Kapitel 20 - Tryna do what lovers do

856 32 4
                                    

           

Noch immer standen sie sich direkt gegenüber. Sie musste leicht aufschauen zu ihm.

„Oh Louisa" sagte er leise und blickte sie immer noch an. Sein Blick hielt sie gefangen, selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie nicht wegschauen können. „Ich glaube ich sollte da was erzählen" sagte er und sie setzten sich auf die Terrasse. „Ich habe mich vor über einem Jahr von meiner damaligen Freundin getrennt. Es ging einfach nicht mehr, weil unsere Leben sich so unterschiedlich entwickelten, dass ich nicht einmal mehr wusste worüber ich mit ihr reden sollte. Verrückt, wenn man bedenkt, dass wir über sechs Jahre zusammen waren! Mein Ruf ist was Frauen und Affären angeht ohnehin nicht der beste. Das wirst du sicher auch schon mitbekommen haben. Jedenfalls hielt meine PR Agentin es für ganz klug ich würde mich mit jemandem treffen, was einen ernsten Anschein erwägt." Erklärte er und fuhr sich durch die Haare, während er eine Pause machte und offensichtlich Louisas Reaktion in ihrem Gesicht abzulesen versuchte.

Die brauchte etwas, bis sie es verstand. Und dann sah sie ihn überrascht an „Melanie?" Fragte sie nur kurz angebunden und er nickte.

„Das wissen nicht einmal Julian und Sarah. Ich weiß, dass viele in unserem Freundeskreis sich fragen, was ich mit ihr will. Anfangs habe ich es als Chance gesehen, sie ist diese Frau, die dir immer deine Sachen bereitlegt, die dir Kaffee kocht. Und vielleicht könnten wir uns ja auch gut verstehen. Aber als ich dich das erste Mal gesehen habe, da ist mir klargeworden, dass Melanie überhaupt nicht annähernd das ist, was ich suche. Nicht eine Frau, die mich glücklich macht. Sondern sie ist letztendlich eine dieser Frauen, die wegen meines Status da sind. Und bei ihr ist es sogar ihr gutes Recht, weil es von der PR eingefädelt wurde." Sein Vortrag endete und Louisa sah ihn wieder überrascht an. Das war es also mit Melanie, endlich setzte sich dieses komische Bild zusammen und machte Sinn. Deshalb war er so seltsam in ihrer Gegenwart, selbst seinen Freunden schien er etwas vorzuspielen und wer wusste schon, ob die Fronten zwischen ihm und Melanie überhaupt klar waren? Vielleicht sollte ihm mal jemand sagen, wie genervt seine Freunde von ihr waren, aber das war sicher nicht ihre Aufgabe.

Erst um drei Uhr waren sie zuhause. Roman brachte sie zu ihrer Wohnung und sie bedankte sich für diesen schönen Abend. Geeinigt hatten sie sich darauf, dass sie sich weiter kennenlernen wollten. Damit war auch der klischeehafte Kuss-Moment vor ihrer Tür weggefallen.

Seine Nachrichten ließen nie lange auf sich warten. Und jedes Mal machte ihr Herz einen kleinen Hüpfer.

Danke für den schönen Abend! Ich habe mich lange nicht mehr so amüsiert. Du schaffst es immer mich zum Lachen zu bringen. Danke, dass ich dich kennenlernen darf, ich wünsche dir eine wundervolle Nacht. X Roman

Hatte er ihr geschrieben, als sie sich nach dem Ausscheiden in der Champions League nach dem Anschlag auf ihre Mannschaft getroffen hatten. Sofort als Louisa es mitbekommen hatte, über diverse Nachrichten und auch in ihren WhatsAppgruppen, hatte sie ihm geschrieben. Einfach ob er okay war. Und noch am selben Abend hatte er sich die Zeit genommen mit ihr darüber zu telefonieren. Natürlich durfte sie diese ganzen Interna nur für sich behalten, aber wen aus ihrem Umfeld sollte auch der BVB interessieren? Und nachdem sie mittwochs rausgeflogen waren – das Spiel hatte sie sich extra angesehen, hatten sie sich donnerstags direkt getroffen. Sie hatten einfach nur in eine Decke gekuschelt auf seiner Terrasse gesehen, auf den Phoenixsee geblickt und geredet. Und das, obwohl er bestimmt sämtlichen Bekannten, Verwandten und Freunden hätte Rede und Antwort stehen sollen.

Oder:

Ich will dich nicht nerven, aber wann hast du Zeit? Ich vermisse dein Lachen. Essen gehen? X Roman

Sie gingen Essen, ins Kino, spazieren, fuhren Tretboot und liefen um den See. Sie saßen in Parks oder zuhause. Manchmal mit einer Flasche Wein, manchmal auch nur mit Wasser, Romans Fitness zuliebe. Aber immer hatten sie eine gute Zeit. Sie unternahmen alles, was Verliebte wohl so unternahmen, aber trotzdem hatten sie sich noch nicht geküsst. Diese Szene in Düsseldorf war nie wieder auf den Tisch gekommen. Dafür traf er Melanie seltener. Das Ganze hinterließ bei Louisa trotzdem noch einen faden Beigeschmack, weil sie nie das Gefühl loswurde, dass sie die nette Affäre, der Zeitvertreib war. Sie hatte aber auch keinen Anspruch auf mehr, denn immerhin war sie es gewesen, die diesen einen Schritt weiter nicht gehen wollte. Auch wenn sie es sich selbst nicht eingestehen wollte, würde sie das auf lange Sicht nicht durchhalten. All ihre Freundinnen fragten schon immer wieder neugierig, wie es lief zwischen ihnen.

