Kapitel 12

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Am nächsten Tag habe ich etwas Bauchschmerzen. Ich bleibe im Bett liegen, während Koray sich für die Schule fertig macht. „Los steh auf Süße!" Er gibt mir einen Kuss auf die Wange und versucht mich behutsam zu wecken. „Koray, verschwinde!", murmele ich und hülle mich in die Decke aber er stupst mich an.. „Es tut weh!", sage ich. „Wird vergehen....", meint er nur und zieht mich raus ausdem Bett. „Da liegen Klamotten für dich bereit... Ich war heute morgen bei dir." Koray hat Geschmack. Ich mach mir keine Sorgen um die Klamotten, die er ausgesucht hat. Es ist ein Hemd mit Batikmuster und eine kurze Jeansshort. Meine Haare sprühe ich schnell mit dem Schaumfestiger aus meiner Tasche ein und schminke mich in goldtönen. Koray stößt ein Pfiff aus und ich schenke ihm ein Strahlen. Hand in Hand fahren wir zur Schule. „Du wirst immer mehr, wie wir.", sagt Koray.
Also war ich es vorher nicht. Ich passe mich ihnen an. Ich sehe weg, wenn Benni geschlagen wird. Koray, der das als Lob gemeint hat, weiß gar nicht, warum ich so schweige. Immerhin war gestern abend schön. Es war das erste Mal, für uns beide. Er war behutsam unsicher, so wie ich. Aber er hatte an alles gedacht. Die Augen auf die Straße gerichtet, nimmt er meine Hand und küsst die Knöchel. Aber meine Konzentration ist wo anders. Mit aufgerissenen Augen betrete ich die Schule, sie suchen nach Benni. Aber er ist nicht da. Wo ist er?
Auch in der Pause suchen meine Augen ihn. Esra fällt das auf „Warum bist du so nervös?" „Bin ich das?" „Der Sex gestern war nicht gut?", fragt Ceren ganz unverblümt. Warum weiß die das? „Woher..?" „Berkcan hat es mir erzählt..." „Nur damit du es weißt, es war toll!" Ich balle die Fäuste und sehe in der Menge Koray, wütend stampfe ich zu ihm Dazu hatte er kein Recht! „Koray?" „Hmmm?" „Komm!" „Sie kriegt nicht genug von dir!", ruft dieses Arschlochberkcan. Koray folgt mir und strahlt förmlich. Als wir alleine sind, will er mich küssen „Warum erzählst du es allen?", frage ich. „Beruhige dich!" Ich überkreuze die Arme „Fick dich!" Ich will ihn boxen aber er hält meine Hand auf „Warum bist du immer so verklemmt? Alle Männer erzählen so etwas. Gestern Nacht war etwas unglaubliches. Ist doch klar, dass ich es meinem besten Freund erzähle." Und ohne ein weiteres Wort küsst er mich. Erst bin ich erstaunt. Aber was soll ich tun? Trennen würd ich mcih ja eh nicht. Ich küsse ihn zurück. Aber in meinem Hinterkopf ist die Frage: Passe ich hier wirklich rein?!

Am späten Nachmittag, stehe ich vor dieser allzu bekannten Haustür. Ich betrachte sie genauer um den Moment hinauszuzögern. Die Tür kenne ich. Sie ist dunkelbraun und hat riesige Glasscheiben. Grüne. Die Tür sieht zerfallener aus, als ich dachte. Ich schaue noch mal an den Rahmen und sehe noch die Aufzeichnungen aus meiner Kindheit. Sie zeigt den chronologischen Verlauf der Größenentwicklung von den beiden Jungs, die hier wohnten. Jetzt stehe ich seit zehn Minuten herum und traue mich immernoch nicht zu klingeln, vielleicht sollte ich gehen. Zusammenreißen! Befehle ich mir. 1....2...3....4.... und puh... geklingelt. Aber es öffnet niemand. Ich klingele nochmal und eine Frau im Alter meiner Mama öffnet mir. „Ja zu wem wollten Sie?" „Maggie?" Ja sie ist es. Auch wenn ich sie liebenswerter, hübscher in Erinnerung habe. Sie hat ein rundliches Gesicht und ihre roten Haare zu einem Dutt zusammengesteckt, was nicht gerade vorteilhaft ist. Worüber ich schon wieder nachdenke. Sie schaut mich fragend an und kneift die Augen zusammen. „Sibel... bist du das Kind?" „Ja...", sage ich schüchtern. Sie fällt mir herzlich um den Hals „Komm rein Kind! Wie schön du geworden bist! Willst du einen Kuchen?" Ich folge ihr und sie tischt mir einen auf, ohne auf meine Antwort zu achten. Ich sitze im immer gleichen Wohnzimmer. Als wäre die Zeit stehen geblieben... denke ich. Die selben Möbel, die selben Gardinen. An den Wänden hängen immernoch die selben Bilder: Nathan beim Fußball spielen, Nathan mit seinem Führerschein, Nathan mit dem Weihnachtssgeschen als vierjähriger. Auf der anderen Seite sind erheblich weniger Bilder von Benni. Benni beim Fahrrad fahren. Ein vierjähriger Junge auf dem Dreirad. Er weint auf dem Bild und seine lange Nase sticht aus dem Kindchengesicht. Auf dem nächsten Bild trägt er eine Schultüte und Nathan macht hinter ihm ein Hasenzeichen. Benni schaut glücklicher aus. Auf dem dritten Bild ist Benni mit einem etwas dickeren Mädchen. Sie halten Händchen und seine kleinen Augen strahlen. Auch das Mädchen sieht glücklich aus. Ich nehme das Bild in die Hand. An diesen Tag erinnere ich mich. Unsere Mütter waren mit uns in den Park gegangen und ich hatte Angst vor der Riesenrutsche und Benni hatte meine Hand genommen, gemeinsam sind wir dann runter gerutscht. Ich war wirklich glücklich.
„Wie sehr sich alles verändert hat. Wie hübsch und groß du geworden bist." , sagt Maggie und schaut mich an. Ich werde mir meiner Schuld immer bewusster. Dieses Haus, diese Erinnerungen, sie drohen mich zu zerstampfen. Ich kann Maggie nicht mehr in die Augen schauen. Es ist mir richtig peinlich. „Ich sollte jetzt gehen", murmele ich und verlasse die Wohnung. Ich komme aber nicht weit. Benni ist im Garten und blickt mich verwirrt an „Was suchst du hier?", fragt er verwirrt. „Ich.... ich... ich wollte mich entschuldigen" Er kneift die Augen zusammen und mustert mich „Du meinst es ernst?" „Ja Benni. Es tut mir so leid. Ich bin schwach und dämlich. Aber... aber... wir sind doch Freunde. Wir sollten füreinander da sein." Er streicht sich über die Haare. Ich schaue ihn mit Tränen in den Augen, ins Gesicht. Was ich da sehe, gibt mir den Rest. Sein Auge ist blau und überrall hat er Blutergüsse. „Wer war ...?" „Ich brauche dein Mitleid nicht. Deine Freundschaft kannst du dir auch sonst wohin stecken...", sagt er und lässt mich im Garten stehen. Ich schaue ihm hinterher, wie er das Haus betritt und frage mich, wie es so weit kommen konnte. Wie konnte aus dem Jungen, der meine Hand nie losließ so ein Fremder werden?

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Könnt ihr Benni verstehen?

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