem Gesicht das Zimmer verlässt.
Sie ist also auch vom Urlaub zurück.

Die Ruhe ist aber nur von kurzer Dauer. Sie kommt wenige Minuten später hineingestürmt, steckt den Kopf in den Türspalt und sagt mit einem künstlichem Lächeln „Ich hab Haluk und Koray zum Essen eingeladen. In einer halben Stunde bist du unten Fräulein."
Ohne eine Antwort abzuwarten, schließt sie die Tür und geht weg.

„Ich hasse dich!", schreie ich stumm hinterher und werfe meinen Kissen gegen die Tür. Ich weiß nicht mal ob Koray und ich wirklich getrennt sind. Wie soll ich da jetzt rauskommen? Und mich weiter im Bett verkriechen geht auch nicht, falls wir wirklich getrennt sind, soll er nicht denken, dass ich trauere. Wenn ich glück habe, kommt er nicht mit.

Ich habe keins. Warum auch? Frisch geduscht, ungeschminkt mit einem Rock und einem bauchfreien Top am Essenstisch. Meine Mutter guckt mich kritisch an, aber ich belächele sie künstlich. Cüneyt räuspert sich, Haluk nickt mir distanziert zu und Koray schaut mein Bauchnabel an, während er so tut, als wäre er an einem Gespräch mit Mom interessiert.

Sibel: Und Daddy, wie war es in Costa Rica.
Cüneyt: Ähmmm..... ja... sehr schön.
Sibel: Was hast du mir mitgebracht?
Cüneyt: Was denkst du denn?
Sibel: Ich weiß nicht.
Cüneyt: Schau mal...

Er zieht eine Postkarte aus seiner Jackeninnentasche und ich tue überrascht. Dieses Spiel, spielen wir seit Jahren. Bei jedem Urlaub meiner Eltern kriege ich eine Postkarte und jedes Mal tue ich überrascht. Mittlerweile habe ich von aller Welt Postkarten.

Cüneyt: Gefällt sie dir?
Sibel: Ja, Daddy.

Artig gebe ich ihm einen Kuss auf die Wange. „Sibel?"
Sibel: Ja Mom?
Mutter: Geh doch mit Koray auf dein Zimmer. Lasst uns alte Leute alleine.

Diese Hexe!
Koray macht Anstalten aufzustehen aber ich bleibe auf der Stelle sitzen.

Mutter: Sibel?

Zögernd will ich nachgeben, aber in dem Moment klingelt Korays Handy und mit einem schulterzucken geht er ins Nebenzimmer. Ich schau ihm hinterher.

Eigentlich hatte ich mich total zu ihm bekennt. Ich war eins von ihnen, eins mit ihnen. Bereit in seine Welt einzutreten. Ich war sogar glücklich. Was war schief gelaufen? Warum konnte ich jetzt nicht einmal mit ihm reden? Wieso beachtete er mich nicht mal. In seinen Blicken sehe ich immernoch den kleinen zerbrechlichen Jungen, dessen Mutter ihn verlassen hat um ihren eigenen Träumen hinterherzujagen. Er hadert mit der gesamten Welt. Warum kann ich ihm keine Stütze sein?Warum ist alles so aufgesetzt?

Koray kommt ins Zimmer zurück. „Ich muss gehen. Hab Training... Bis später..."
Er winkt nochmal zum Abschied. Aber schaut mir nicht in die Augen dabei.

Ich glaube dieses Mal ist entgültig Schluss.

Merkwürdig. Es macht mich irgendwie traurig. Wir sind drei Jahre lang gemeinsam einen Pfad gelaufen. Ich fühl mich alles andere als erleichtert.
Dann weiß ich es plötzlich.
Egal, wie falsch Koray ist. Egal, wie oft er mich aufregt.

Ich liebe ihn doch.

Aber ist diese Erkenntnis zu spät?

Wie kann ich ihn lieben, wenn ich an seiner Seite so unglücklich bin?
Aber obwohl ich weiß, dass ich mit ihm unglücklich bin, tauchen jetzt Bilder auf. Bilder von Momenten an denen ich durchaus an seiner Seite glücklich war.

Habe ich ihm Unrecht getan? War ich undankbar? Hatte er wohlmöglich recht?

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Kennt ihr das? Man macht mit jemanden Schluss und bereut es einen Moment lang? Nein?

Ich auch nicht.

Wie ist es bei euch?

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