„Louisa, magst du nicht vorbeikommen? Wir wollen heute Abend einen Spieleabend machen, Simone hat nach dir gefragt" rief Sarah sie an und Louisa freute sich tatsächlich. Mit Simone hatte sie sich wirklich gut verstanden. So sagte sie Marc und Marius ab für den Abend mit den Jungs, die wollten ohnehin FIFA spielen. Was Louisa da gesollt hätte hatte sie von vornherein nicht verstanden.

Sie zog sich eine blaue Jeans mit Löchern und Rissen an, dazu eine weiße Bluse, weiße Chucks und band sich ihre Haare hoch zu einem lockeren Dutt. In ihrem Kopf war schon die Stimme ihres Opas zu hören Wie du aussiehst, hast du keine gescheite Hose? Damit machte sie sich bereits auf den Weg. Sie hatte sich entschieden ihrem Cousin noch einen kurzen Besuch abzustatten auf dem Weg nach Dortmund. Doch verquatschten sie sich solange über ihre Urlaubspläne, dass Sarah bereits irritiert anrief und fragte wo Louisa blieb. Herzlich verabschiedete sie sich von ihrem Cousin und düste los.

„Sorry" erklärte sie zerknirscht, als sie von der kleinen braunhaarigen Schönheit empfangen wurde. Doch nachdem Sarah ihr noch weitere dreimal versichert habe, es sei absolut nicht schlimm, nahm sie es einfach so hin. Fröhlich begrüßte sie den Rest und gesellte sich mit einer Cola direkt zu Simone, die sich mit einer Lisa unterhielt. Die beiden integrierten Louisa sofort in ihr Gespräch, sodass sie so viel Spaß hatten, dass sie alles Drumherum vergaßen. Simone war gerade dabei ihnen ihre Traumstiefel für den irgendwann anstehenden Herbst zu zeigen, als zwei Stimmen im Raum alle begrüßten. Desinteressiert drehte Louisa sich herum um auch Hallo zu sagen, da fing sie Romans überraschten Blick. Achja. Da hätte sie dran denken können, dass er hier wäre. Sein Blick war nicht minder erschrocken. Insbesondere mit dieser braunen Wuschelmähne, die sich falsch lächelnd an seinen Arm klammerte. Es traf sie wie ein kleiner Stich ins Herz, wie er hier so mit ihr auftauchte. Und Melanie schien das zu bemerken, denn sie grinste Louisa siegessicher an.

Der ganze Abend lief so anders. Es war wundervoll mit Sarah, Simone, Lisa und den ganzen anderen Jungs. Zu Melanie fand sie einfach keinen Zugang, aber da die anderen den anscheinend auch nicht hatten, empfand sie es als nicht so schlimm. Du musst nicht jeden mögen und nicht jeder muss dich mögen, erinnerte sie sich an die Weisheit ihres Opas. Das hatte schon in Kindergartenzeiten gezählt. Aber wie es mit Roman war... Plötzlich hatte sie nicht seine alleinige Aufmerksamkeit. Sondern er spielte das glückliche Date mit Melanie. Sie taten so, wie Verliebte eben sind. Und dennoch spürte sie immer wieder seine Blicke auf sich. Es versetzte ihr ein Kribbeln, wenn er neben Melanie auf der Couch saß und sie, Louisa, ansah. Auch wenn es sich unheimlich falsch anhörte in ihrem Kopf. Letztendlich wusste sie ja überhaupt nicht, ob Roman ehrlich zu ihr war, wenn er mit ihr sprach. Schließlich war er jetzt bei Melanie und nicht neben ihr. Sie hätte sich niemals darauf einlassen sollen, musste kurz all diese Gedanken aus ihrem Kopf verdrängen und stieg auf den Balkon. Der war riesig und ließ auf einen ruhigen Teil Dortmunds blicken. Man konnte weit blicken von hier aus, sah Wald und den Anfang vom Zoo. Das Dortmunder U leuchtete bereits. Sie hörte ein Hüsteln neben sich.

Melanie hatte ein wirklich kurzes Kleid an, sehr figurbetont, ziemlich weit ausgeschnitten... Wäre Louisa fies, könnte sie es als billig betiteln. Nicht wegen der Qualität, eher um den Eindruck zu beschreiben, den Melanie damit bei ihr hinterließ. „Hi" sagte Louisa kurz und sah bereits den stechenden Blick. „Er sieht dich die ganze Zeit an" brachte Melanie kühl hervor und sichtlich verwirrt blickte Louisa sie an „Was möchtest du von mir?" fragte Louisa mit hochgezogener Augenbraue. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, dass Roman und sie sich trafen. Häufig trafen. Wer weiß, was die beiden tatsächlich für ein Verhältnis hatten?

„Ich weiß zwar nicht, was du machst. Und wie du es anstellst, aber ich will das nicht. Er gehört mir" sagte Melanie zickig und Louisa machte große Augen. Mit einem kurzen Lachen ging sie wieder zurück und ließ Melanie dort stehen.

Das war ein Bitch-Abgang aller erster Klasse. Und das hatte sicher nicht nur sie so gesehen. Aber wie hatte Julia gesagt: ihr konnte es egal sein, was Melanie über sie dachte. Wenn dann war sie Romans Problem. Und da die beiden anscheinend nicht einmal ein Paar waren, hatte sie da auch keinerlei Probleme. Louisa wusste noch nicht wirklich, wo das hinführen würde. Aber falls sich zwischen den beiden was entwickeln sollte, dann würde sie auch darum kämpfen und sich nicht von einer so blöden Schnepfe ihren Mann wegnehmen lassen. Aber da war sie sich ja nicht einmal sicher.

Unforgettable (Roman Bürki, Leon Goretzka)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt